Adaption.
Diese Kritik erschien auch bei www.ofdb.de
Technische Daten
Vertrieb: Columbia TriStar Home Entertainment
Regionalcode: 2
Laufzeit: 110:24 Min.
Regie: Spike Jonze
Darsteller: Nicolas Cage,
Meryl Streep,
Chris Cooper,
Rheagan Wallace,
Jane Adams,
Agnes Baddoo,
Jim Beaver,
Caron Colvett,
Lynn Court,
Brian Cox,
John Cusack,
John Etter,
Roger Fanter,
Gary Farmer,
Paul Fortune,
Sandra Lee Gimpel,
Judy Greer,
Maggie Gyllenhaal,
Curtis Hanson,
Gregory Itzin,
Paul Jasmin,
Peter Jason,
Catherine Keener,
Fred Lerner,
Litefoot,
Ron Livingston,
Laura Love,
Lisa Love,
Harris Mann,
Wendy Mogel,
Don Moss,
Lupe Ontiveros,
Toni Oswald,
David O. Russell,
Jeremy Sumpter,
Tilda Swinton,
Jay Tavare,
Stephen Tobolowsky,
Roger Willie,
Bob Yerkes
Bildformat: Widescreen 1,85:1 (Anamorph)
Sprachen: DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch
Freigabe: FSK 12
Film
Hallo, mein Name ist Charlie Kaufman. Ich bin Drehbuchautor.
Nun ja, genau genommen BIN ich nicht Charlie Kaufman. Meine Eltern sind vor 23 Jahren auf die Idee gekommen, mich „Sascha“ zu nennen. Im Internet passe ich mich den geltenden Konventionen an und lege mir einen Nickname zu, um ein gewisses Maß an Anonymität zu gewähren. Für mein direktes Umfeld heiße ich also „Sascha“, für die Nutzer dieses Forums heiße ich „Vince“. Das ändert aber nichts an einer entscheidenden Tatsache: Ich bin WIE Charlie Kaufman. Ein Mensch. Ich bin auch WIE Donald Kaufman. Auch ein Mensch. Wir alle teilen dieselbe Herkunft. Na ja, ich werde wohl aus einer anderen Stadt kommen als der Leser dieses Reviews, oder doch zumindest in einem anderen Haus wohnen, eine andere Lieblingsfarbe haben und so weiter. Was ich aber sagen will: Wir alle sind vom gleichen Ursprung. Der Urknall ist es, der uns alle miteinander verbindet, und was aus uns geworden ist, was uns von anderen Spezies und voneinander unterscheidet, nennt man Adaption.
Aber wo war ich noch gleich? Richtig, ich bin wie Charlie Kaufman. Das ist verdammt richtig, denn ich habe gesehen, wie er versucht, ein überwältigendes Werk namens „Der Orchideendieb“ von einer Roman-Autorin namens Susan Orlean – eigentlich aber von einer Schauspielerin namens Meryl Streep – zu adaptieren, und zwar auf das Muster eines Drehbuchs. Das Werk ist nämlich so wundervoll, dass man sich entschlossen hat, es zu verfilmen. Und Kaufman weiß es so sehr zu schätzen, dass er gar nicht weiß, wo er anfangen soll. Es soll ja schließlich kein 08/15-Actionkracher werden. Er will stattdessen einen Film über Blumen machen. Ein hermeneutisches Werk, das einfach die Schönheit des Motivs an sich einfangen will, ohne es einer Veränderung zu unterziehen. Keine Vanitassymbole, ewige Schönheit soll paraphrasiert werden. Aber klappt das?
Das frage ich mich auch. Denn wie gesagt, ich bin in derselben Situation wie Charlie Kaufman. Ich habe einen Film von einem Regisseur namens Spike Jonze gesehen (ist das sein richtiger Name, oder verbirgt sich hinter ihm noch ein Schauspieler?) Er hieß „Adaption“ und ich war überwältigt. Nun habe ich die Aufgabe, ein Review über diesen Film zu verfassen. Ich will aber nicht krachbumm-mäßig über die Anatomie der spektakulär realistischen Autocrashs, die darin vorkommen, schreiben. Auch nicht über die oscarreifen Leistungen einer Meryl Streep, eines Chris Cooper (der Orchideenmann, der dann auch den Oscar bekam), eines Nicholas Cage und noch eines Nicholas Cage. Mir liegt vielmehr am Herzen, die Einzigartigkeit des Films aufzuzeigen. Aber wie, um Gottes Willen, soll ich das anstellen? Ich kann das nicht, ich habe dazu nicht das Talent.
Ich habe Hunger. Ich brauche einen Kaffee.
Also, wo fange ich an? Wenn ich die Quintessenz des Werkes erfassen will, muss ich zu den Ursprüngen zurückgehen. (Hmmm... ein Donut wäre auch nicht schlecht) Wie erfasst man den Ursprung eines Films? Sollte man die Handlungselemente immer weiter komprimieren, bis nur noch ein einziges Wort übrig bleibt? In dem Fall wäre das wohl der Titel. Adaption. Also gut, was ist das? Adaption ist ein Anpassungsprozess. Wer kennt Charles Darwin? Ja genau, der mit dem „survival of the fittest“-Ding. Natürliche Selektion, eine sich verändernde Umwelt. Die sich in dieser Umwelt befindenden Subjekte müssen sich anpassen und verändern, um weiterhin existieren zu können. Die Welt dreht sich, und mit ihr alle ihre Bewohner. Selbst die Haie und einige andere Meeresbewohner können dem zwar teilweise widerstehen, aber eben doch nicht ganz, auch sie haben sich verändert.
Wenn man so will, ist Charlie Kaufman der Hai, sein Bruder Donald dürfte dann wohl das Chamäleon sein, denn er passt sich unentwegt den neuen Situationen an. Ist es nicht komisch, dass die beiden Zwillinge sind? Genau genommen sind sie mehr als das, nämlich ein und dieselbe Person; immerhin werden sie von einem Schauspieler gespielt, Nicholas Cage. Wie paradox. Das ist auch die zweite Lesart des Begriffes „Adaption“: Charlie muss leben. Ja, genau wie Frankenstein muss auch Charlie leben. Er muss sich verlieben, er muss Theorie gegen Praxis eintauschen, weniger über sich selbst nachdenken, keine Situationen im Kopf vorzeichnen, sie lieber ergreifen, solange sie noch da sind. Adaption nennt man also auch die Eingliederung in den Prozess anstatt von Isolation. Man sollte meinen, beim Menschen gestaltet sich das schwieriger als etwa bei einer Biene, die Blumen bestäubt, weil die nicht nachdenken muss. Sie ist Teil eines Kreislaufs, der viel gewaltiger ist, als sie jemals ahnen wird. Der Mensch hingegen scheint noch mit dem Hindernis kämpfen zu müssen, das Potential zu besitzen, alles zu durchdenken. Aber ist das wirklich ein Hindernis? Immerhin gibt es am Ende ja verblüffende Wendungen, Action, Verfolgungsjagden, sprich: Veränderungen, und das, obwohl der gute Charlie eigentlich nur die Einzigartigkeit von „Der Orchideendieb“ in einer hermeneutischen Spirale einfangen wollte.
Die dritte Lesart ist die simpelste, denn sie bezeichnet das Übertragen einer literalen Form in die andere, nämlich vom Roman zum Drehbuch, wobei dieses wiederum am Set in das Interagieren zwischen den Schauspielern adaptiert wird, das setzt sich dann zum Film zusammen, wird auf die Leinwand adaptiert, von dort in die Köpfe der Kinogänger, wird außerdem noch auf DVD adaptiert, von da in die Köpfe der Heimkinofans. Bezeichnend ist deswegen auch, dass Spike Jonze es sich nicht nehmen ließ, Behind-the-scenes-Aufnahmen seines sowieso schon behind-the-scenes-lastigen Vorgängerfilms „Being John Malkovich“ in den Handlungsverlauf von „Adaption“ zu integrieren. Was für eine Vielschichtigkeit, beinahe wie die Blätter einer Blume.
Aber ist das genug? Wenn ich ein Seminar für das Verfassen von Reviews besucht hätte, wüsste ich, dass es nicht genug wäre. Man würde mich demütigen, mir sagen, dass ich nichts vom Leben verstehe. Wer will schon einen Film sehen, in dem nichts passiert? Wer will ein Review lesen, in dem nichts über Schauspieler, Regie, Kamera, Special Effects, Story, Schnitt gesagt wird?
Kann dieser Monolog, der hier vonstatten geht, eigentlich als Off-Kommentar aufgefasst werden?
Nun gut, ich habe es eingesehen.
„Adaption“ ist ein vielschichtiges, unkonventionelles Werk, welches das Leben als solches thematisiert sowie all seine doppelten Böden. Nicholas Cage brilliert in einer Doppelrolle als die Gebrüder Kaufman. Nicht minder genial spielen Meryl Streep und Chris Cooper ihre Rollen als Romanautorin Susan Orlean und das Hauptmotiv für ihren Roman, der Orchideenmann. In prachtvollen Bildern erzählt Regie-Genie Spike Jonze eine Geschichte von vier Menschen gleich auf mehreren Ebenen, welche sich mit zunehmender Zeit immer mehr ineinander verstricken und im Finale mit einem Knalleffekt wieder aufgelöst werden. Ein wahres Meisterwerk, das den Jonzeschen Mikrokosmos geschickt weiterstrickt.
Und doch – am Ende zählt der Mensch.
Ist „Adaption“ eine Komödie? Nein, es ist das Leben.
Screenshots
Bild
Das mit dem Bild ist schon etwas seltsam. Auf dem Computermonitor wirkte es streckenweise qualitativ hochwertig und ohne nennenswerte Beeinträchtigungen. Auf dem Fernseher gab es jedoch fast durchweg Grund zur Klage: Ein beständiges Grießeln und Rauschen ist das Hauptproblem. Andererseits bietet das Bild kräftige Farben, was speziell bei den markanten Grüntönen im Kontrast mit dem hellen Hintergrund positiv auffällt. Verschmutzungen waren keine auszumachen.
,5
Ton
Aus dem Sound wurde herausgeholt, was unter den gegebenen Umständen möglich war. Die Stimmen kommen klar und deutlich aus allen Kanälen und werden durchweg von Hintergrundgeräuschen unterlegt, was einen authentischen Eindruck von der jeweiligen Situation vermittelt. In den sehr wenigen Actionsequenzen werden dann auch mal die Rearspeaker beschäftigt. Bei einem Film dieser Art kann man halt kein Soundgewitter erwarten.
,5
Menüs
Das mit Musik unterlegte Hauptmenü ist sichtbar deutlich ein Standbild... wirklich? Nein, wenn man genau hinsieht, bewegt sich da nach einer Weile was.
Sämtliche Untermenüs sind allerdings tatsächlich vollwertige Standbilder, meist recht grobkörnige Teilausschnitte von Komplettbildern. Dem Flair des Films also voll und ganz angemessen; wenn schon wenig Bewegung im Menü, dann bei diesem Film. Aus diesem Grund gibt es für den geringen Aufwand auch immerhin
Extras
Traurig ausgefallen ist das Abteil “Extras”. Es gibt erstens ein paar lausige Filmografien von Regisseur Spike Jonze (1 Seite), den Drehbuchautoren Charlie und Donald Kaufman (je 1 Seite), der Romanautorin Susan Orlean (1 Seite) sowie von den Schauspielern Nicholas Cage, Meryl Streep und Chris Cooper (je 2 Seiten). Zweitens wurden noch ein paar Trailer auf die DVD gepresst: “Adaption” (2:19 Min.), “Die Wutprobe” (1:24 Min.), “Manhattan Love Story” (2:19 Min.) und “Land des Sonnenscheins - Sunshine State” (2:06 Min.).
Das ist gerade bei einem derart komplexen Film eigentlich ein Armutszeugnis. Man kann’s aber auch positiv sehen: Die Magie von “Adaption” bleibt voll und ganz erhalten, das Phänomen der Adaption an sich bleibt ein Phänomen und wir, die DVD-Konsumenten, bleiben ein Teil des adaptiven Fortschritts, der ganz wie die Biene nicht hinter die Maschinerie blickt. Wer weiß - vielleicht ist das Fehlen des Bonusmaterials eine absichtliche Maßnahme, um die Intention des Films über sein Medium hinaus im Medium DVD weiterzustricken?
...Neee, die Marktwirtschaft ist stärker als die künstlerischen Intentionen von Filmemachern. Also:
,5
Fazit
Wer Spike Jonzes skurrile Arbeit schon bei “Being John Malkovich” zu schätzen wusste, und wer wirklich durchblicken will, was ich da oben für einen Quatsch geschrieben habe, der möge sich unbedingt “Adaption” zulegen - ein Meisterwerk, das mit dem Egozentrismus eines jeden Zuschauers spielt und es in einen größeren Zusammenhang setzt und ihn damit selbst zu einem Teil des Films macht. Es ist wirklich fast schon zu banal, hier über die zweifellos brillanten schauspielerischen Leistungen der Darsteller zu palavern. “Adaption” erschließt sich über eine weit größere Bewusstseinsdimension, die jeglicher Versuche spottet, diese faszinierenden 110 Minuten nach cineastischen Kriterien zu analysieren. Auch wenn die DVD technisch nur mittelmäßig ist und vom Bonusmaterial her sogar ein Nullsummenspiel, man sollte sich unbedingt drauf einlassen.
Unbedingt.
Testequipment
TV-Gerät: - Tevion 4:3 Fernseher
- Philips Brilliance 107 17'' Computermonitor
DVD-Player: - Pioneer XV-DV313 5.1-Komplettsystem
- LG DVD-ROM-Laufwerk Yakumo AMD Athlon XP PC