Hiroshima mon amour
Getestet wurde die #196 der Criterion Collection, die optionale englische Untertitel bietet, alle nicht-englischsprachigen Extras enthalten ebenfalls Untertitel
Film:
Alain Resnais, der Regisseur des Films (übrigens sein erster Film in Spielfilmlänge) wurde von japanischen Produzenten gebeten, einen Film (genauer:„documentary - fiction film“) über den Zustand Hiroshimas mehr als 10 Jahre nach dem Abwurf der Atombombe zu drehen. Diesen würden sie dann subventionieren. Alain Resnais wurde bei der Realisierung dieses Projekts in seiner Interpretation völlig freie Hand gelassen, bis auf einige wenige Bedingungen: von den zwei Hauptprotagonisten sollte der eine japanischer, der andere französischer Herkunft sein, der Handlungsstrang sowohl in Japan als auch in Frankreich angesiedelt sein. Dies hatte zur Folge, dass der Film in jenen Ländern gedreht wurde.
Die Romanautorin Marguerite Duras wurde mit dem Drehbuch beauftragt. Die folgenden Zeilen sind dem Exposé desselben entnommen und sollen andeuten, um was es in dem Film geht und was einen in etwa zu erwarten hat:
Sommer 1957, August, in Hiroshima.
Eine Französin, an die dreißig Jahre alt, ist in dieser Stadt. Sie ist hingekommen, um einen Film über den Frieden zu drehen.
Die Geschichte beginnt am Vorabend der Rückkehr dieser Französin nach Frankreich. In der Tat ist der Film, in dem sie spielt, beendet. Nur mehr eine Sequenz ist zu drehen.
Am Vorabend ihrer Rückkehr nach Frankreich denn soll diese Französin, die niemals im Laufe des Films genannt wird – diese namenlose Frau – einem Japaner begegnen (einem Ingenieur, oder Architekten), und sie erleben eine sehr kurze Liebesgeschichte miteinander.
Wie sie einander begegnen, wird in diesem Film nicht näher klargestellt. Darum geht es nämlich nicht. Überall in der Welt begegnet man einander. Worauf es ankommt, das ist, was aus solchen Begegnungen entsteht. Dieses Zufallspaar sieht man zu Beginn des Filmes nicht. An ihrer Stelle sieht man verstümmelte Körper, in Höhe des Kopfes und der Lenden, in Bewegung, eine Beute sei es der Liebe, sei es des Todeskampfes, bedeckt nacheinander mit der Asche, den Tautropfen des Atomtodes und mit dem Schweiß vollbrachter Liebe.
Nur ganz allmählich gehen aus diesen formlosen, namenlosen Körpern die ihren hervor.
Sie liegen zu Bett in einem Hotelzimmer. Sie sind nackt. Glatte Körper. Unversehrte.
Wovon sprechen sie? Eben von Hiroshima.
Sie sagt ihm, sie habe alles gesehen in Hiroshima. Man sieht, was sie sah. Es ist entsetzlich. Währenddessen nun bezeichnet seine Stimme, Stimme des Widerspruchs, die Bilder als verlogen, und wiederholt, unpersönlich und unerträglich, sie habe nichts gesehen in Hiroshima.
So ist denn ihr erstes Gespräch sinnbildhaft. Ein Opern-Dialog im Grunde. Es ist eben unmöglich von Hiroshima zu sprechen. Alles was man tun kann, ist, darüber zu sprechen, wie unmöglich es ist, über Hiroshima zu sprechen. Das Wissen um Hiroshima ist dabei von vornherein als eine beispielhafte Selbsttäuschung des menschlichen Geistes gesetzt.
Dieser Beginn, diese offizielle Parade der bereits zelebrierten Greuel von Hiroshima, in einem Hotelbett beschworen, diese frevelhafte Beschwörung ist Absicht. Überall kann man von Hiroshima sprechen, selbst in einem Hotelbett, während einer zufälligen, einer ehebrecherischen Liebesbegegnung. Die beiden Körper unserer Helden, wirklich füreinander entbrannt, daran wollen wir erinnern. Was wirklicher Frevel ist, sofern von Frevel die Rede sein soll, das ist Hiroshima selbst. Es hat keinen Sinn, heuchlerisch die Fragestellung zu verschieben.
So wenig man ihm von dem Denkmal Hiroshima gezeigt haben mag, diese kläglichen Spuren eines Denkmals der Leere, der Zuschauer sollte aus dieser Beschwörung gereinigt hervorgehen, gereinigt von mancherlei Vorurteilen, und bereit, alles hinzunehmen, was man ihm zu unseren beiden Helden sagen wird. (…)“
Damit kein falscher Eindruck entsteht, dies ist nur Anfang des Films. Es soll den ungewöhnlichen Beginn der Geschichte, „einer Geschichte, die tausendmal an einem Tag geschieht“, etwas näher bringen.
Die kurze Inhaltsangabe des Films: Der Film zeigt den hartnäckigen, aber immer wieder scheiternden Versuch eines Japaners und einer Französin, der Katastrophe von Hiroshima die Liebe zweier Menschen entgegenzusetzen, die der Hölle des Zweiten Weltkrieges entkommen sind, die Katastrophe zu vergessen, die ständige Erinnerung an sie preiszugeben.
Der Film benutzt verschiedene Mittel um die nicht-lineare Reihe von Ereignissen umzusetzen. Innere Monologe, voice-over, häufige Rückblenden und Schnitte (zeigt sich schön an den aufeinanderfolgenden Einstellungen von Nevers und Hiroshima) sind zu erwähnen.
Der Film (1959), der zur „Nouvelle Vague“ zählt, ist ein Meilenstein der Filmgeschichte und für mich ein echtes Meisterwerk und einer meiner absoluten Lieblingsfilme.
Er besitzt eine außergewöhnliche Intensität und geht wirklich unter die Haut. Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich ihn sehe. Die schauspielerische Leistung besonders von Emmanuelle Riva in der Rolle der Französin aber auch von Eiji Okada, der den Architekten spielt, ist meiner Meinung nach grandios, die filmischen Mittel wohl ihrer damaligen Zeit voraus. Allein die Betonung im voice-over zu Beginn des Films ist so eindringlich, dann noch die Bilder dazu - eine ungewöhnliche Wirkung wird erzeugt. Die Rückblenden über den Alptraum von Nevers, den die Französin erleben musste, werden von mal zu mal emotionaler und sind von einer fast erdrückenden Intensität, wie ich sie in kaum einem (oder keinem?/ ich bin lieber vorsichtig mit Superlativen) anderen Film erlebt habe. Auch die schwindende Zeit spielt für die Beziehung der beiden Hauptfiguren eine bedeutende Rolle.
Was Resnais mit diesem Film ausdrücken wollte, war weniger eine Wiederaufführung der Erlebnisse des Horrors der Atombombe und seiner Abscheulichkeit, sondern eine Erzählung, die den Alptraum der Überlebenden durch ihre Gefühle und Dialoge zum Ausdruck bringt. Es sind eben auch in diesem Film die Gespräche über Leben und Tod, die großen Symbolcharakter haben, und natürlich auch einzelne Worte wie zB. „Nevers“ und „Hiroshima“.
Kritiker bemängelten, der Film sei zu literarisch oder zu künstlich, wer sich aber auf die Sprache des Films, seinen Rhythmus, die ganze, ihm eigene Art, einlässt, der wird möglicherweise genauso überwältigt sein wie ich.
Pierre Marcabru schrieb 1959 dazu: „Hiroshima mon amour ist so wunderbar, weil wir nicht in der Lage sind zu bestimmen, wo das Bild beginnt und das Wort endet“.
Für diesen fantastischen Film gibt es von mir
Bild:
Das Bild ist in meinen Augen, unter Berücksichtigung des Alters, fantastisch. Schärfe und Kontrast sind vorzüglich. Da hat Criterion bei der Restauration wirklich sehr gute Arbeit geleistet und da kann man sich auch über ein paar verbliebene Kratzer (der Film ist von 1959!!) überhaupt nicht beschweren. Bildformat ist das Originalformat von 1,33:1. (Die durchschnittliche Bitrate liegt bei 7,55 MB/s.)
Ton:
Auch der Ton (französisch, Mono, DD1.0) wurde unter Benutzung von Audio Restaurationswerkzeugen von allen möglichen Negativeinflüssen bereinigt und klingt deshalb sehr klar und rauschfrei.
Eine Tonspur mit Audiokommentar sowie eine isolierte Sound- und Effektspur liegen außerdem noch vor. Englische Untertitel sind natürlich vorhanden. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es hier, genauso wie beim Bild, etwas zu verbessern gibt, deshalb auch hier
Die Menüs (ein Teil davon):
Bonusmaterial:
Auch wenn es sich hier nicht um eines der tollen 2er DVD-Sets handelt, so braucht sich diese Einzeldisc, was das Bonusmaterial betrifft, sicher nicht verstecken.
Hier eine Liste des Bonusmaterials:
Audio Commentary by Film Scholar Peter Cowie
• Isolated Music and Effects Track
• Excerpts from Screenwriter Marguerite Duras' Screenplay Annotations (8:21 min)
• Interviews with Director Alain Resnais (5:43 min/ 10:51 min)
• Interviews with Actress Emmanuelle Riva (5:42 min/ 19:19 min)
• 32-Page Insert Booklet Including: "Time Indefinite," an Essay by Film Critic Kent Jones; "Hiroshima Mon Amour: A Round-Table Discussion with Eric Rohmer, Jean-Luc Godard, Jacques Doniol-Valcroze, Jean Domarchi, Pierre Kast, and Jacques Rivette" (Extracted from Cahiers du Cinéma no. 97, July 1959); "About the Composer: Giovanni Fusco," an Essay by Film Music Historian Russell Lack; "Portrait of the Japanese" by Screenwriter Marguerite Duras; "Portrait of the French Woman" by Screenwriter Marguerite Duras
Vor allem der interessante Audiokommentar, die Interviews von damals und heute wiegen zumindest qualitativ so manche Tonne werbelastigen Materials heutiger Produktionen auf. Aber in dieser Hinsicht wird man von Criterion ja meistens verwöhnt.
Fazit: Klasse statt Masse, deshalb noch
Soundtrack:
Der von dem Italiener Giovanni Fusco komponierte Score unterstützt die Stimmung des Films perfekt. Dem Komponisten widmet das Booklet eine Seite. Dort erfährt man auch, dass George Delerue (vielen mit seiner Musik wohl bekannt aus zB. Godard’s „Le mépris“, die auch in Scorsese’s „Casino“ wieder Verwendung fand) auch für den Film mitwirkte, aber nur einen eleganten Waltzer, welcher aus einer Jukebox erklingt, beisteuerte.
Fazit:
Dieser Film gehört meiner Meinung nach zu den echten Meilensteinen der Filmgeschichte. Durch ihn hab ich begonnen mich für die „Nouvelle Vague“ näher zu interessieren, auch wenn ich vorher schon etliche zu dieser Bewegung zählende Filme gesehen habe und auch auf DVD besitze. Die aus dem Französischen ins Englische übersetzten Bücher „French New Wave“ von Jean Douchet und den von Rémi Fournier Lanzoni erhältlichen Gesamtüberblick zum französichen Film „French Cinema – From ist beginnings to the present“ kann ich hierzu wärmstens empfehlen. Natürlich habe ich auch das Drehbuch von Marguerite Duras gelesen (ich besitze es sowohl in dt. Sprache als auch als franz. Ausgabe mit Hilfen von Langenscheidt / ich hab mir oft als Ziel gesetzt meine gegen Null gehenden franz. Kenntnisse aufzubessern – da wollte ich durch den Film den Einstieg finden).
Der Film ist eine Wucht!!!
Equipment:
TV: Philips Pixel Plus 28PW 9527
DVD Player: Pioneer 757 ai
Anlage und Sub: Kenwood