Die große John Woo-Reihe
Bullet in the Head
„Bullet in the Head“ wird von John Woo selbst als sein persönlichster Film bezeichnet, teilt seine Fan-Gemeinde in 2 Lager und sorgt dafür, dass die Jugendschützer empört auf die Barrikaden gehen. Der kleine 1946 geborene Chinese, der 1973 seinen ersten Film drehte („The Young Dragons“), hat die Welt des modernen Actionfilms maßgeblich mitgestaltet. Blockbuster wie „The Matrix“ wurden von seinen Shoot-Outs beeinflusst, aber auch Tarantino zitiert Woo’s Hong Kong-Streifen desöfteren.
Bekannt sind seine asiatischen Actiondramen aber nur eingefleischten Filmfreaks. Der Grundstein zu selbigen wurde in den 80ern gelegt, als John Woo mit seinen Komödien mehrere Flops landete. Ihm schwebte „A better tomorrow“ vor, welcher entgegen der damals im asiatischen Bereich üblichen Martial-Arts-Filme auf Shoot-Outs statt auf Kampfkunst setzte. Die Rechnung ging auf, der Film wurde ein großer Erfolg, Chow Yun-Fat, der bis dahin in einer Seifenoper mitspielte, zum Superstar. Das „Heroic Bloodshed“-Genre war geboren. Filme, die sich um die „verlorenen traditionellen Werte“ wie „Familie, Freundschaft, Toleranz“, so Woo, drehen und dabei auf bisher noch nie dagewesene Action-Choreographien setzen. Helden mit einer Handfeuerwaffe in jeder Hand, das alles in Zeitlupe, scheinbar unendlich große Magazine und dutzende herumfliegende Partikel. Was für den westlichen Zuschauer heute zum Standartprogramm gehört, ist größtenteils auf John Woo zurückzuführen.
Technische Daten
Vertrieb: Laser Paradise
Regionalcode: 2
Laufzeit: 125 Minuten (uncut)
Regie: John Woo
Darsteller: Tony Leung, Jacky Cheung, Waise Lee
Bildformat: 1,66:1 Widescreen
Sprachen: Deutsch DD5.1 & DD2.0
Untertitel: /
Freigabe: Spio/JK
Film:
Nachdem der frisch verheiratete Ben in Hong Kong während einer Prügelei den Anführer einer Gang getötet hat, muss er mit seinen beiden Freunden Frank und Tom nach Vietnam fliehen. Dort wollen die drei Geld machen. Als ihre Schmuggelware bei einer Straßenschlacht in Saigon in einem Feuerball aufgeht, stehen sie mit leeren Händen da. Das veranlasst die Gruppe dazu, zusammen mit dem Auftragskiller Luke den eigentlichen Deal-Partner zu überfallen und dort eine Kiste voller Gold zu stehlen. Auf der anschließenden Flucht gerät die Gruppe auf die Schlachtfelder Vietnams, auf denen sich die Amerikaner gerade erbitterte Gefechte gegen den Vietcong liefern…
Nach unterhaltsamen Actiondramen für das asiatische Massenpublikum wie „The Killer“ und „A better tomorrow“ wurde John Woo 1989 hier erstmals gesellschaftskritisch. Fängt der Streifen anfangs noch recht typisch für den Actionregisseur an, bleiben dem Zuschauer spätestens ab den Szenen in Saigon die Tortillas im Halse stecken. Ohne großartige Umschweife werden Verdächtige hier vom Militär exekutiert. Die eingesetzte Zeitlupe sorgt hier nicht für Coolness, sondern zieht die unangenehme Szene absichtlich in die Länge.
Mit einem Kloß im Hals verfolgt man das weitere Geschehen, was spätestens dann noch mehr auf’s Gemüt schlägt, als die drei Freunde vom Vietcong gefangen genommen werden und zur Exekution Mitgefangener gezwungen werden. Die Situation wirkt fast surreal, wenn mehrere Soldaten lachend dabei zusehen, wie einer der Hauptdarsteller mit Tränen in den Augen zitternd in Zeitlupe die Waffe an den Kopf eines verzweifelt wimmernden Amerikaners richtet und schließlich – gezwungenermaßen – abdrückt. Geradezu abstoßend wirkt die gebotene Szenerie und spätestens hier wundert es auch nicht, wieso die Jugendschützer den Film alles andere als schätzen. Nichts desto trotz sollte man realisieren, dass diese äußerst bedrückenden Szenen nicht munter aus der Luft gegriffen sind, sondern in ähnlicher Weise wirklich im Vietnam-Krieg – und leider wohl nicht nur da – passiert sind. Es lässt sich drüber streiten, ob so was in einen Actionfilm gehört, aber John Woo schaffte es, die Szenen fließend in den Haupt-Handlungsstrang zu integrieren, so dass der Erzählfluss nicht gestört wird.
Die titel-gebende Storyline lasse ich mal, für all diejenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, im Dunkeln. Auch dort geht das Werk über die gewöhnliche Kost hinaus. Statt verlorengegangene Werte zu betonen, wird hier Kritik am Kapitalismus und unserer gesamten Konsumgesellschaft geübt und dabei so in den Film eingebettet, dass man nie den Eindruck hat, dass hier jemand moralisch mit dem Zeigefinger auf den Zuschauer zeigt.
Die Schauspieler machen ihre Sache ebenfalls gut, hervorzuheben ist aber ganz klar Tony Leung, der die Rolle des jungen Ben grandios ausfüllt und mit dem man sich auch am besten identifizieren kann.
Wahrer Star ist aber – wie in den meisten Filmen von John Woo – die Inszenierung. Hier zeigt sich, dass er so unglaublich viel mehr drauf hat, als das was er zur Zeit in Hollywood fabriziert. Die unglaublich brutalen Szenen des Vietnam-Krieges fügt er nahezu perfekt in die gesellschaftskritische Geschichte um die drei Freunde ein. Die Zeitlupe wird in den Actionsequenzen einmal als Optik verbesserndes Stilmittel und in den zahlreichen grausamen Szenen genutzt, um das Gezeigte nochmals zu verdeutlichen. Darüber hinaus werden auch wieder vorangegangene Szenen im gesamten Filmverlauf eingearbeitet, welches vor allem beim Showdown eine grandiose Wirkung auf den Zuschauer hat. Interessant ist auch, dass die gigantischen Explosionen in den Kriegsszenen – welche sich vor Nonstop-80er-Jahre-Action a la „Rambo 2“ & Co wahrlich nicht zu verstecken brauchen – hier nahezu im Hintergrund ablaufen, die im Gegensatz dazu „kleinen“ Szenen mit den Hauptdarstellern liegen beim Zuschauer in der Gewichtung viel weiter vorne. Eine vermeintliche Kleinigkeit die Hollywood beim Kopieren der Woo’schen Action vergessen zu haben scheint, dass Explosionen & Action nicht das Element sein sollten, um welches sich der komplette Film dreht.
Die musikalische Untermalung ist für den westlichen Zuschauer sicherlich gewöhnungsbedürftig. Vor allem am Anfang wirkt vieles wie in einem billigsten C-Movie. Das stimmige Hauptthema wird über den gesamten Film immer wieder aufgegriffen, auch wenn nicht so fantastisch, wie das in „The Killer“ der Fall war.
Nach all dem Lob sollte man schluss-endlich aber nicht vergessen, dass das asiatische Kino trotzdem zunächst äußerst gewöhnungsbedürftig auf den Hollywood-verwöhnten Zuschauer wirkt und da macht „Bullet in the Head“ keine Ausnahme. Zart-besaitete Menschen sollten hier ebenso vorsichtig rangehen, wie Realismusfanatiker, denn Pistolen in Hong Kong müssen meist nicht nachgeladen werden 😉
Schockierend, unglaublich brutal, gesellschaftskritisch, nachdenklich stimmend und um so näher man dem Showdown kommt regelrecht „mind-blowing“. Ein Meisterwerk des asiatischen Films, vielleicht sogar Woo’s Bester.
Bild:
Immer wieder zeigen sich Verunreinigungen, die Farben sind gerade so ok, Details gehen im Bildrauschen unter, vor allem der Hintergrund ist meist nur ein einziger heller Matsch. Der Kotrast ist in Ordnung. Allerhöchstens VHS-Qualität…
Sound:
Wie man eine Tonspur derartig vergewaltigen kann, ist schon beeindruckend. Die deutsche Synchronisation ist überraschend ordentlich gelungen, aber spätestens wenn Prügeleien mit vermeintlichen Schussgeräuschen unterlegt sind wird dies zunichte gemacht. Im weiteren Filmverlauf werden die deutlichen Gespräche viel zu oft von solch künstlich dazu gemischten, völlig unpassenden asynchronen Geräuschen übertönt. So sind insbesondere in den großen Kriegsszenen aus allen Ecken dicke Explosionen und Schussgeräusche zu vernehmen, natürlich auch dann, wenn gerade gar nicht geschossen wird. Beeindruckend ist auch, wenn die Pistole bei Schüssen gar nicht zu hören ist, weil die Ton-Techniker bei Laser Paradise wohl derart mit den dazugemixten Explosionen beschäftigt waren, dass sie andere Szenen komplett vergaßen. Egal ob Shotgun oder Beretta, bei diesem Mix hört sich nahezu jede Waffe gleich an…..im Gegensatz zu den anderen Veröffentlichungen der Firma hat man hier noch nicht mal die Finger von der sonst unberührten Stereo-Spur gelassen. So gibt’s auch dort den ton-technischen Rohrkrepierer der LP-Ton-Abteilung zu bestaunen….grauenhaft, so bleibt mir auch nichts anderes übrig, als hier eine Wertung zu vergeben, die man wohl normal nur einem Stummfilm geben würde…
Ausstattung:
Die obligatorische Trailer-Show, ein billiger Dolby Digital-Test, sowie das alternative Ende zum Film. Knappe..
Fazit:
Der Film ist ohne Frage ein Meisterwerk, dass ich ausnahmslos jedem, der nicht völlig Hollywood-geschädigt ist, ans Herz legen kann. Wer vorhat dieser Empfehlung nachzukommen, greift aber bitte nicht zu dieser Veröffentlichung. Mit dem Auftauchen des billig animierten Laser Paradise-Logos stellt der gut informierte DVD-Sammler sich schon auf das unterste Niveau ein. Der Publisher aus Neu Anspach schafft es aber mit schöner Regelmäßigkeit, selbst diese runtergeschraubten Erwartungen mühelos zu unterbieten, so auch bei dieser Veröffentlichung. So kommt trotz des grandiosen Films nur folgende Wertung zu stande:
Mittlerweile kann der Kunde dank des Internets aber auf mehrere, wesentlich bessere Alternativen zurückgreifen.
- Ist man auf dt. Ton angewiesen, sollte man zur Kinowelt-Scheibe greifen. Diese bietet eine unberührte deutsche Stereo-Tonspur, insgesamt aber auch allenfalls durchschnittliche Qualität. Als Extras bekommt man auch hier nur eine Trailershow.
Abseits der deutsch-sprachigen Veröffentlichungen ist dem Film ein besseres Schicksal wiederfahren. Hier bekommt der Zuschauer den Original-Ton mit engl. Untertiteln.
- Hong Kong Legendes veröffentlichte letztes Jahr eine mit Bonus-Material vollgepackte Platinum Edition, die wohl am ehesten eine Kaufempfehlung verdient. Audio-visuell ist hier auch fast alles in Ordnung. Einzig störender Fakt ist, dass die Musikuntermalung in einigen Szenen weggelassen wurde.
- IVL brachte den Film in einer John Woo-Box zusammen mit „The Killer“ raus. Das Bild der Scheibe soll das der HKL-Variante noch knapp übertreffen, auch die Tonspur ist hier musikalisch vollständig. Nachteil ist allerdings hier, dass man hier ebenfalls neue Geräusche hinzumixte, um eine effektvolle 5.1-Spur präsentieren zu können. Zu sagen ist allerdings, dass die IVL-Ingeneure was von ihrem Handwerk verstanden und die Veränderungen hier zum Filmgeschehen passen.
- Megastar bzw. Deltamac (Neuauflage, allerdings unverändert) brachten ebenfalls eine technisch ordentliche Scheibe des Films auf den Markt, welche bild-technisch nicht viel schlechter als die HKL-DVD ausfällt. Ton ist hier allerdings nur in Stereo vorhanden.
Equipment:
PC-System mit 21er Monitor und Teufel Concept E Magnum
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