Spoilertechnisch ist heute etwas mehr angesagt als sonst. Aber bei dem Film irgendwie geheimniskrämerisch zu tun und einen handlungstechnischen Knalleffekt zu erwarten ist auch ein wenig übertrieben.
Das Mädchen mit dem Perlenohrring
Heute habe ich mir den Film: "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" im Kino angeschaut. Ein Film wie ein Gemälde über ein Gemälde. Im Prinzip besteht ja zwischen einem Bild und einem Kinofilm eine große Vielzahl an Gemeinsamkeiten: Beide benötigen eine Leinwand, talentierte Schöpfer, geeignetes Werkzeug und Motive um eine Geschichte erzählen zu können. Doch im Gegensatz zu manchem Bild sitzt man nicht vor dem Film "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" und fragt sich, was will uns der Erschaffer eigentlich erzählen? Nein, vielmehr versucht uns der Film nahe zu bringen, wer das Mädchen war, wie es lebte, warum gerade es auf diesem Bild zu sehen ist und welche Umstände dazu führten, dass es portraitiert wurde, quasi ein Making of 😉. So sind wir dabei, wie die junge Griet als Hausmädchen bei dem Künstler Vermeer eine Anstellung aufnimmt.
Wir erleben, wie sich ihr arbeitsamer Alltag gestaltet und wie sie versucht sich in die Familie einzufügen und ihren Pflichten nachzukommen. Der Haushalt selber steckt immer in Finanznöten und Vermeer flüchtet sich vor seiner einnehmenden Frau, den 5 (später 6) Kindern und der über alles wachenden Schwiegermutter in sein Atelier, wo er Bilder von faszinierender Schönheit erschafft. Diese kauft zumeist sein Gönner Ruijven, der damit die Familie über Wasser hält.
Griet erhält nun den Auftrag, das Atelier von Vermeer sauber zu halten, ohne dabei Gegenstände zu verrücken, die zu dem jeweiligen Bild gehören. Sie ist damit die einzige, die neben den Porträtierten und Vermeer in das Atelier darf. Dabei erkennt Vermeer recht schnell das künstlerische Gespür von Griet und ihre Begabung und Begeisterung im Umgang mit Farben. Also mischt sie bald seine Farben, dient als Inspiration und darf sogar Motive nach ihrem Gutdünken verändern. Damit einhergehend ist sie nun häufig in Vermeers Nähe, es kommt zu ersten flüchtigen Berührungen und die Faszination, die Vermeer auf Griet ausübt, liegt geradezu greifbar in der Luft. Der eifersüchtig über allem wachenden Ehefrau Vermeers entgeht das ebenso wenig wie der damals sehr auf Standesdünkel achtenden Gesellschaft – immerhin befinden wir uns im Holland des Jahres 1665.
So ersinnt Ruijven einen geradezu brillanten Plan, diese Angelegenheit zu beenden. Er will ein Bild zu seiner privaten Befriedigung von Griet, welches Vermeer heimlich zeichnen muss, da er einen Eifersuchtsanfall seiner Frau befürchtet. Das Ergebnis ist „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ - welches verheerende Folgen für die aufkeimende Liebe zwischen Griet und Vermeer haben soll - und Griet zu folgendem Ausspruch verleitet:
„Ihr habt in mein Innerstes gesehen“
Leider schafft der Film genau das nicht bei dem Zuschauer. Die Liebesbeziehung zwischen Griet und Vermeer basiert nur auf flüchtigen Berührungen, Blicken, Gesten. Keiner spricht aus, was er denkt. Die grandiose Scarlett Johansson beherrscht dieses Spiel perfekt (was sie ja schon in Lost in Translation bewiesen hat). Bei ihr sitzt jeder Blick, funktioniert jede erschrocken beendete flüchtige Berührung und verheißt jeder Blick vollstes Verlangen. Damit drückt sie Colin Firth gnadenlos an die Wand. Der verwechselt leider heimliche Gefühle und nicht ausgesprochene Tatsachen mit sauertöpfisch aus der Wäsche gucken und hangelt sich mit ein und demselben Gesichtsausdruck von Szene zu Szene. Die Folge ist, dass die Liebesgeschichte nicht richtig greifen will und einen seltsam kalt lässt. Nur die wunderschöne Schlußszene geht zu Herzen und berührt. Schade, hier wurde viel Potential verschenkt.
Der restliche Cast ist leider auch nicht so ganz nach meinem Geschmack gewesen. Vermeers Frau und Schwiegermutter fand ich ungemein anstrengend, teils sogar nervend. Die Tochter Cornelia erinnerte in ihren Bemühungen Griet eines auszuwischen eher an Damien aus Das Omen, denn an ein halbwegs normales Kind. Cillian Murphy bleibt als Love Interest von Griet relativ blass, hat aber auch nicht genug Screen Time, um seine Figur weiter zu entwickeln. Am besten gefiel mir Tom Wilkinson als Patron von Vermeer. Wilkinson stehen derartige Rollen irgendwie immer sehr gut und er gibt den eiskalt taktierenden Ruijvens mit spielerischer Leichtigkeit. Toll.
Absolut brillieren kann das Mädchen mit dem Perlenohrring auf der optischen und akustischen Ebene. Alexandre Despat hat einen sehr passenden Soundtrack eingespielt, der teils recht schwermütig, aber immer passend die traumhaften Bilder untermalt und damit kommen wir zu Kameramann Eduardo Serra und den Mann mit der Vision: Regisseur Peter Webber. Gemeinsam erschaffen sie Bilder von geradezu erlesener Schönheit, die in ihrer Farbgebung sehr an Vermeers Wirken erinnern und von kräftigen Farben (hierbei dominieren goldbraune Farbtöne in den Räumlichkeiten und blaustichige Bilder in der freien Natur) geprägt sind. So wirkt beinahe jedes Bild des Filmes, auch dank der hervorragenden Ausstattung, wie ein von Vermeer gemaltes Kunstwerk. Einfach grandios.
Was bleibt ist ein optisch opulenter Film, der eine fiktive Entstehungsgeschichte eines weltberühmten Bildes erzählt und von einer grandiosen Scarlett Johansson getragen wird. Für den Otto-Normalseher dürfte der Film aber aufgrund der genannten Schwächen ein wenig zu sperrig zu wirken, allen anderen sei der Film hiermit ans Herz gelegt.
, 5
Die offizielle Seite findet ihr unter:
http://www.girlwithapearlearringmovie.com/
In diesem Sinne:
freeman