StS Entstehungsdaten: Frankreich-Belgien-Luxemburg-Deutschland 2009 Regie: Sam Garbarski Darsteller: Pascal Greggory Léo Legrand Alexandra Maria Lara Laura Martin Laura Moisson Trailer Am diesjährigen Pfingst-Wochenende habe ich mit einer guten Freundin mal wieder eines dieser kleinen Programmkinos besucht, in welchem wir uns schließlich (mehr oder minder spontan) das belgisch-französisch-luxemburgisch-deutsche Drama „Vertraute Fremde“ („Quartier Lointain“) angesehen haben – eine von Sam Garbarski („Irina Palm“) inszenierte Adaption der gleichnamigen japanischen „Graphic Novel“ Jiru Taniguchis („Harukana Machi-E“), welche vielerorts anscheinend über ein recht hohes Ansehen verfügt sowie im Rahmen der vorliegenden Verfilmung auf inhaltlicher Ebene von Asien nach Europa übertragen wurde... Thomas (Pascal Greggory) ist ein alternder Comic-Autor, der beruflich momentan in einer gewissen Schaffenskrise steckt, inzwischen nicht nur gesellschaftlich, sondern auch daheim (im Kreise der Familie) ein eher „entfremdetes“ Dasein fristet und auf dem Rückweg von einer Messe in Paris nun eines Tages in den falschen Zug (nach Hause) steigt – ein Versehen, welches ihn per Zufall in genau das kleine Bergdorf führt, in dem er seine Kindheit verbrachte. Da die nächste Bahn zurück erst in einigen Stunden fährt, entschließt er sich kurzerhand, bis dato (u.a.) das Grab seiner Mutter aufzusuchen – wo er dann aber mitten auf dem Friedhof zusammenbricht sowie wenig später auf einmal (zu seinem großen Erstaunen) als 14-Jähriger aus eben jener erlittenen Ohnmacht erwacht… Im Körper seines „damaligen jugendlichen Ichs“ (Léo Legrand), jedoch mit dem vollen Bewusstsein seines „seither“ durchlaufenen Lebens, findet er sich überdies in genau der Zeit des Jahres 1966 wieder, in welcher sein Vater (Jonathan Zaccai) eines Abends spurlos verschwand sowie ihn, seine Schwester (Laura Moissonund) und Mutter (Alexandra Maria Lara) im Zuge dessen allein zurückließ – etwas, das insbesondere letztere, die nicht lange danach zudem relativ früh verstarb, nie zu verkraften vermochte. Anfangs wähnt er sich noch in einem Traum – bloß entfaltet sich die Situation im Folgenden (ohne einem absehbaren Ende bzw. Erwachen) immer weiter in dieser Art und Weise, weshalb er fortan alles daran setzt, ein sich Wiederholen der „Vergangenheit“ (in jener Leid auslösenden Form) zu verhindern… „Vertraute Fremde“ ist ein durchaus unterhaltsames Werk, das man sich getrost mal ansehen kann, welches insgesamt aber hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Erfreulicherweise haben Garbarski und sein Co-Autor Philippe Blasband dabei auf „zu aufdringlich arrangierte“ emotionale Szenen verzichtet – und auch die psychologische Komponente, einzelne Gegebenheiten und Hintergründe (nicht nur innerhalb der eigenen Familie) mit über Dekaden hinweg gesammelten Kenntnissen und Erfahrungen analysieren und eventuell gar verändern zu können, wurde alles in allem ersprießlich angegangen. Obwohl verschiedene Momente (speziell einige im Beisein der Mutter und Schwester von Thomas) durchaus herzlicher Natur sind, lässt einen vieles im Ganzen aber dennoch irgendwie seltsam kalt. Sein Vater ist (beispielsweise) vom Wesen her ein durchweg reservierter Mann – was am Ende zwar zur Nachvollziehbarkeit seiner getroffenen Entscheidung beiträgt, bloß mangelt es nicht allein diesem Bereich der Geschichte an einer im Vorfeld aufgebauten (hier etwa seinen folgenschweren Schritt mit genügend „Gewicht“ versehenden) „innigeren Verbindung“ zum Zuschauer… Würde ich persönlich die Gelegenheit zugestanden erhalten, erneut einen Abschnitt meiner Jugend durchleben zu können, würde ich mich zum Teil gewiss merklich anders verhalten als Thomas – was aber wohl mit daran liegt, dass jener erheblich älter ist als ich es jetzt bin, er unter deutlich abweichenden Umständen aufgewachsen ist und allgemein manch eine anders geartete Ansicht vertritt. Die sich ihm plötzlich offenbarende Chance auf eine Romanze mit dem (hübschen, anziehenden, hinreißenden) Mädel, welches er in der Schule eigentlich nie anzusprechen wagte, ergreift er etwa nur auf einer rein platonischen Ebene, u.a. weil es „halt damals so nicht geschah“ – und bis auf einen einzelnen Satz hinsichtlich der ersten Mondlandung kommuniziert er sein „vorausreichendes Wissen“ im Prinzip ebenfalls nie wirklich. Das Skript verwehrt es ihm sozusagen, wieder „richtig“ ein Teen sein zu dürfen, da es ihn stets nur aus der Perspektive seines „erwachsenen Ichs“ heraus agieren lässt – und obgleich die betreffende Intention dahinter durchaus nachvollziehbar ist, verleiht diese Herangehensweise einigen Situationen (zumindest meiner Meinung nach) eine etwas zu ausgeprägte Ernsthaftigkeit… Was ich bei dem Film im Grunde genommen jedoch mit am meisten vermisst habe, war eine Art aus dem Gesamtbild heraus erzeugter „Zauber“ (jener Tage, jenes Ortes, gerade in Anbetracht der ungewöhnlichen Umstände) – denn eigentlich bieten Plot und Setting diverse in genau diese Richtung tendierende Augenblicke, Kulissen und Emotionen, die an sich zwar weitestgehend erkannt und demgemäß in Szene gesetzt wurden, ihre optimale Wirkung (in dieser speziellen Beziehung) aber trotzdem leider nur selten voll entfalten können: Schade. Die gewählten (französischen und luxemburgischen) Locations sind indes wahrhaft schön anzusehen, die darstellerischen Leistungen schwanken durch die Bank weg zwischen „gut“ und „solide“, wären auf einer (die Qualität ihrer Performances charakterisierenden) Skala also allesamt in der oberen Hälfte zu verorten – und auch die zur Schau gestellte Regie- und Kameraarbeit ruft jeweils keinen nennenswerten Anlass zur Klage hervor… Dass Handlungen wie diese in bestimmten Belangen Fragen aufwerfen, zum Beispiel „Warum geschah dies/das überhaupt so?“, ist im Prinzip ebenso klar wie letztlich von der individuellen Auffassung des Zuschauers abhängig: Zum Glück „mogelt“ man sich hier am Ende nicht irgendwie verärgernd oder allzu unglaubwürdig aus der ganzen Sache heraus – doch empfand ich ausgerechnet die „Moral von der Geschicht(e)“, also die substanziellen Schlüsse, welche Thomas für sich selbst aus den im Rahmen seiner „Reise“ gesammelten Beobachtungen und Erkenntnissen zieht, abschließend durchaus als „leicht irritierend bzw. gar angrenzend fragwürdig“: Ausgerechnet in seinen (wichtigen) finalen Minuten, als es um die konkreten Auswirkungen der erlebten Empfindungen und erlangten Einsichten auf die Gegenwart geht, gerät die Story unversehens ins Straucheln – und mit eben diesem Eindruck wird man dann (unmittelbar darauf) in den Abspann entlassen, was so natürlich relativ ungünstig ist… Fazit: „Vertraute Fremde“, dessen Titel sich im Übrigen nicht auf eine Frau bezieht, ist ein nostalgisches sowie für ein entsprechend geneigtes Publikum mit Sicherheit nicht uninteressantes Werk, welches dem unverkennbaren Potential seiner Ausgangslage unterm Strich allerdings nicht umfassend gerecht wird – was in erster Linie an seiner manchmal ein wenig schleppend anmutenden Dramaturgie, einer zu vordergründigen Ernsthaftigkeit sowie an dem etwas unbefriedigenden Ausklang des Gebotenen liegt. Überdies ist es Regisseur Garbarski, trotz ansprechender Bilder und angepasster Musik der französischen Band „Air“, in keinem genügenden Maße gelungen, eine (wenn nötig) hinreichend „lockere“ Atmosphäre zu generieren, die für eine rundum stimmige Umsetzung der Materie eigentlich notwendig gewesen wäre. Angeblich war es wohl auch so, dass das Drehbuch mehr als 50x umgeschrieben wurde, bis es die Verantwortlichen schließlich vollends zufrieden stellte: Insgesamt gehe ich einfach mal davon aus, dass im Zuge dessen so einiges gegenüber der (nicht nur in einem komplett anderen kultur-historischen Kontext angesiedelten) Vorlage auf der Strecke geblieben bzw. verloren gegangen ist...
StS dÆmonicus schrieb Auch schön mal was völlig anderes von dir zu lesen. Hab ich mir auch so gedacht - weshalb ich meinen eigentlich für den "zuletzt gesehen"-Thread gedachten Text kurzerhand etwas "ausgebaut" habe... 😉