District 9
Der von Peter Jackson produzierte Science Fiction Actioner entpuppt sich als eine der filmischen Wundertüten des laufenden Kinojahres!
Originaltitel: District 9
Herstellungsland: Neuseeland / USA
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Neill Blomkamp
Darsteller: Jason Cope, Sharlto Copley, Nathalie Boltt, Sylvaine Strike, Elizabeth Mkandawie, John Summer, William Allen Young, Greg Melvill-Smith, Nick Blake, Morena Busa Sesatsa u.a.
Vor 20 Jahren kamen sie zu uns. In einem Raumschiff, das regungslos über Johannesburg verharrte und die Menschen fast magisch anzog. Man drang in das Raumschiff ein und fand eine ganze Schar halb verhungerter Aliens, die man aus lauter Mitleid retten wollte. Man brachte sie von dem Raumschiff auf die Erde und half ihnen durch die erste große Leidensphase. Doch als dies überstanden war, verschwanden die Aliens nicht. Irgendwas fehlte ihnen. Und so blieben sie auf der Erde und wurden in ein Flüchtlingslager abgeschoben. Hier leben sie unter unwürdigen Bedingungen und die Kriminalitätsrate unter den abfällig Shrimps genannten Aliens steigt und steigt. Da man des Problems nicht Herr wird, beschließt man, die Aliens einfach 200 Kilometer von Johannesburg entfernt neu anzusiedeln. Nach der Devise: Aus den Augen, aus dem Sinn. Bei der Räumung des Flüchtlingslagers geht allerdings etwas schief und der Leiter der Aktion, Wikus Van De Merwe, wird mit einer seltsamen Flüssigkeit bespritzt. Kurz darauf beginnt er zu mutieren und sich zu einem Shrimp zu verwandeln. Fortan von der eigenen Regierung gejagt, muss es sein Ziel sein, mit den Außerirdischen zusammenzuarbeiten, denn vielleicht können diese ihn ja heilen. Leider stellt sich das alles als leichter gesagt als getan heraus...
District 9 beginnt wie eine Mockumentary im [REC] oder Cloverfield Stil. Sprich, es wird der Eindruck einer Art Dokumentation wahrer Ereignisse heraufbeschworen. Hier über Interviews mit angeblich Betroffenen und direkt zur Kamera sprechenden Figuren, Aliens usw. Es wird der Eindruck erzeugt, eine Art Nachrichtensendung zum Thema zu verfolgen. Diesen Einstieg nutzt Regisseur Neill Blomkamp auf großartige Weise, um am Beispiel der Aliens aufzuzeigen, wie entmenschlichend es teilweise in den Flüchtlingslagern dieser Welt und in diversen Armenvierteln zugeht. Grundstein fürs Gelingen dieses Ansatzes sind die herrlich menschlich agierenden Aliens, die den weltweit entmenschlichten Flüchtlingen und Ärmsten der Armen ein „erträglicheres“ Antlitz verleihen und unserem Verhalten entgegenkommen, über Klischeebilder alle diese Menschen über einen Kamm zu scheren. Hier transportiert District 9 einen herrlich bitteren Humor, OHNE in moralisierende Phrasen zu verfallen oder mit dem Zeigefinger zu wedeln. Obendrein entwickelt Regisseur Blomkamp bereits in diesem Mockumentary Abschnitt ganz allmählich seine Geschichte, die sich auch von nun an eher bedächtig vor unseren Augen entwickelt und dank teils herrlich antiklimaktischer Wendungen die Spannung oben hält und relativ unvorhersehbar bleibt.
Nach etwa einer Stunde ändert sich dann der filmische Ansatz hinter District 9. Aus dem Nachrichtenstar Wikus Van De Merwe ist ein Opfer geworden, das aufgrund seiner Mutation zu einem Shrimp aus dem System heraus fällt. Ihn begleiten keine Kameras von Fernsehteams mehr. Darum ändert sich jetzt eben auch der erzählerische und formale Ansatz von District 9. Er wird im eigentlichen Sinne filmischer, schüttelt den Nachrichtencharakter ab, bietet keine direkten Ansprachen und Interviews an/ins Publikum mehr und folgt zunehmend einer klareren dramaturgischen Struktur, OHNE seinen erzählerischen Verve einzubüßen oder an Spannung zu verlieren. Viel eher wird er immer stringenter und packender und sollte vor allem Actionfans ein strahlendes Lächeln ins Gesicht zaubern. Denn vor allem mit Aufkommen und Einläuten des Showdowns geht District 9 richtig steil und rockt den Alien!
Aber so richtig! Fortan ist man dabei, wie die Macher hinter District 9 immer neue, fantasievolle Wege finden, um Menschen zu zersplattern. Dementsprechend zerplatzen diese, verlieren Gliedmaßen, bekommen die Köpfe abgerissen und werden von Kugeln zerfetzt oder mit Kühlschränken, Autos und sogar Schweinen (ja Schweinen!) erschlagen. Dazu gibt es eine dicke Materialschlacht sondergleichen, hervorragende fotorealistische Spezialeffekte und Tempo, Tempo, Tempo. Vor allem dank des grandiosen Mechakampfes gegen Ende bekommt man endlich auch einmal einen Eindruck davon, wie Transformers im nicht so familienfreundlichen Gewand aussehen würde. Nur geil!
Optisch wird man dabei im zweiten Filmteil etwas ruhiger als im Mockumentaryteil, wo die Kamera teils gar heftig wackelte und taumelte. Das macht sie nun zwar immer noch – wohl auch, um die beiden Filmhälften dann doch nicht zu deutlich voneinander zu trennen – aber nicht mehr so heftig und vor allem niemals so extrem, dass die Übersicht leidet. Zudem kommen nun deutlich filminspiriertere, teils grandios geniale Kameraperspektiven und -fahrten ins Spiel, die ordentlich Adrenalin in die Actionsuppe pumpen. Darunter hören wir einen tollen, mal treibenden, mal hochmelodramatischen Score, der die Stimmung des Filmes vortrefflich trifft. Denn obwohl District 9 einen herrlichen Humor an Bord hat und bei der Action genialst rockt, ist der eigentliche Grundtenor hinter dem Film eher ein sehr düsterer Dark Future Ansatz, der sich vor allem im von einigen sicher als zu unspezifisch empfundenen, sehr offenen Ende offenbart.
Und erstaunlicherweise gehen der Mockumentary Ansatz und der filmische Teil von District 9 absolut reibungslos, ja fast schon unbemerkt ineinander über. Erst wenn am Ende auf einmal wieder Interviews auftauchen, weiß man wieder, wie der Einstieg des Filmes aussah. Und wie bereits erwähnt, geht auch die Geschichte im actionreichen zweiten Teil niemals vor die Hunde. Sie ergibt sich jetzt zwar mehr aus dem Aktion Reaktion Prinzip heraus, bewahrt sich aber ihren Humor, amüsiert mit einem coolen Buddygespann, fesselt durchweg und ist wirklich bis zur letzten Minute spannend, auch und vor allem weil auf viele Klischees dankenswerterweise verzichtet wird.
Darstellerisch bleiben vor allem die genial getricksten Shrimps in Erinnerung und natürlich Sharlto Copley als Wikus Van De Merwe, der hier vom Bürohengst über den feldeinsatzleitenden Schwachkopf und feigen Mutanten hin zum Helden wächst, der sich selbst aber nach wie vor am nächsten ist und im eigentlichen Sinne nur wenig heldenhaftes an sich hat.
Was bleibt ist ein Instant Klassiker. Klar, es gibt Momente, da fragt man sich schon, warum die Aliens sich so behandeln lassen, was auch nur relativ lapidar beantwortet wird, und hier und da entstehen noch weitere, recht heftige Logiklöcher, aber im Großen und Ganzen ist dieser irrwitzige Streifen ein absolut bekömmlich dargereichtes Potpourri, das aus zwei, nur auf dem Papier heftig auseinanderklaffenden Filmhälften besteht, die aber absolut schlüssig ineinander übergehen. Dank formidabler Effekte, interessanter erzählerischer Stilmittel, starker Darsteller, fesselnd entwickelter und klug geschriebener Story und Spitzenaction weiß der wilde District 9 durchweg zu begeistern.
In diesem Sinne:
freeman