Drag me to Hell
Kultregisseur Sam Raimi kehrt zurück zu seinen Horrorwurzeln und liefert einen gar garstigen Horrortrip um eine junge Dame, die von einer Zigeunerin verflucht wird und fortan dem Tod ins Auge blickt.
Originaltitel: Drag Me to Hell
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Sam Raimi
Darsteller: Justin Long, Alison Lohman, David Paymer, Fernanda Romero, Chelcie Ross, Reggie Lee, Adriana Barraza, Octavia Spencer, Lorna Raver, Bojana Novakovic u.a.
Von der Tanz der Teufel Trilogie hin zur Spidermantrilogie war es ein weiter Weg für Sam Raimi, der auch mit einer gewissen Vereinnahmung durch das Studiosystem verbunden war. Schon seine schwarze Moritat Ein einfacher Plan war nur noch storytechnisch ein echter Raimi, die Folgestreifen Aus Liebe zum Spiel und The Gift dagegen ließen dann kaum noch Insignien des Indiestars erkennen. Erst der erste Spiderman brachte wieder ein wenig des optischen Verves (nicht des erzählerischen…!) zurück, wohingegen die beiden Fortsetzungen – vor allem die wie eine gedehnte GZSZ Folge wirkende III – Raimis Fertigkeiten unter Kitsch und Bombast Galore verschütteten. So nimmt es nicht viel Wunder, dass Raimi im Vor- und Umfeld seiner neuen Produktion Drag me to Hell immer wieder betonte, wie gut ihm dieser Guerilladreh außerhalb der Medienaufmerksamkeit tat, denn immerhin drehte er mit eher unbekannten Darstellern einen eher kleinen Film. Und schaut man sich Drag me to Hell an, hat man das Gefühl, man sehe einen filmischen Befreiungsschlag, eine Rückbesinnung auf alte Tugenden und die Rückkehr zu den ehedem trashigen Wurzeln des Regieschaffens von Sam Raimi ...
Dabei geht es um die Bankangestellte Christine, die, eine Beförderung vor Augen, von ihrem Chef die Empfehlung erhält, auch einmal harte und unliebsame Entscheidungen zu treffen, die die Kreditanfrager hart treffen würden. Christines erstes Opfer ist eine alte, sehr sonderliche Dame, die ohne einen Kredit von der Bank ihre Wohnung räumen müsste. Als Christine ihr mitteilt, die Bank könne ihr nicht helfen, sinkt die alte Frau vor Christine auf die Knie und bettelt förmlich um Hilfe. Doch Christine verweigert ihr diese, woraufhin die sich Frau – beschlagen in den schwarzen Künsten – mit einem garstigen Fluch rächt. Fortan gerät Christines Leben mehr und mehr aus den Fugen und als auch noch die alte Frau tot aufgefunden wird, scheint es für die immer brutaleren Auswirkungen des Fluches keine Abhilfe mehr zu geben ...
Für seine Back to the Roots Operation wählte Sam Raimi nicht unbedingt eine taufrische Geschichte aus. Vielmehr erinnert sie stark an den auf einer Stephen King Geschichte basierenden Streifen Thinner, mit dem Drag me to Hell vor allem den sehr garstigen Handlungsverlauf und das letztlich sehr „Unhappy Ending“ gemein hat. Dabei schert sich Sam Raimi weder um eine großartige Figurenzeichnung noch um storytechnische Plausibilität. Raimi ging es offensichtlich darum, wieder einmal eine Duftnote im Horrorgenre zu hinterlassen und das gelingt gar eindrücklich. Denn Raimi spielt absolut souverän mit den Regeln des Genres, ohne sie zu brechen oder sich über sie lustig zu machen.
Und dennoch gibt es verdammt viel zu lachen, denn Raimi pumpt in diesen Film einen Overload seines berühmt berüchtigten schwarzen Humors. Dieser verzerrt Drag me to Hell teils in eine absurd komische Horrorgroteske, die vor visuellem Einfallsreichtum und optischen Gags förmlich überfließt. Beispielsweise wird Christine in einer Szene von der garstigen Alten in ihrem Auto angegriffen. Christine tackert der Zigeuneroma ein Auge zu, rammt ihr ein Lineal in den Rachen und lässt die Alte zähneverlierende Bekanntschaft mit dem Armaturenbrett machen, als sie den Wagen gegen einen Pfeiler setzt. Zugegeben, nichts Witziges per se, aber in winzig kleinen Detailszenen fliegt auf einmal der Tacker aus dem plötzlich weit aufgerissenen Auge der Alten auf Christine zu, wird das Lineal zum aus dem Mund abgefeuerten Fluggeschoss und mutiert der zahnlose Mund der Zigeunerin zum Abflusspümpel, der Christines Gesicht fast vollkommen zu bedecken scheint und sie beim Atmen behindert. Und so druckvoll und brachial der Angriff der Alten auch anmuten mag / umgesetzt wurde, er ist einfach zum Brüllen komisch. Und so sollte man beileibe auch keine pure Horrorshow erwarten, deren Hauptantrieb es ist, den Zuschauer zu erschrecken. Spaß soll der Zuschauer haben ... und den hat er auch.
Dabei macht Sam Raimi vor allem endlich einmal Schluss mit den laschen Horrorschocks jüngerer Genreproduktionen, bei denen der Schrecken immer nur von der Tonspur kam und visuelle Entsprechungen auf der Leinwand schmerzlich vermisst wurden. Wenn Drag me to Hell seine wahrlich ohrenbetäubenden Attacken von der Tonspur abfeuert (in meiner Vorstellung hielt sich beispielsweise die Hälfte des Publikums bei der Seance die Ohren zu!!!), geschieht auch IMMER etwas Entsprechendes auf der Leinwand. Hier hängen die neumodischen Tonspurschocks also nicht in der Luft und lassen den Zuschauer am langen Arm verhungern. Und das, was es hier aufs Auge gibt, ist vom Feinsten. Druckvoll, immer überraschend, häufig gar formidabel erschreckend, top getrickst, immer innovativ, was die Ideen dahinter angeht, und in einer Dichte und Wiederholungsfrequenz, die Staunen macht. Zumal man als Zuschauer der Schocks auch nie müde wird. Und so wird Drag me to Hell zur filmischen Entsprechung einer adrenalingeladenen Achterbahnfahrt … freilich einer, bei der sich – wie beschrieben – Lachen und Schocks immer die Wage halten.
Darstellerisch bewegt sich Drag me to Hell auf einem absolut soliden Level. Vor allem Alison Lohman macht als Christine einen sehr guten Job und zieht trotz schwach gezeichneten Charakters ihrer Figur den Zuschauer mühelos auf ihre Seite und man bangt nur zu gerne um ihr Wohlergehen. Problematisch sind eigentlich nur ihre Szenen mit ihrem Filmgeliebten Justin Long (Stirb Langsam 4.0). Sowohl Lohman als auch Long wirken insgesamt für ihre Rollen deutlich zu jung und insbesondere in ihrer Interaktion erinnern sie eher an ein unbedarftes Teenagerpärchen. Dabei spürt man, dass vor allem Long nur wegen seiner komischen Qualitäten gecastet wurde, ansonsten aber auch gar nichts zu melden hat. Außerdem stimmt die Chemie zwischen den beiden Darstellern nicht wirklich. Sehr abgefahren und überzogen (was zu diesen Film aber passt wie Arsch auf Eimer) agiert Lorna Raver als die garstige Fluchzigeunerin, die mit viel Mut zur Hässlichkeit teils schwer peinliche Aktionen zu bewältigen hat und wirklich eine hassenswerte Unperson abgibt. Der Rest des Castes bewegt sich auf absolut solidem, wenn auch unauffälligem Niveau und überlässt dem Dreigestirn Lohman, Strong und Raver das Feld.
Auf hohem Niveau weiß vor allem der Regisseur zu überzeugen, der die nicht gerade neue Story mit viel Verve und irren Humor beständig antreibt und für keine Sekunde so etwas wie Verschnaufpausen oder Längen vorgesehen zu haben scheint. Beständig zieht er die Schlinge enger um Christines Hals und genauso wie das Leben von Christine immer mehr aus den Fugen zu geraten scheint, scheint auch Raimis Inszenierungsstil immer mehr aus der Bahn zu geraten. Die Perspektiven und Einstellungen werden mit zunehmender Laufzeit immer eigenwilliger und schräger, die Kamerafahrten abgedrehter, die Musik dreht frei, die Tonspur entfesselt brachialsten Lärm und die Ideen geraten immer verrückter. Man meint fast, man schaue einer Art Reallifecomic zu, der live vor unseren Augen entsteht und mehr als nur einmal an die Tanz der Teufel Anfänge des Regisseurs erinnert. Problematisch sind in diesem Zusammenhang eigentlich nur ein paar zu lapidare Drehbucheinlagen. In Zeiten der Wirtschaftskrise mag es zwar witzig anmuten, einen Bankangestellten aufs Ärgste zu quälen, aber wirklich nachvollziehbar ist die Art der hier präsentierten Rache an einem Vollzugsgehilfen nicht wirklich. Und wenn kurz vor Schluss eine arg lapidare Möglichkeit eingeführt wird, den Fluch loszuwerden, fühlt man sich als Zuschauer schon ein wenig verarscht. Zwar rettet Raimi mittels schwarzhumoriger Moralfragestellungen diesen letzten Ausrutscher über die Runden, wirklich wettmachen kann er ihn letztlich aber nicht. Doch glücklicherweise stehen solchen kleinen Problemen immer wieder grandiose Szenen gegenüber, in denen beispielsweise ein Vegetarier gezwungen ist, ein Tieropfer zu bringen … und dank solcher Einlagen verzeiht man Drag me to Hell letztlich auch kleinere Unzulänglichkeiten nur zu gern.
Das Ergebnis ist eine wunderbare Horrorspaßbombe mit wirklich effektiven Schockmomenten, die nicht nur dank orkanartiger Tonspur durch Mark und Bein fahren. Mittels mörderischem Tempo und einer auf Funktionalität ausgerichteten Story und Charakterzeichnung entfesselt Sam Raimi bei seinem Horrorfilmcomeback einen grotesken, schwarzhumorigen und wirklich schockreichen Comicstrip, der bei aller Überdrehtheit sein Sujet ernst nimmt und auf entsprechenden Nachschlag vom Meister der tanzenden Teufel hoffen lässt!
In diesem Sinne:
freeman