Princess
Universum / Ufa veröffentlicht mit dem Animationsfilm Princess eine sehr provokative Herangehensweise an das Thema Porno und seine Folgen. Das Ergebnis ist eine düstere, nihilistische und garantiert nicht kindertaugliche Pervertierung des Begriffes Pornomärchen.
Originaltitel: Princess
Herstellungsland: Deutschland / Dänemark
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Anders Morgenthaler
Darsteller: Thure Lindhardt, Stine Fischer Christensen, Mira Hilli Møller Hallund, Tommy Kenter, Margrethe Koytu, Søren Lenander, Christian Tafdrup, Peter van Hoof u.a.
Freigabe: FSK 16
Laufzeit: 78 Minuten
Bild: 2,35:1 (anamorph)
Ton: Deutsch, Dänisch jeweils Dolby Digital 5.1
Extras: Kinotrailer, Trailershow
Verpackung: Amaray
Der Film
Christina ist tot. Sie hinterlässt Mia, ihre fünfjährige Tochter, und Tonnen von pornographischem Material. Denn Christina war ein Pornostar. Ihre Reihe "Princess" war ein Megabestseller und der Startschuss für ein großes Pornoimperium unter Führung ihres Lebensgefährten Charlie. Doch Christina kam mit ihrem Ruhm nicht zurecht, rutschte ins Drogenmilieu ab und verstarb viel zu früh.
Ihr Bruder, der 32 jährige August, kehrt wegen diesen schlechten Nachrichten von einer jahrelangen Missionarsreise zurück und ist entsetzt über die Lebensumstände der kleinen Mia. Vorerst bei einer Puffmutter untergekommen, ist Mia geistig deutlich älter, als es ihr Äußeres anzudeuten vermag und aufgrund der sie tagtäglich umgebenden Übersexualisierung ist die Kleine vollkommen abgestumpft. August nimmt sich der Kleinen an und will sie wieder in die richtige Richtung stoßen.
Doch dann muss August erfahren, dass die kleine Mia bereits das Opfer von Missbrauchsübergriffen geworden ist. Bei dem sonst so besonnenen jungen Mann brennen alle Sicherungen durch und er begibt sich auf einen Rachfeldzug sondergleichen. Sein Ziel: Das zur Rechenschaft ziehen aller Personen, die an Christinas rasantem Ableben Schuld tragen und Mia missbrauchten. Obendrein möchte er alle Pornomaterialien mit Christina zerstört wissen, einfach um Mia einen unvorbelasteten Einstieg in den Rest ihres Lebens zu ermöglichen, erstrahlt das Konterfei ihrer Mutter doch aus jedem Zeitschriftenregal, da man mit ihrem Tod noch schnell das große Geld machen will …
Es folgt ein rabiat brutaler Rachefeldzug, der von einer beklemmenden Szene zur nächsten laviert und den Zuschauer immer wieder mit kleinen Enthüllungen vor den Kopf stößt. Vor allem das Schicksal der kleinen Mia und ihre Art auf ihre Umwelt zu reagieren, schnürt dem Betrachter mehrfach den Hals zu und lässt ein eigenartiges Gefühl zurück. Gerade so, als würde die Kombination Porno, Kleinkind, Missbrauch nicht bereits für ein mulmiges Gefühl ausreichen, verschärft Regisseur Anders Morgenthaler die immer auswegloser werdende Situation immer weiter und lässt nur wenige Momente der Hoffnung in seinen Film einfließen.
Diese Momente wirken dann aber umso mehr und nachhaltiger, haben sie in diesem düsteren Kaleidoskop aus Sex und Gewalt doch fast schon poetische Dimensionen. Sei es der immer wieder einmal lebendig werdende Spielzeughase von Mia, die grenzenlosen Weiten des strahlend blauen Meeres, das Freiheit für die Charaktere verspricht, oder August und Mia, die inmitten eines wundervoll kitschigen Blütenhaines sitzen und ihre gemeinsame Nähe genießen …
Und genau diese Stimmungsbilder beherrschen den ganzen Film. Zumeist sind sie trotz Farbtupfern ungemein düster und bedrohlich, was der sehr finsteren Grundhandlung entspricht. Dabei gerät die Figurenzeichnung ein wenig in den Hintergrund.
Man erfährt leider nur wesentliche Eckpunkte von den Lebensläufen der Hauptfiguren, bis dann die Gewaltspirale losgetreten wird und der Film nur noch aus einer Abfolge von Aktion und Reaktion aufgebaut ist, in deren Verlauf ein Schock dem nächsten folgt. So bleiben einem ausgerechnet wichtige Hauptfiguren wie August vollkommen fremd. Dass einem sein Schicksal dennoch nicht kalt lässt, zeigt nur, wie intensiv der Film in seiner Gesamtheit geraten ist.
Auch die gesellschaftskritischen Spitzen entgehen einem in dem wüsten Treiben nicht. Menschen werden weit über ihren Tod hinaus finanziell ausgeblutet, eine allgegenwärtige Gewaltbereitschaft durchzieht unsere Gesellschaft und auch die vollkommene Übersexualisierung der letzten Jahre ist Thema in Princess. Und auch wenn keine, beziehungsweise nur äußerst radikale Lösungen angeboten werden, verfehlt das Ganze seine Wirkung keineswegs.
Technisch präsentiert sich Princess als eine Art Collage verschiedenster Filmtechniken. Dabei werden Realbilder mit Zeichentrickbildern vermengt. In den Realbildern geht die Hochglanzfotographie Hand in Hand mit grobkörnigen, verwackelten Camcorderaufnahmen und in den Zeichentrickaufnahmen vermischen sich 3D animierte Hintergründe mit darin agierenden, handgezeichneten Figuren. Ab und an wurden für die Hintergründe auch Fotos von Hand nachkoloriert. Dabei fließen gerade die Hintergründe vor kleinen Details nur so über.
Die Animationen der Figuren sind eher ruckelnd / ruckartig und muten teilweise an, als habe man bewusst einige Animationsstufen weggelassen. Das Charakterdesign ist wenig detailverliebt, kantig und grob. Und so wild dieser Mix auch klingen mag, das Ergebnis überzeugt auf ganzer Linie und unterstreicht nur den erwachsenen Anstrich der gesamten Unternehmung. Disneytypische Perfektion und Süßlichkeit sucht man dementsprechend definitiv vergeblich.
Fazit
Voll von Sex und Gewalt ist Princess vermutlich eines der ultimativsten Antimärchen überhaupt, bei dem die Phrase "Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende" einen bitteren und tragischen Beigeschmack bekommt. Denn in Princess bewegen sich zwei Figuren vollkommen losgelöst von Recht, Moral und Ethik in einer ähnlich verkommenen Welt und bewahren sich nur durch ihre Liebe und ihre gegenseitige Unterstützung ein letztes Refugium für ihre Menschlichkeit.
Dem aufgeschlossenen Zuschauer bleibt ein düsterer, kompromissloser, gnadenlos konsequenter und lange nachwirkender Alptraum von einem Film, der durchaus zum Nachdenken anregt und sei es nur wegen seiner recht unreflektierten Aussage, dass Gewalt das Allheilmittel für alle Probleme darstellt. Doch eines wird jeder unumwunden zugeben müssen: Die Provokation funktioniert …
Die DVD
Menü
Ein animiertes Hauptmenü mit Musikuntermalung begrüßt den Zuschauer nach Einlegen der DVD in den Player. Die Untermenüs geraten dann leider etwas schmucklos, lassen also Musikuntermalung und Animationen missen.
Hauptmenü
Untermenü
Bild
Je nach Ausgangsmaterial schwankt die Bildqualität stark. Zum Gruseln sehen die Camcorderaufnahmen aus, allerdings war das ja offensichtlich beabsichtigt. Die Hochglanzfilmaufnahmen werden dagegen ebenso fehlerfrei präsentiert wie die etwa 80 Prozent des Filmes ausmachenden Animationsszenen. Jenen fehlt eigentlich nur ein Quäntchen mehr Kontrast und ein etwas fetterer Schwarzwert.
Ton
Dem Sujet entsprechend wird in diesem Film tonal kein Feuerwerk abgebrannt. Vor allem der teils etwas hart und trocken wirkende Soundtrack wird raumfüllend aufgezogen und weiß durchweg zu gefallen. Die Dialogverständlichkeit ist optimal. Zweckdienlichkeit war hier anscheinend die Devise.
Extras
DER Pferdefuss der Veröffentlichung. Ein erklärender Audiokommentar des Regisseurs wäre genauso wünschenswert gewesen, wie ein Making Of, das den Entstehungsprozess des Filmes hätte umreißen können. All das findet man leider auf der deutschen DVD von Princess nicht. Allgemein findet man abgesehen von dem Kinotrailer zu Princess und einigen Trailern zum Backkatalog des Anbieters nichts. Schade!
Gesamteindruck
Princess ist hochgradig provokative Unterhaltung für ein erwachsenes Publikum auf einer technisch ordentlichen DVD, die mangels Extras dem Zuschauer leider die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung mit dem Thema verwehrt.
In diesem Sinne:
freeman
(Copyright aller Bilder: Universum / Ufa)