Illuminati
Robert Langdon im wenig logischen, dafür hochunterhaltsamen Wettlauf gegen die Zeit und eine bedrohlich tickende Antimateriebombe.
Originaltitel: Angels & Demons
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Ron Howard
Darsteller: Tom Hanks, Ewan McGregor, Ayelet Zurer, Stellan Skarsgård, Pierfrancesco Favino, Nikolaj Lie Kaas, Armin Mueller-Stahl, Thure Lindhardt, David Pasquesi u.a.
Der Papst ist tot! Was nun folgt, wissen wir, seit Deutschland kollektiv zum Papst ernannt wurde, nur zu gut. In einem Konklave wird aus verschiedensten Kardinälen der neue Papst bestimmt. Doch da geschieht das Unfassbare! Vier Preferiti (besonders aussichtsreiche Kandidaten) werden entführt. Zudem drohen die Entführer damit, ihnen sowohl das Lebenslicht auszublasen als auch ganz Vatikanstadt mittels Antimateriebombe aus dem Schweizer CERN dem Erdboden gleichzumachen. Ein am Entführungstatort zurückgelassenes Symbol lässt die kirchlichen Würdenträger die Illuminaten hinter dem Anschlag vermuten. Und da der Teufel in der Not sogar Fliegen frisst, ziehen die Katholiken den alles andere als beliebten Symbologen Robert Langdon hinzu, ist jener doch ein Spezialist auf dem Gebiet kirchlicher Symbole, Logen, Verschwörungen und Gruppierungen ...
Dass nicht wie im Buch das CERN den umtriebigen Forscher beauftragt, sondern die Kirche selbst, ist nur eine der vielen brisanten Änderungen, die Ron Howard und sein Drehbuchteam gegenüber der Vorlage vorgenommen haben. Und sie taten gut daran, war doch der Vorläufer „The Da Vinci Code“ gerade wegen seiner fast sklavischen Vorlagentreue ins Fegefeuer der Kritik geraten. Aus gutem Grund, denn im Vorgänger raschelte das Papier wirklich bei jeder Dialogzeile und geriet das Endergebnis unglaublich redselig, langatmig und seltsam verkopft. Fast hätte man den Eindruck haben können, dass die Macher auch ein wenig das Publikum aus den Augen verloren hatten und mit ihrem 1:1 Abfilmen des Buches irgendwie auch die Regeln spannender Filmunterhaltung untergruben.
Bei der Fortsetzung pumpt nun schon alleine die Tatsache, dass man mit Illuminati den Da Vinci Code / Sakrileg Buchvorgänger zum Ideenlieferanten der filmischen Fortsetzung machte, ordentlich Spannung in die Handlung, denn dass das Verhältnis zwischen Langdon und Kirche nach den Ereignissen im Da Vinci Code mehr als nur angespannt ist, sollte klar sein. Dementsprechend misstrauisch wird Langdon auch beäugt und dementsprechend wenig herzlich fällt die Zusammenarbeit aus. Dies sorgt alleine schon für eine ungemein interessante Dynamik zwischen den Figuren. Zudem geht man das Unternehmen Illuminati deutlich temporeicher an, als das beim Vorgänger der Fall war. Fast schon atemlos hetzt Langdon von Schauplatz zu Schauplatz und das gestellte Ultimatum der Illuminaten von vier Stunden sorgt fast schon für Echtzeitspannung. Zudem werden Erkenntnisse eher beiläufig gemacht, große Erklärungen werden in der Bewegung getätigt und hier und da muss man sich sogar seinen Teil denken, weil Illuminati bei seiner wilden Schnipseljagd durch Vatikanstadt einfach keine Zeit zum Vertiefen bleibt. Ein erstaunlicher Fakt für einen 140 Minuten langen Film.
Dabei bleibt vor allem die Logik schnell auf der Strecke. Dies beginnt im Kleinen, etwa bei Originalschriftstücken von Galileo Galilei, inklusive englischen Notizen am Rand, oder der sehr witzigen Vorstellung, dass Preferiti VOR der Konklave bestimmt werden würden, geht über einen immer in Eile befindlichen Langdon, der sich, als er mit Blut bespritzt wird, lieber mal komplett neu einkleidet und wäscht, als der gebotenen Hektik anheim zu fallen und endet noch lange nicht in der Umdeutung der Illuminaten zu einer Art terroristischen Schläferzelle. Spätestens beim Erschaffen von Antimaterie sollte es jedem halbwegs physikalisch beflissenen Zuschauer die Schuhe ausziehen. Aber hier greift dann eben genau dieser wilde Mix aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und schlicht falsch recherchierten oder interpretierten Fakten im Verbund mit diversen Verschwörungstheorien, die auch schon die Buchvorlage von Dan Brown zu einem Bestseller machten und offenkundig nun auch der Filmversion nicht wirklich im Weg stehen. Dazu wird dieser wilde Mischmasch einfach mit zuviel Schmackes und Spaß am wilden Fabulieren vorgetragen.
Dabei ist Illuminati alleine die Show des vor allem physisch erstaunlich präsenten und fitten Tom Hanks in der Rolle des Robert Langdon, der sich hier über Geländer hechtend und Kugeln ausweichend fast als eine Art Actionnovize bewirbt und der in der teils herrlich schnippisch und schnoddrig vorgetragenen Schnipseljagd durchaus auch an eine etwas edler bezwirnte Indiana Jones Variante erinnert (Wir erinnern uns: Dan Brown hatte beim Erschaffen der Figur des Robert Langdon Harrison Ford vor Augen). Und Hanks hat sichtlich Spaß an der neuen, sehr körperbetonten Seite der Figur, hat er sie doch charakterlich im Da Vinci Code bereits ausgiebig ausgelotet. Dennoch hat er natürlich auch den einen oder anderen Moment, in dem er dann seine schauspielerischen Qualitäten in die Waagschale werfen darf, verlässt sich aber weitgehend auf seine physische Präsenz und seinen Charme. In der deutschen Fassung wird der agile Hanks aber deutlich veraltert, denn entweder fehlen seinem Synchronsprecher inzwischen ein paar Zähne oder aber er hat einfach die ganze Zeit einen Kaugummi im Mund gehabt, auf jedem Fall klingt Hanks im Deutschen aufgrund eines Dauerlispelns wie ein alter Opa ...
Gegen die große Tom Hanks Show kommt vor allem Ayelet Zurer als sein weiblicher Sidekick überhaupt nicht an. Ist sie anfangs zumindest noch als besserer Stichwortgeber halbwegs gut beschäftigt, verblasst sie mit zunehmender Laufzeit immer mehr neben dem druckvollen Hanks und wird irgendwann von Regisseur Howard auch wohlweislich komplett aus der Schussbahn genommen. Dagegen agieren die potentiellen Gegenspieler Robert Langdons auf durchweg hohem Niveau. Dabei definiert vor allem der Deutsche Armin Mueller-Stahl mit wenigen, dafür hochcharismatischen Auftritten seiner sehr ambivalent angelegten Figur den Begriff der Leinwandpräsenz vollkommen neu. Stellan Skarsgård gibt mit viel Spielfreude einen nur schwer einzuschätzenden Lumpenhund von einem Polizeichef und der nordeuropäische Superstar Nikolaj Lie Kaas sorgt als europäischer Killerscherge (im Buch war er noch aus dem Nahen Osten!) für die konsequenteren, erstaunlich brutalen Höhepunkte im Film, die den leidlich verquasten Albinokiller aus dem Da Vinchi Code fast schon wie ein harmloses Muttersöhnchen erscheinen lassen.
Einen mittleren Bärendienst erwies man sich aber mit der Besetzung des Camerlengo – eine Schlüsselfigur in Buch und Film – mit dem Schotten Ewan McGregor, bei dem man aufgrund der passiven Anlage seiner Figur von Anfang an weiß, dass einen in Bezug auf diese Figur noch einiges zu erwarten hat. Und obwohl McGregor seine Rolle auf den Punkt spielt, wäre hier ein weniger bekannter Schauspieler - mit einem weniger bekannten Figurenrepertoire - die definitiv bessere Wahl gewesen.
Keinen Grund zur Beschwerde gibt es in Sachen technischer Umsetzung. Alleine die brillanten „Neuerschaffungen“ von Petersdom und Petersplatzes – für die man aus hinlänglich bekannten, angeblich kirchenfeindlichen Gründen keine Dreherlaubnis erhielt – sind eindrucksvolle Muskelspielereien der Production Values hinter diesem auf Hit getrimmten Film. Doch auch der große Big Bang im Showdown, der als einziger Effekt eindeutig als solcher im Film erkennbar ist, ist einfach nur megafett umgesetzt wurden. Auch die Bilder aus Vatikanstadt kommen dank des Bilderzauberers Salvatore Totino hervorragend zur Geltung und der Italiener schafft es obendrein, ohne großes Kameragewackel nur über Montage und stylische Kamerafahrten ordentlich Dynamik in seine Bilder zu pumpen. Selbige haben immer einen leichten Hang in Richtung Sepiafarben und geben sich ein wenig freundlicher als im Vorgänger. Weitaus besser als noch beim Da Vinci Code kommt Hans Zimmer mit der Neuausrichtung der Reihe zurecht. Seine Musik wirkt hier deutlich präsenter als im Vorgänger, hat ein paar grandios treibende Scorelelemente im Gepäck und weiß auch diverse sakrale Choräle gewinnbringend in seine Komposition einzuweben. Erstaunlicherweise bleiben bei allem musikalischen Pomp auch und vor allem die ruhigeren Themen im Gedächtnis. Top!
Wäre nicht die niedliche Audrey Tautou, die trotz Unterbeschäftigung in The Da Vinci Code als Langdongirl ihrer Nachfolgerin Ayelet Zurer gar mühelos den Rang abläuft, Illuminati wäre in wirklich allen Kategorien deutlich besser als sein etwas zu behäbiger und so manche Chance auslassender Vorgängerfilm. Illuminati packt den Zuschauer schon in den ersten Minuten und lässt ihn die gesamte, recht beachtliche Laufzeit hinweg nicht mehr los. Zwar wird es gegen Ende schon ein wenig abstrus und hätte man sich vielleicht eine deutlichere Abkehr vom Buchende gewünscht, dennoch wird man hier hochtourig und spannend unterhalten und weiß vor allem Tom Hanks als diesmal eher hemdsärmliger Heldentypus auf ganzer Linie zu überzeugen. Natürlich ist das Ganze nicht mehr als gelackte Hochglanzunterhaltung, die man nicht einmal ansatzweiße ernst nehmen sollte, aber hey, ist es nicht genau das, was das Kino noch heute zur unterhaltsamen Weltflucht Nummero Uno macht?
In diesem Sinne:
freeman