Unbeugsam - Defiance
Daniel Craig in einem pathetischen Streifen nach einer wahren Geschichte um die so genannten Bielski Partisanen, die im zweiten Weltkrieg hunderten Juden das Leben retteten.
Originaltitel: Defiance
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2008
Regie: Edward Zwick
Darsteller: Daniel Craig, Liev Schreiber, Jamie Bell, George MacKay, Alexa Davalos, Mark Feuerstein, Jodhi May, Mia Wasikowska, Mark Margolis, Tomas Arana, Jacek Koman u.a.
Der Osten Polens geriet zu Beginn des zweiten Weltkrieges unter russische Besatzung. 1941 fallen die Nazis im Rahmen der Operation „Unternehmen Barbarossa“ in Russland ein und zwingen eben auch das russisch besetzte Ostpolen (heute Weißrussland) unter ihre Knute. Dabei gehen sie genauso brutal vor, wie bei den Eroberungen anderer Länder auch. Vor allem die Juden sehen sich den erbarmungslosen Deutschen ausgeliefert. Im Dezember 1941 überfallen die Deutschen das Gehöft der Familie Bielski und meucheln, abgesehen von den nicht zugegen gewesenen Brüdern Tuvia, Zusia, Asael und Aharon, alle Familienmitglieder. Die Brüder fliehen fortan vor den Deutschen in die nahe gelegenen, undurchdringlichen Wälder. Zunächst nur, um eventuell Rache für den Tod der Eltern nehmen zu können und sich selbst in Sicherheit zu bringen. Doch mit der Zeit werden sie zu den Bielski Partisanen, die in den Wäldern Weißrusslands hunderten jüdischen Russen Unterschlupf gewähren und gegen die Besatzungsmacht vorgehen.
Diese - im Übrigen wahre - Geschichte erzählt die aktuell im Kino laufende Daniel Craig – Edward Zwick Kollaboration Unbeugsam – Defiance und scheitert trotz interessanter Ausgangslage teils grandios. Die Gründe hierfür sind vor allem in der Art und Weise zu suchen, wie Drehbuch und Regisseur die Geschichte angehen. Diese legen nämlich den Fokus der Geschichte unverständlicherweise auf den zunächst unterschwellig schwelenden Brudertwist zwischen den beiden charakterlich stärksten Bielski Brüdern Tuvia und Zusia. Dabei arbeiten zunächst noch Hand in Hand, bewegen sich aber zunehmend in Führungsstil und Zielsetzung auseinander und zerstreiten sich irgendwann so sehr, dass sich ihre Wege trennen. Zusia schließt sich russischen Partisanen an und Tuvia versucht, das Überleben der Juden, die seiner Führung bedingungslos vertrauen, zu sichern. Die Folge aus diesem Umstand ist eine ziemlich ungünstige Zerteilung des Filmes in zwei „Schauplätze“, was deutlich zu Ungunsten der an sich recht interessanten Grundstory um gegen ihr Schicksal kämpfende Juden geht.
Denn fortan weiß der Zuschauer immer, wie der weitere Film funktioniert. Geht es um Charakterentwicklung, Dialogschlachten und das Zusammenwachsen uneiniger Charaktere zu einem Kollektiv, verweilt Defiance bei dem Tuvia Handlungsstrang. Wird dieser zu langweilig, schwenkt man zu Zusia und dessen actionreichen Abenteuern. Wirklich zusammen finden diese Handlungsstränge aber nie so recht, weshalb der Film in seiner Gänze unrund wirkt und vor allem im Tuvia Teil auch einige herbe Längen zu verzeichnen hat. Zudem will der oft bemühte „Funke“ auch nie so recht überspringen. Man bleibt als Zuschauer immer Beobachter, der nicht in die Geschichte findet und dementsprechend nicht genug involviert wird. Dies wächst sich für das Lieblingsstilmittel in den Erzählungen von Regisseur Edward Zwick zu einem riesigen Problem aus.
Dieser hat mit Last Samurai wohl den ultimativen Beitrag in Sachen Zuschauerinvolvement mittels Pathosdampfhammer abgeliefert und pumpt auch sonst sehr gerne viel Pathos in seine Filme. Leider verpufft Pathos immer dann, wenn man als Zuschauer nicht in die Geschichte hineinfindet und einen die Figuren kalt lassen. Und genau diesen Umstand haben wir in Defiance fast schon ins Groteske verzerrt. Klar, wenn ein Daniel Craig heroische Reden schwingt, ist das per se auf dem Papier schon Gänsehautkino pur, in Defiance gerät es aber zum Hort unfreiwillig komischer Redeergüsse, bei denen man als Zuschauer irgendwann nur noch verständnislos mit dem Kopf schütteln kann.
Zumindest spürt man bei Ansicht von Defiance, dass die Hauptdarsteller an diesem Missstand keine echte Schuld tragen (hier muss sich vor allem das Drehbuchdepartement an die Nase fassen). Jamie Bell (Hallam Foe), Liev Schreiber (Wolverine) und Bonddarsteller Daniel Craig schlagen sich nämlich mehr als beachtlich. Bell darf sich dabei vom verunsicherten Jungspund zum Befehle bellenden und umsichtig handelnden Mann mit Führungsqualitäten wandeln, was auch absolut überzeugend vonstatten geht. Daniel Craig wandelt derweil als Tuvia zwischen charismatischer Führungspersönlichkeit und zaudernd zweifelndem Bedenkenträger hin und her und ist ein stückweit das moralische Rückgrat des Filmes. Der eigentliche Showsteeler ist allerdings Liev Schreiber als Zusia, der zum einen für die actiontechnisch packenden Momente zuständig ist, dabei aber zum anderen in seinen Handlungsszenen die breiteste Palette an Emotionen zu bewältigen hat, die er mit ungemeiner Leinwandpräsenz geradezu spielerisch bewältigt und dabei die Glanzpunkte in Defiance setzt. Problematisch wird es dann bei der Betrachtung des restlichen Castes, bedient sich Edward Zwick hier doch einer arg peinlichen Klischeeparade. Natürlich sind ALLE Juden edel und gut, ALLE Nazis blond, blauäugig und der Teufel in Menschengestalt und die Russen liegen dauerbreit in der Ecke und waffeln sich den Kopf mit Wodka zu. Jegliche Form von Grautönen bügelt Zwick mittels flotten Kopfschüssen platt und schafft es nicht für einen Augenblick, die recht einseitige Schwarzweißmalerei zu durchbrechen.
Zumindest technisch gesehen kann man Zwick nicht viele Vorwürfe machen. Er inszeniert das Schicksal seiner Protagonisten in erdigen Farbtönen und setzt auf eine raue, brutale und unmittelbare Bildersprache, um das Leid der Juden aufgrund teils unmenschlicher Lebensbedingungen umzusetzen. Dabei tritt er zwar auch in diverse Klischeefallen, die vor allem durch den seltsam kitschigen Score von Harry Gregson Williams noch verstärkt werden, aber viele Gründe zur Beschwerde findet man hier nicht. Dagegen sieht es in der eigentlichen Inszenierung eher mau aus. Zum redseligen, zerfahrenen Storyverlauf kommt nämlich auch noch ein Mangel an Wucht, was Defiance ab und an arg altmodisch wirken lässt. Natürlich muss ein Film, der zu den Zeiten des Zweiten Weltkrieges spielt, nicht so hyperrealistisch und ultrabrutal daherkommen, wie viele der aktuellen Kriegs- und Antikriegsfilme, so harmlos wie in Defiance sollte es dann aber doch nicht zugehen, da die hier gebotenen Hinrichtungen, Kampfhandlungen usw. einen fast schon verfälschend harmlosen Charakter haben, der dann freilich auch mit dem Übermaß an Pathos gar nicht zu harmonieren vermag. Keine Ahnung, was Zwick hier geritten hat, es funktioniert zumindest gar nicht.
Was bleibt, ist ein von der Grundgeschichte her hochinteressanter Streifen, der das vorhandene Storypotential zugunsten eines relativ kraftlosen Bruderzwistes zurückstellt und in zwei nicht miteinander harmonierende Storyteile zerfällt. Zudem ist Defiance viel zu lang geraten, leidet an einem Mangel an Höhepunkten und schwingt den Pathoshammer unangemessen oft und viel zu heftig durch. Zumindest holt das Hauptdarstellergespann noch einige Kohlen aus dem Feuer, wirklich begeistern kann an Defiance aber nichts …
Imo erstaunliche Anmerkung: Während der vierte Bruder im Bunde, Aharon, im Film eine gar nicht mal so uninteressante Rolle spielt, ist er dem Film so egal, dass er ihm und seinem weiteren Schicksal nicht einmal eine Texttafel widmet, wie bei den anderen drei Brüdern geschehen. Nur ein weiteres Anzeichen dafür, wie viel hier letztendlich schief gelaufen ist …
In diesem Sinne:
freeman