Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat
Alles über den heiß umstrittenen Beitrag aus der Hollywoodtraumfabrik zu aktiv in Deutschland stattfindenen Widerstand gegen das NS Regime.
Originaltitel: Valkyrie
Herstellungsland: Deutschland / USA
Erscheinungsjahr: 2008
Regie: Bryan Singer
Darsteller:Tom Cruise, Kenneth Branagh, Carice van Houten, Bill Nighy, Terence Stamp, Eddie Izzard, Stephen Fry, Tom Wilkinson, Thomas Kretschmann, David Bamber, Christian Berkel u.a.
Das deutsche Feuilleton und die deutsche Klatschpresse, man muss beide einfach lieben. Zumal dann, wenn sie anlässlich bestimmter Filmprojekte gemeinsam ins gleiche Horn stoßen! Der Scientology Diktator Tom Cruise in einem Film, der eine der heiligen Kühe unserer jüngeren Geschichte behandeln will? Darf der das? Will der so etwa auch die Deutschen mit den Lehren Hubbards durchsetzen und sie gleichschalten? Und so bewiesen im Vorfeld von Operation Walküre mal wieder beide Instanzen deutscher „Pressearbeit“, dass sie unfähig sind, zwischen der Privatperson Cruise und dem Schauspieler Cruise zu unterscheiden.
Denn rekapitulieren wir doch einmal, wie viele Film-Öffentlichkeitsarbeitsevents bekannt wurden, die Cruise für Scientology Propaganda genutzt hat! Und dann überlegen wir noch einmal genau, in wie vielen Filmen Cruise schon die Lehren seiner Sekte verbreitete. Es ist seltsam, aber ich komme bei beiden Aufgabenstellungen auf Null. Erstaunlich, Erstaunlich ... und dennoch gerät Cruise und seine Arbeit immer wieder in das gleiche Kreuzfeuer. Und das aus einem Land, das sich umgekehrt immer beschwert, dass es im Ausland eben nur Nazideutschland ist und wir pauschal alle für Faschisten gehalten werden. Ist dies vielleicht nur die gerechte Strafe für unsere eigene, nicht vorhandene Unvoreingenommenheit? Verdient hätten wir es. So auch diesmal, denn erneut gibt es keine zehnminütigen Monologe der Cruisefigur über Scientology und auch unterbewusste Botschaften habe ich nicht erhalten ... Das deutsche Feuilleton allerdings vermutlich schon ... Man konstatierte zwar überwiegend (vollkommen Unbelehrbare gab es natürlich dennoch) der Film sei nicht schlecht, zog sich dann aber doch wieder unisono an Kleinigkeiten hoch.
Warum? Einfach weil man unsere Geschichte nicht unterhaltungsorientiert angehen darf! Niemals! Die DEUTSCHE Produktion „Mein Führer“ kann davon ein Lied singen! Auch „Das Leben ist schön“ durfte erst nach hitzigen Debatten dem Schrecken mit einem Lächeln entgegnen und jetzt wird unsere Geschichte für einen Geschichtsthriller missbraucht! Das können wir Dichter und Denker doch nicht zulassen!
Fragt sich nur, warum, denn auch wenn Operation Walküre die Ereignisse dramaturgisch bedingt verdichtet und zugunsten eines unglaublichen Tempos und einer genialen Spannungskurve diverse Kleinigkeiten aus den überlieferten Fakten umdeutet oder der Einfachheit halber weglässt, hat man es hier mit einem sehr respektvollen Beitrag zu unserer Geschichte zu tun, der obendrein vor allem eines deutlich macht: Nicht alle Deutschen waren und sind Nazis! Und diese Nachricht verbreitet dieser Streifen dank eines Zugpferdes wie Tom Cruise weltweit. Worüber beschweren wir uns also?
Vielleicht darüber, dass Operation Walküre ein wenig unter dem Starstatus seines Hauptdarstellers zu leiden hat. Denn Tom Cruise ist für diese Rolle vor allem zu Beginn zu bekannt. Er ist der glänzende Held, daran besteht kein Zweifel und er wird seinen Weg gehen, komme was wolle. Das macht es vor allem zu Beginn etwas schwer, sich in Stauffenberg hineinzuversetzen, da man letztendlich irgendwo erwartet, dass Cruise am Ende seine beiden Last Samurai Schwerter zücken wird und die Nazis im Alleingang umbringt. Dies passiert natürlich nicht, doch es ist wirklich so, dass die Gegenwart Cruises zu Beginn dem Film eher schadet als ihm nützt.
Auch hat man das Gefühl, dass Operation Walküre eben genau wegen dem leuchtenden Helden - Image seines Hauptdarstellers bestimmte unschöne Seiten der Geschichte einfach ausblendet. So erleben wir Stauffenberg erstmals bei seinem Einsatz in Afrika, wo er unter Rommel im Heer jener Quertreiber diente, die von Adolf Hitler und Co. nicht ohne Hintergedanken in die Wüste geschickt wurden. Denn zu jener Zeit war Stauffenberg bereits geheilt von seinem blinden Führer-Gehorsam. Und genau diese Phase, in der Stauffenberg ebenfalls allen Befehlen gehorchte und als absolut linientreu galt, wird ziemlich konsequent ausgeblendet. Auch die Beweggründe, die zu seinem Umdenken führten, werden zwar kurz angerissen (Verbrechen der SS gegen das Volk, die Judenvernichtung), spielen in dem Film aber keine echte Rolle. So bleibt irgendwo auch immer unklar, woraus sich seine Überzeugung speist, dass Hitler Deutschland in den Untergang steuert. Das Ergebnis ist ein Charakter, der eben wie so manch andere Tom Cruise Charaktere vorher auch einfach das Richtige tut, weil es eben richtig ist. Und es entsteht der etwas irrige Eindruck, dass Stauffenberg schon immer ein Querulant war ... wie er es da freilich bis in den Stand des Oberst gebracht hat, ist dann eine der ersten Frage, die sich nach dem Filmgenuss stellen dürfte.
Diese erdrückende Präsenz des Menschen Tom Cruise und die meines Erachtens daraus resultierenden kosmetischen Eingriffe in den Charakter des Stauffenberg sind dann für mich die einzigen echten Kritikpunkte an Operation Walküre. Der Film läuft wie ein geschmiertes Uhrwerk mit einer Wucht und einem Tempo, das den Zuschauer schier überwältigt und letztendlich viele Erkenntnisse um den Putschversuch mit einem vortrefflichen Auge für das unterhaltende Element absolut gelungen umsetzt. Dabei entwickelt der Film sogar seine meiste Kraft erst dann, wenn der eigentliche Putsch nach dem Attentat anläuft und Stauffenberg mit seinen Getreuen in einem gekonnten Husarenstreich die Wehrkreise Deutschlands und der eroberten europäischen Länder unter seine Kontrolle bringt. Hier wächst sich Operation Walküre zu echtem Hochspannungskino aus und lanciert einen beeindruckenden Schauspielmoment nach dem anderen.
Denn auch wenn Tom Cruise den Film ein wenig erdrückt, kann man nicht umhin festzustellen, dass er als Stauffenberg eine seiner fraglos besten Schauspielleistungen überhaupt erbringt und selten so präsent, wuchtig und fragil zugleich erschien. Brillant etwa die Momente mit seiner Familie, in der sein getriebener Charakter die einzigen Ruhemomente überhaupt zu finden scheint. Oder der Moment stiller Wut, als man ihm mitteilt, dass man Walküre noch nicht habe anlaufen lassen. Cruise hangelt sich von einer großen Szene zur nächsten und wird von einer grandiosen, sich im Übrigen über weite Teile aus deutschen Darstellern rekrutierende Darstellerriege bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend unterstützt. Besonders hervorheben muss man dabei vor allem Bill Nighy in der schwierigen Rolle des Zauderers und Zweiflers General Friedrich Olbricht, Kenneth Brannagh in seiner zwar kleinen aber ungemein feinen Rolle als Major-General Henning von Tresckow und Tom Wilkinson als General Fromm. Von den deutschen Darstellern wissen vor allem Christian Berkel als Oberst Mertz von Quirnheim und der erneut unglaublich souveräne und hier übercool agierende Thomas Kretschman zu überzeugen, wobei man vor allem letzterem nur die Daumen drücken kann, dass seine durchweg hervorragenden Leistungen endlich einmal mit einer Leadrolle in einem Hollywood Actionkracher belohnt werden. Das Zeug dazu hätte er.
Wichtigster Mann hinter Operation Walküre dürfte aber Bryan Singer sein. Der Regisseur erschafft hier Szenen, die in ihrer Eindrücklichkeit noch lange nachwirken und durchaus als unvergessliche Momente in die Filmgeschichte eingehen dürften. Zwar gelingt es ihm dabei letztlich nicht, die Klippen des Pathos komplett zu umschiffen und den ganzen Film über eine sachliche Nüchternheit zu bewahren, doch das war auch niemals sein Ziel. Zum Ausgleich gibt es großartige Momente, wie den, in dem die Folgen eines Bombenhagels ausschließlich über die auf einer Schallplatte des Wagnerstückes „Die Walküren“ tanzende Schallplattennadel umgesetzt werden. Nebenbei hat Stauffenberg dann auch die Eingebung, wie der Putsch funktionieren könnte und der Zuschauer freut sich über seine erste Gänsehaut. Absolut grandios. Von den vor Intensität und Spannung förmlich flirrenden Szenen, in denen Stauffenberg auf Adolf Hitler trifft, ganz zu schweigen. Auch den Rest des Filmes hat Singer brillant unter Kontrolle und lanciert geradezu spielerisch einen hochspannenden Thriller höchster Güte. Dabei kann er sich vor allem auf seinen großartig montierenden Schnittmeister John Ottmann verlassen, der so mancher Szene den letzten Rest Perfektion verleiht, zumal er seine eigene Filmmusik gleich noch absolut ideal an seinen Schnittrhythmus angleicht.
Das Ergebnis ist ein hervorragender Geschichtsthriller, der einige der denkwürdigsten und symbolgeladensten Szenen der letzten Jahre zu stemmen vermag (die Schlussszene ist obendrein eine der fraglos schönsten) und nach „Der Pianist“, „Das Leben ist schön“ oder „Schindlers Liste“ erneut den Beweis erbringt, dass vor allem das Ausland unsere ganz eigene Geschichte am mitreißendsten und spannendsten umzusetzen versteht und unseren heimischen Produktionen eine lange Nase dreht, da man anstelle des Wiederkäuens von Fakten auf eine profunde technische Umsetzung und das Erzählen einer gelungenen Geschichte Wert legt. Das mag unseren einheimischen Kritikern nicht gefallen, aber es verfehlt auch und vor allem in Hinsicht auf seine Breitenwirkung nicht sein Ziel. Denn eine spannendere Lehrstunde zum Thema deutscher Widerstand konnten wir Deutschen uns für unser Image doch kaum wünschen ...
In diesem Sinne:
freeman