Madagascar 2
Die Rockerpinguine erobern den schwarzen Kontinent und in ihrem Handgepäck die anderen tierischen Madagascarhelden, die alles unternehmen, um den Vorgängerfilm eher alt aussehen zu lassen.
Originaltitel: Madagascar: Escape 2 Africa
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2008
Regie: Eric Darnell, Tom McGrath
Sprecher: Ben Stiller, Chris Rock, Jada Pinkett Smith, David Schwimmer, Sacha Baron Cohen, Bernie Mac, Alec Baldwin u.a.
Die Luftballons steigen zum gänsehauterregenden Jingle des Dreamwork Animation Logos gen Himmel, zerplatzen am Mond, in dem ein angelnder Junge hockt und entlassen den Schriftzug des Animationsstudios gen Leinwandboden. So weit, so bekannt. Doch plötzlich steht hinter dem Jungen eine schwarzgewandete Figur und schaltet den Jungen mit einem Flossenkantenschlag aus, zerrt ihn ins Dunkel hinter der Mondsichel und überlässt ihn den prügelnden Flossen seiner Kameraden! Diese feiern kurz darauf ihren Kumpel, der gerade den vom Jungen gefangenen Fisch aus den Gewässern dieser Welt zerrt.
Kein Zweifel, sie sind wieder da: Skipper, Kowalski, Private und Mort machen wieder die Leinwände unsicher und mit ihnen auch Alex, Marty, Melman und Gloria. Genau, die Helden aus Madagascar sind wieder da. Und nachdem sie zuletzt aus New York weg wollten (oder eher mussten), haben sie mittlerweile die Schnauze voll von Madagascar und wollen wieder gen Heimat. Mit Air Pinguin bricht man auf, doch unterwegs geht dem Fluggerät der Sprit aus und man stürzt unversehens ab. Diesmal landet man in Afrika … und damit in der eigentlichen Heimat von Alex, Melman, Gloria und Marty … was aber nicht bedeutet, dass man sich hier zwangsläufig irgendwie auskennen würde. Ganz im Gegenteil …
Was Madagascar II in den ersten 20 Minuten an Gags, hysterischem Slapstick und bösen Seitenhieben auf amerikanische Befindlichkeiten ablässt, das ist schon ganz großes Unterhaltungskino und dürfte die Kleinsten der Kleinen mit seinem enormen Tempo und der Vielzahl an neuen Figuren ziemlich überfordern. Hier purzeln die Ideen, rocken die Pinguine den Dschungel und kann man sich einen ersten Eindruck von den neuen Animationsqualitäten hinter dem neuesten Dreamworksstreifen machen. Leider geht Madagascar II nach diesem Blitzstart ein wenig die Puste (oder der Mut?) aus und man beschreitet weithin ausgelatschte, seichte 08/15 Animationsfilmstorytrampelpfade, in deren Verlauf Botschaften um die Wichtigkeit von Familie und Freundschaft einen Zacken zu penetrant und aufdringlich transportiert werden, zumal sie sich zunehmend an das eher jüngere Publikum richten, das mit den lancierten Storyelementen um Familienzusammenführungen und das Erkämpfen des angestammten Platzes in einer Hackordnung noch am Meisten anfangen können dürften.
Derweil klammert sich der erwachsene Zuschauer an die Hoffnung, dass der Film ebenso rasant ausklingen möge, wie er begann und dass diverse makabre Spitzen wie die sogenannten Sterbelöcher und die herrlich menschlichen Macken der Figuren zur Methode werden. Dies geschieht aber leider nur bedingt und so passiert, was schon in Ice Age oder in Madagascar I passierte: Eigentlich als Nebenfiguren gedachte Charaktere mutieren zu den eigentlichen Helden und werden mehr und mehr zum Showstealer. Und was Scrat für Ice Age sind die Pinguine für Madagascar, diesmal verstärkt um eine wilde Affenbande, die sich irgendwann sogar in einer Gewerkschaft organisiert, um den Ausbeuterpinguinen auf der Nase herumtanzen zu können. Summa Summarum funktioniert die Geschichte hinter Teil II trotz aller Kindlichkeit deutlich besser als die deutlich zerfahrener wirkende Story des Vorgängers und schafft eine etwas bessere Melange aus hysterischem Witz und Sentiment, das eben vor allem vor dem rasanten Showdown die Tränenkanäle flutet.
Animationstechnisch hängt die Fortsetzung den aus heutiger Sicht maximal ordentlichen Vorläufer locker ab. Die Animation ist insgesamt gesehen im Charakterdesign zwar immer noch sehr reduziert und eben cartoonhaft - was ja das Grundkonzept hinter der 1 war - aber die Eckpunkte wurden doch deutlich aufgewertet. So wurden die Felltexturen der einzelnen Figuren doch deutlichst aufgewertet, jegliche Form von Körperbehaarung bewegt sich physikalisch korrekt und die Bewegungen der Charaktere wirken allesamt geschmeidiger und einfach runder. Die Hintergründe sind deutlich detaillierter geraten und strotzen vor Leben. Dies ist auch dem Schauplatz geschuldet. Konnte man im Erstling noch Details vom undurchdringlichen Grün des Dschungels schlucken lassen, herrscht nun eben die Weite der Savanne vor. Die Wassereffekte erreichen photorealistische Dimensionen (reichen an Genreprimus Blue Sky und Pixar aber noch nicht heran!), die Beleuchtungseffekte sind formidabel und die Massenszenen ein einziger Augenschmaus mit vor Details berstenden Bildern wild vor sich hin wimmelnder Tierherden. Auch die natürliche Umgebung ist äußerst realistisch gestaltet und bietet neben sich im Wind wiegenden Gräsern diverse Postkartenmotive des afrikanischen Kontinents. Brillant. Ein ganz besonderes Schmankerl stellen die hervorragenden, mal rasanten, mal verspielten, aber immer beeindruckenden Kamerafahrten dar, die ein ums andere Mal eine echte Gänsehaut zur Folge haben! Nicht nur hier merkt man, dass man mit Guillermo Navarro (Kameramann von Pan’s Labyrinth) einen echten Könner als Berater zur Seite stehen hatte!
Musikalisch dominiert ein ausgewogener Mix aus diversen Karibikhits, die man zwar alle schon mehrfach gehört hat, die zu dem Film in ihrer lockeren Beschwingtheit aber grandios passen und zum Mitwippen einladen. Hier hat Hans Zimmer wahrlich Geschmack bewiesen. Synchrontechnisch hat man es geschafft alle Sprecher des ersten Teils wieder vor den Mikrofonen zu vereinen. Sowohl im amerikanischen Original als auch in der deutschen Fassung. Zwar würde man sich für den mit allen Behavourismen Ben Stillers gesegneten Löwen die deutsche Stimme Stillers wünschen, um einen runden Gesamteindruck zu erhalten, doch Jan Josef Liefers macht letztlich wie schon beim Vorgänger einen hervorragenden Job und auch Bastian Pastewka macht enormen Spaß. Die Fantastischen Vier sind als Rockerpinguine eh über allen Zweifel erhaben. Einziger Wermutstropfen ist nach wie vor der eine Lemur (im Original vom unlängst verstorbenen Berny Mac gesprochen, dem der Film auch gewidmet wurde), der einem mit seinem schrecklichen Slang tierisch auf die Eier geht und nur zur Hälfte halbwegs verständlich labert.
Im Großen und Ganzen fällt es schwer, bei Madagascar II im Vergleich zum Vorgänger Abstriche zu machen. Natürlich ist die Idee hinter Madagascar II nicht mehr neu. Vielmehr ist die Story eigentlich nur ein Remake des ersten Teils! Doch sie wird mit genügend Schmackes und Witz vorgetragen, um nicht wirklich Langeweile aufkommen zu lassen. Das fast schon explodierende Figureninterieur dürfte die ganz Kleinen vermutlich überfordern, doch das charmant-knuffige Figurendesign macht dahingehend viel gut. Für die Erwachsenen gibt es teils herrlich hysterischen Slapstick, wundervoll absurde Szenenfolgen (ich sage nur die Oma mit ihrer Handtasche) und eben die Pinguine, die den Film schon im Alleingang über die Runden retten. Davon abgesehen kann sich der erwachsene Zuschauer noch daran erfreuen, ein paar – überraschend böse – Seitenhiebe auf unsere Zeit zu finden, bleibt aber bei der arg rührseligen Story doch weitgehend außen vor. Technisch zumindest ist der Film über jeden Zweifel erhaben. Und so ist und bleibt das Madagascar Franchise das, was sich schon bei Teil I ankündigte: harmlos, teilweise überspannt witzig, letztendlich innovationslos und zu kindisch in der Ausrichtung – aber es unterhält!
In diesem Sinne:
freeman