Ein Quantum Trost
Hat der neueste Bondstreifen eigentlich wirklich noch irgendetwas mit dem Franchise Bond zu tun und wenn nein, müssen wir das wirklich gut finden, nur weil Bond dran steht?
Originaltitel: Quantum of Solace
Herstellungsland: Großbritannien / USA
Erscheinungsjahr: 2008
Regie: Marc Forster
Darsteller: Daniel Craig, Mathieu Amalric, Judi Dench, Gemma Arterton, Olga Kurylenko, Jeffrey Wright, Rachel McDowall, Stana Katic, Giancarlo Giannini, Jesper Christensen u.a.
Bond, James Bond will Rache. Rache für seine Vesper, die in dem letzten Einsatz des Superagenten das Zeitliche segnete. Bei seinen Nachforschungen stößt Bond auf ein Geflecht aus Lügen und Intrigen und er kreuzt den Weg des in allerlei krumme Machenschaften verwickelten Dominic Greene, der sich vor allem darin übt, Regierungen zu destabilisieren und Regenten nach seinem Gusto einzusetzen. Dieses Mal hat er sich das Land Bolivien für seine Untaten auserwählt, doch Bond steht bereit, ihm und der Superverbrecherorganisation Quantum auf die Gaunerfingerchen zu klopfen.
Nachdem Pierce Brosnan mit „Goldeneye“ das James Bond Franchise aus dem Dreck gezogen hatte und mit den beiden Fortsetzungen „The World is not enough“ und „Tomorrow never Dies“ respektable Folgefilme nachgelegt wurden, geriet das Bondfranchise wieder ins Schlingern. Die Macher orientierten sich vermehrt an den damals salonfähiger werdenden Actionspektakeln a la „Tripple xXx“, die das Genre des Actionfilms eher in den Dreck zogen, als es standesgemäß zu befeuern. Die Folge waren noch deutlich unrealistischere Actioneinlagen und ein überbordender Einsatz von zwecklosen Special Effects (das negative Highlight bildete der unsichtbare Bondwagen in „Die Another Day“). Ein Umdenken wurde nötig. Und es geschah!
Allerdings außerhalb des Bond Franchises! Genau, richtig gehört! Franchises wie die „Bourne Trilogie“ oder die TV Serie „24“ lancierten mit ihren Figuren des Jason Bourne und Jack Bauer eindeutig an James Bond orientierte, deutlich modernisierte Superagenten, die in der Realität verankert einem deutlich weniger glamourösen Agentenleben nachgingen. Die Zuschauer dankten beiden Reihen ihre Neuinterpretationen der Agentenmär und die James Bond Verantwortlichen gingen den einzig konsequenten Schritt. Sie zogen nach ... und lieferten schon mit „Casino Royale“ einen mehr oder weniger deutlichen Abklatsch der neuen Regeln im Agentengenre. James Bond hatte sich quasi selbst überlebt und orientierte sich fortan an Reihen, die er selbst einst inspirierte.
Die Spitze dieser Bemühungen ist nun mit „Ein Quantum Trost“ erreicht, der auch „Ein Quantum Bourne“ heißen könnte, imitiert er doch sowohl Jason Bourne in seiner brutalen Realität ebenso wie die besten Actionszenen dieser Reihe. Genannt sei hier die Eröffnungsautoverfolgungsjagd, die Bourne schon in der „Bourne Verschwörung“ ebenso druckvoll abgefeuert hat, die Verfolgungsjagd über die Dächer einer italienischen Stadt, die Bourne bereits im „Bourne Ultimatum“ durchmachte und letztendlich ALLE Hand to Hand Scharmützel, die mit den Faustkämpfen des normalen Bond Franchises in ihrer Wucht und Brutalität wirklich gar nichts mehr gemein haben.
Zieht man dann noch in Betracht, dass Bond im Quantum Trost fast schon asexuell zu sein scheint, er keinen Martini mehr mag, er sich nicht einmal mit seinem typischen „Bond, James Bond“ vorstellt, die Treibjagd über aller Herren Länder hinweg jegliches Lokalkolorit der betreffenden besuchten Gegenden ausblendet, keinerlei Bondgimmicks zum Einsatz kommen und die Bösewichter, die sonst immer die schillerndsten Punkte im Franchise setzten, zu zweidimensionalen Megapussies verkommen, dann muss man sich einfach eingestehen, dass dieser Film mit dem Bond Franchise wirklich überhaupt nichts mehr zu tun hat.
Und was man sich unweigerlich zu fragen beginnt, ist: Schadet „Ein Quantum Trost“ nun eigentlich dem Bond-Franchise, weil er den Hauptcharakter so extrem verbiegt, dass man ihn gar nicht mehr wieder erkennt, oder schadet das Bond-Franchise dem Film „Ein Quantum Trost“, weil es Erwartungen weckt, die der Film nicht erfüllen kann oder will? Sehr schwer zu sagen, zumindest ist aber klar, dass der Film als Bestandteil des Franchises ein schlechter Witz ist.
Doch blendet man das Franchise aus, erhält man einen richtig guten Actioner, der vor allem zu Beginn mit hohem Tempo voranprescht und den Rachefeldzug Bonds eindrucksvoll bebildert. Alleine die erste Autoverfolgungsjagd rockt so dermaßen genial, dass einem beim Abreißen eines Hauses mittels einer Mittelklasselimousine schon mal gewaltig der Atem stockt. Dazu verzichtet man in dieser Actionszene auch noch komplett auf Musik, was die Szene so dermaßen druckvoll geraten lässt, dass sich jeder Actionfan im siebten Himmel wähnt. Obendrein ist diese Szene gar nicht einmal so übel geschnitten, wie es sich überall ankündigte.
Viel mehr gelingt es Marc Forster gerade in den Actionszenen, bei denen er sich noch in die Luft und aufs Wasser begibt und eigentlich in allen Elementen ein Actioninferno nach dem anderen zündet, immer wieder, absolut geniale Kamerawinkel und Kameraeinstellungen zu präsentieren, die vom Auge eines Könners zeugen. Vom leider zu kurzen, aber sehr spektakulären Showdown ganz zu schweigen. Somit gelingt dem eher untypischen Bondregisseur die Actionpflicht hervorragend, aber bei der Handlungskür gibt es massive Abzüge! Denn erstaunlicherweise bekommt Forster weder seine Charaktere noch die Geschichte in den Griff.
Gerade im Mittelteil versucht er über ein immer dichter werdendes Personengeflecht Komplexität und Tiefe vorzuzeugen, die zum einen gar nicht da ist und zum anderen nur in Verwirrung des Zuschauers mündet. Denn wer da nun gerade wem an den Hals will, erschließt sich irgendwann gar nicht mehr. Und wenn die Figuren zu rührseligen Klängen vom Score David Arnolds zu ihren tränenschwangeren Backgroundgeschichten anheben, verliert sich der Film sogar in den Gefilden unfreiwilliger Komik. Da verwundert es auch wenig, dass der Film bei seinem Hinschlingern zum Showdown ab und an sogar extrem zäh gerät und trotz extrem geringer Laufzeit sogar zu langweilen versteht. Erstaunlich.
Aus Darstellersicht herrscht ein ähnliches Spiel aus Licht und Schatten vor. Daniel Craig mag dabei noch am Meisten zu überzeugen und die Plakette „bester Schauspieler, der jemals Bond spielen durfte“ kann er sich auch anhängen. Aber letztendlich ist auch er schuld daran, dass dieser Film eben mit Bond nicht mehr viel zu tun hat. Zu widerspruchslos gehen wichtige Eigenschaften und Manierismen des Agenten flöten und wenn Craig die ganzen letzten 45 Minuten nur noch mit angepisster Fresse durch die Wüste latscht, ohne mal eines dieser genialen Bond Bonmots zu zünden, die bisher immer selbst die schlimmste Lage aufzuheitern vermochten, wird irgendwie offensichtlich, dass sich die Figur in eine falsche Richtung entwickelt.
Sehr arm fand ich auch die installierten Bondgirls. Olga Kurylenko sah genial aus wie immer und durfte sogar richtig spielen, aber die 15 Minuten Nettolaufzeit, die sie letztendlich zu sehen ist, reichen für den wahren Olga Fan (also mich!) niemals aus! Vom zweiten Girl – Gemma Arterton – ganz zu schweigen. Ihr fünf Minuten Auftritt grenzte ja schon an eine sarkastische Veralberung des eigenen Franchises. Zumindest ist ihre letzte Szene im Film der EINZIG WAHRE Bondmoment im Streifen und erinnert an den tollen Goldfinger.
Und wo wir bei Goldfinger sind, sind wir bei den Bösewichtern im Streifen und lachen einmal herzlich laut auf. Was war denn das bitte? War das eine Verarsche auf „Clever und Smart“? Oder auf „Lang und Doof“? Ich begreife es nicht. Was ist so schwer daran, einen wirklichen Bösewicht zu installieren? Einen mit echten Zielen! Weltherrschaft, Diktatur im Weltall oder George Bush meucheln? Und was macht Mathieu Amalric als Dominic Greene? Er killt keine einzige Figur, lächelt wie ein Schmierlappen und ist eine solche Pussie, dass er beim Schwingen einer Axt schreit wie eine Frau und sich selbst in den Fuß haut. Ganz großes Kino. Ein Sean Connery, Roger Moore oder Pierce Brosnan wären für dieses Weichei nicht einmal aus ihrem Liebesnest aufgestanden. Und was macht man, wenn man einen Weicheioberbösen hat? Klar, man stellt ihm einen echten Brocken an die Seite, bei dem schon der Anblick reicht, damit die Gegner freiwillig in die Kiste springen. Und was liefert uns Marc Forster? Einen Handlanger, der scheiße aussehend in der Gegend rumsteht, süffisant lächelt, irgendwann eine Treppe runterkracht und dann zu heißer Luft mutiert, was er den ganzen Film über schon war. Das war wirklich die peinlichste Gagparade aller Zeiten.
Zumindest gefällt, dass Dame Judi Dench ihre Rolle deutlich mehr ausbauen durfte und damit den Film mit einem Mehr ihrer Gegenwart zu adeln versteht. So ist ihre M dann auch einer der wenigen Punkte am neuen Bondfilm, der auch wirklich noch an Bond erinnert. Dazu kommt noch der Score von David Arnold, der das Bondthema immer wieder einmal geschickt aufgreift, ohne dabei sonderlich zu glänzen. Der eigentliche Bondsong des aktuellen Streifens gefiel mir persönlich deutlich mehr als das Gewimmere in Casino Royale, auch wenn man sich in das Duett von Alicia Keys und Jack White erst einmal hineinhören muss. Allerdings muss ich konstatieren, dass mir die Bildspielereien unter dem Song diesmal nicht sonderlich zugesagt haben. Da bildet für mich der letzte Brosnan Streifen „Die Another Day“ noch immer die Creme de la Creme, da dieser unter dem Madonnasong seine Geschichte weitererzählte ...
Was bleibt nun zu „Ein Quantum Trost“ zu sagen? Als Bondfilm funktioniert er gar nicht. Und ich weiß nicht so recht, ob man das wirklich abtun kann mit einem: „Diese Entwicklung war in Casino Royale doch abzusehen“. Denn nehmen wir beispielsweise das „Terminator“ Franchise und nehmen an, die sind so mutig, das Franchise so zu modernisieren und neu zu interpretieren, dass sie die Terminatoren einfach weglassen. Was ist dann das Ergebnis? Ein Terminator Film? Na Holla ... Und warum sollte man dies beim Bondfranchise durchgehen lassen? Warum ist man nicht konsequent, macht den Laden dicht und verkauft seine 08/15 Actionfilme ohne das Bondlabel? Weil’s weniger Geld bringen würde, klar. Aber mit Ehrlichkeit sich selbst und den Fans gegenüber hat das nichts mehr zu tun.
Blendet man diese Bedenken aus, wird man von „Ein Quantum Trost“ durchaus angenehm unterhalten! Die Action ist druckvoll und fetzig, die Unübersichtlichkeit bei Weitem nicht so extrem wie im derzeitigen Genreprimus Eagle Eye und die optischen Schauwerte stimmen. Dabei gerät der Film unter der Regie des sonst so versierten Drama Regisseurs Marc Forster handlungstechnisch zu einem ziemlichen Kniefall vor den Regeln des Actiongenres, das auf stimmige Charaktere ebenso pfeift, wie auf eine schlüssige Dramaturgie. Tempo, Tempo, Tempo heißt die Devise und diese funktioniert erstaunlicherweise vor allem gegen Ende gar nicht mehr so toll wie in der ersten Stunde. Das Ergebnis bekommt als Bondfilm von mir
und als reinrassiger Actionfilm, losgelöst vom Franchise, solide
...
In diesem Sinne:
freeman