Burn after Reading
Die neue Komödie der Coen Brüder kann schon als kleiner Vorgeschmack auf das neueste Bond Abenteuer gesehen werden, denn hier bekommen die diversen Agentenstreifen dieser Welt ordentlich Feuer unter den Arsch ...
Originaltitel: Burn after Reading
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: USA
Regie: Joel & Ethan Coen
Darsteller: George Clooney, Frances McDormand, John Malkovich, Tilda Swinton, Brad Pitt, Richard Jenkins, David Rasche, J.K. Simmons, Olek Krupa u.a.
Geheimer Scheiß. Das ist es, was Chad Feldheimer und Linda Litzke gefunden zu haben glauben, als sie in der Umkleidekabine ihres Fitness-Studios eine CD-Rom (für einen Windows Rechner!) gefunden haben. Und dieser geheime Scheiß muss doch dem Besitzer irgendetwas wert sein. Also kontaktiert man den Besitzer Osbourne Cox, der in dem geheimen Scheiß erwähnt wird. Leider weiß der, dass der geheime Scheiß nur ein Manuskript seiner eigenen Memoiren ist und ist daher nicht gewillt, auch nur einen Cent für diese CD zu zahlen. Stattdessen haut er lieber Chad die Nase ein und ergeht sich in Drohgebärden. Also wenden sich Chad und Linda mit ihrem geheimen Scheiß an die Russen! Und die sind sogar interessiert! Doch da kommt ein paranoider Finanzbeamter, namens Harry Pfarrer, ins Spiel, der einen Schlüsselcharakter über den Haufen ballert und eine Kette von Ereignissen lostritt, an deren Ende eigentlich niemand mehr weiß, was hier eigentlich läuft ...
Also wenn was läuft ... Oder so ...
Wahnwitz, dein Name ist Coen. Nach ihrem ruhig und bedächtig erzählten, strunzbrutalen Oscarerfolg No Country for old Men melden sich die Coens mit einem locker flockigen Geschichtchen um geheimen Scheiß zurück und überzeugen auf ganzer Linie. Zwar braucht ihr neuester Streich einige Zeit, um richtig loszulegen, doch spätestens gegen Ende entwickelt dieser Streifen eine fatalistische Komik, die ihresgleichen sucht. Dass dabei einige Figuren ins Gras beißen, versteht sich bei den Coens von selber. Dabei ist der Humor ein ganz besonderer. Er ist eben fatalistisch. Nicht schwarz, nicht ironisch, nicht leicht oder verquer. Denn hier bleibt das Lachen beständig im Halse stecken, schlittern selbstsüchtige Figuren sehenden Auges in ihren Untergang und offenbart die letzte Szene noch einmal in aller Konsequenz, wie komplett abseitig und im besten Sinne kaputt der ganze Filminhalt bislang eigentlich war. Viel Lärm um Nichts, genau das umschreibt die kuriose Story von Burn after Reading absolut grandios. Und wenn J.K. Simmons am Ende vollkommen überfragt versucht, die Ereignisse zu ordnen, geht es ihm genauso wie dem Zuschauer und man fragt sich im Nachhinein wie er: What The Fuck?
Der große Gewinner ist der Zuschauer. Denn als wäre No Country for old Men eine neue Initialzündung für die Genialität der Coen Brüder gewesen, macht Burn after Reading riesig Laune und ist von den eher schwachen letzten Komödienausflügen Ein (un)möglicher Härtefall und Ladykillers meilenweit entfernt! So resultiert der Humor in Burn After Reading endlich wieder komplett aus den Eigenarten der Figuren und wird das Absurde bestimmter Situationen so überzogen dargestellt, dass man aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommt, ohne dass man mit platten Gags zugeballert werden würde.
Für diese Rückbesinnung auf alte Werte riefen die Coens einige vertraute Gesichter ins Boot. Frances McDormand, oscargekrönt für ihren Auftritt in dem Coen Brothers Meisterwerk Fargo, darf als Schönheitsoperationsvernarrte Linda richtig glänzen und hat in jedem ihrer Auftritte die Schmunzler auf ihrer Seite. Egal wie ausweglos eine Lage auch sein mag, sie wird immer abgeklopft dahingehend, ob die Schönheitsoperation in Gefahr ist. J.K. Simmons kennen die Coens von Ladykillers, schusterten ihm aber leider nur zwei Auftritte zu, die dafür beide grenzgenial gerieten. Und George Clooney darf eh nicht mehr fehlen, wenn die Coens drehen. Und Clooney bekommt wie in O Brother where art Thou (Pepper Dan- und Haarnetzfetisch) und Ein (un)möglicher Härtefall (explizite Sorge um seine Zähne) wieder einige herrliche Marotten an die Hand: Nach dem Sex muss er laufen, keine Frau ist vor ihm sicher, in seinem Keller baut er eigenwillige Apparate (eine der Brüllerszenen im Film!) und seine Paranoia ist alles andere als gesund. Doch Clooney überzeugt auch abseits dieser Marottenszenen mit starkem Timing und erneut formidablem Gespür für Komik. Am meisten bleibt aber sein komplett irrer Abgang aus dem Film im Gedächtnis. Geiler Scheiß!
Clooney selber brachte dann noch zwei Kumpel mit. Zum einen Tilda Swinton, die er bei Michael Clayton kennen lernte und die ihm bei der letzten Oscarverleihung bestätigte: You Rock Man!“ Leider bekommt sie keine Möglichkeit, zu zeigen, wie es um ihre Komikeigenschaften bestellt ist, denn sie wird von den Coens als ernster Gegenpol zu den bekloppten Ereignissen im Film aufgestellt, was sie grandios meistert, sie aber auch ein wenig verkniffen wirken lässt. Clooney Buddy Brad Pitt rockt als Chad dann alles weg. Blonder als Blond dämlackt er sich durch die Handlung und ist für die offensivsten Gags im Film verantwortlich. Ob er 15 Minuten lang aus der Nase blutet, saudämliche Sportübungen durchführt oder von geheimen Scheiß fabuliert, Brad Pitt war in noch keinem Film witziger als in diesem, auch und vor allem, weil er sein Image als Frauenschwarm aufs herzlichste persiflieren darf und den Beweis dafür erbringt, dass in einem schönen Körper nicht zwingend ein gesunder Geist stecken sein muss. Und schlussendlich komplettiert ein seit Jahren ENDLICH mal wieder schauspielernder John Malkovich den Edelcast und versucht als Osbourne Cox im Alleingang den Fucktiradenrekord zu brechen. Dabei passt seine stets etwas manische Art grandios auf seine Rolle und beweist der in höchster Spielfreude auftrumpfende Mime, dass sein komödiantisches Timing absolut hervorragend ist.
Das Ganze bebildern die Coens edel und stilvoll mittels teils extraschräger Kameraeinstellungen auf unaufgeregte Art und Weise, was gar ein wenig das absurde Treiben konterkariert. Genial ist aber Beginn und Ende dieses grotesken Streifens geraten. Hier zoomt man aus dem Weltall hinein in diesen absurden Mikrokosmos seltsamer Knallchargen, verweilt gut 90 Minuten in deren wunderlichem „Alltag“ und zoomt am Ende einfach wieder heraus. Menschlicher Irrsinn, seltsame Marotten und unglaubliche Situationen unter dem Vergrößerungsglas, bis ins Extrem verzerrt ... eine Spezialität der Coen Brüder. Sie entdecken im Normalsten das Skurrile, destillieren es heraus und lassen es ungefiltert und grandios überzeichnet auf den Zuschauer los. Mit ungeahnten Folgen für dessen Zwerchfell.
Burn after Reading ist eine absurde Komödie. Das Zerrbild eines Agentenfilmes, der sich nicht das Parodiesiegel groß auf die Brust heftet. Eine Coen Brothers Moritat voll von ultrabösem Humor, mit einem abgefahrenen Figureninterieur und unglaublichem Handlungsverlauf. Veredelt mit grandiosen Darstellerleistungen, bei denen die großen Namen Pitt und Clooney voller Inbrunst ihr Reallife-Image persiflieren, während Frances McDormand und John Malkovich als größte Gewinner der Aktion Burn After Reading gewertet werden müssen. Doch halt, eigentlich sind wir, die Zuschauer, der große Gewinner, denn Burn after Reading ist einfach geiler Scheiß ...
In diesem Sinne:
freeman