The Nanny Diaries
Scarlett Johansson als Nanny? Da wird die Hose enger 😉 und darum haben wir es hier auch mit einem erstklassigen Chick Flick zu tun, in dem es zwar auch um irgendwas geht, nur was das ist, entfällt einem permanent, wenn die Scarlett auf der Leinwand auftaucht ...
Originaltitel: The Nanny Diaries
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: Shari Springer Berman & Robert Pulcini
Darsteller: Scarlett Johansson, Laura Linney, Donna Murphy, Alicia Keys, Nicholas Art, Chris Evans, Paul Giamatti u.a.
Hallo liebes Tagebuch. Heute war ich im Kino und habe mich verliebt. Ein Mädel, so wunderschön, du glaubst es kaum! Brünettes Haar, volle Lippen, sanfte Augen und ein ebenmäßiges Gesicht vom Allerfeinsten. Dazu ein paar tolle Moppen und irgendwann zog sie extra für mich ihre Jeans runter und präsentierte mir sogar ihre rosa Unterwäsche! Wie, das geht ein wenig zu schnell? Meinst du echt, liebes Tagebuch? Ihr Name? Sie war wohl inkognito da und nannte sich Annie oder auch Nanny, am Ende vom Film habe ich aber herausbekommen, dass sie Scarlett Johansson heißt. Anscheinend ein echter Superstar und bald meine Frau. Ganz bestimmt *schwärm*.
Gut, ok, ganz so schlimm ist es um euren freeman noch nicht bestellt und Tagebuch führt er auch nicht, aber hey, er könnte. Nur würde es da vermutlich um andere Sachen gehen, als in dem fortfolgend rezensierten Streifen.
Dieser berichtet von Annie. Annie beobachtet und studiert gern Menschen und was sie ausmacht. Doch was sie selbst ausmacht, das weiß sie seltsamerweise nicht genau. Wie ihr Leben nach dem College aussehen soll, weiß sie gleich gar nicht. Ihre Mutter sähe sie gern in einem sicheren, grundsoliden Beruf. Inklusive feinem Bürozwirn. Aufgerieben zwischen ihrer Unsicherheit und den Wünschen ihrer Umgebung weiß Annie irgendwann gar nicht mehr, was sie eigentlich will. Da läuft ihr ein 5Jähriger Knirps vor die Füße und die Mutter des Jungen erkennt in Annie mit analytischem Blick eine Nanny! Sie überreicht Annie ihre Karte ... und mit ihr noch eine Vielzahl anderer Mütter. Nanny scheint ein sehr gefragter Beruf zu sein. Und so wird aus Annie eine Nanny. Und zwar für Mrs. X. Diese sieht in Annie eine Leibeigene. Ihr Sohn allerdings sieht in Annie eine echte Freundin. Er ist dann auch der Grund, warum Annie sich durch die despotischen Ungerechtbehandlungen ihrer Arbeitgeberin quält, obwohl sie normalerweise längst hingeschmissen hätte, ist sie doch im Gegensatz zu manch anderer Nanny auf den Beruf überhaupt nicht angewiesen. Und wie als Belohnung durch das Schicksal taucht auf einmal das Harvard Hottie auf, ein süßer Typ, in den sich Annie recht flott verliebt ...
Klingt nach einem echten 08/15 Stoff und ist es irgendwie auch. Doch der Film macht es sich selbst unerwartet schwer. Das Problem ist nämlich, dass Annie die geschilderten Ereignisse beständig aus dem Off kommentiert und dabei den Anspruch hat, eine Art Studie zum Thema snobistische Upperclass zu entwerfen. Da das Ergebnis weder beißend noch satirisch ist, funktioniert dieser Ansatz niemals so recht und mehr noch, er sorgt dafür, dass man als Zuschauer zu Annie als auch zu allen anderen Figuren eine extreme emotionale Distanz aufbaut, da man letztendlich wie Annie die Ereignisse nur nüchtern betrachtet, ohne jemals richtig involviert zu werden. Und immer, wenn der Film kurz davor ist, einen mitzureißen, ertönt Annies Stimme aus dem Off und macht diese Anflüge wieder zunichte. Richtig verwirrend wird es, wenn auf einmal Elemente auftauchen, die man aus Mary Poppins kennt. Etwa, wenn Annie an einem Regenschirm hängend durch New York fliegt und aus dem Off neue Lebensweisheiten zum Besten gibt. Das passt dann nämlich gar nicht mehr mit dem lancierten sachlichen Ton des Filmes zusammen.
Und gegen Ende wird es dann einfach nur noch kitschig. Mrs. X wird belehrt und bekehrt, ihr Mann als Despot und untreuer Lackaffe enttarnt und der einzige Leidende war das Kind, aufgerieben zwischen den Begehrlichkeiten der Eltern. Doch das wird sich ändern. Und die Nanny ist letztendlich auch glücklich. Schon zu Beginn entschuldigt sich Annie bei den Zuschauern dafür, dass es viele Klischees und stereotype Figuren im Film geben würde. Doch das ist dann doch des Guten zuviel. Zumal es eben nicht zu dem distanzierten Einstieg des Filmes passt. Und so pendelt man als Zuschauer beständig zwischen emotionaler Distanz, romantischem Kitsch und seltsamen Fantasymomenten hin und her und findet niemals so richtig in den Film und baut schon gar keine Beziehung zu den Figuren auf.
An diesem Gefühlswirrwarr tragen die Darsteller aber keinerlei Schuld. Dabei sind die Nanny Diaries die Kampfarena für die famos aufspielenden Laura Linney als Mrs. X und Scarlett Johansson als Annie. Scarlett Johansson ist dabei als Nanny einfach nur hinreißend. Wie immer, wenn sie keine Femme Fatale geben muss, ist sie einfach zum Steine erweichen niedlich und schauspielert auch abseits von leicht geöffneten Lippen und verruchten Blicken. So eben auch in den Nanny Diaries, die sie im Grunde auf entzückende Art und Weise alleine trägt und bei denen es ihr sichtlich leicht fällt, alle Sympathien auf sich zu ziehen. Umso mehr, da Laura Linney als Mrs X mit schockgefrorenen Horrorlächeln so hassenswert unsympathisch und hinterhältig daherkommt, dass man sich permanent fragt, wie so ein Unding von Mensch eigentlich überlebensfähig sein kann. Leider bleibt die Zeichnung ihrer Figur bis auf die letzten Minuten sehr einseitig, was sie irgendwann zu einem reinen menschlichen Monster degradiert, dem man sogar gönnt, was ihm alles widerfährt. Hier wären ein paar der angesprochenen Klischees weniger auch nicht verkehrt gewesen.
Im Rahmen des Zweikampfes der beiden Leading Ladys gehen die männlichen Darsteller weitestgehend unter. Paul Giamatti wird als Mr. X leider komplett verschenkt, darf er doch nicht viel mehr sein, als die männliche Ausgabe von Mrs. X. Ein neutraler Contrapart zu der gefühlskalten Mrs. X wäre hier ratsam gewesen, zumal so alle Upperclass Menschen als emotional schwer geschädigt rüberkommen. Chris Evans, einer von Hollywoods derzeitigen Hot Shots, kommt dabei als Harvard Hottie ein wenig besser weg, bleibt als Love Interest Annies aber auch verhältnismäßig blass.
Was bleibt ist eine tolle Show der beiden Hauptdarstellerinnen, die sich nichts schenken und beide sehr gut aufspielen. Dabei gewinnt Scarlett Johansson als niedlicher und wunderschöner Freigeist um Längen, während die Eiseskälte von Frau Linney ein ums andere Mal Staunen macht. Der Film selber, der wie Der Teufel trägt Prada im Nannymilieu anmutet, hat diese tollen Darstellerleistungen im Grunde gar nicht verdient, ist er im Vergleich zum Vorbild doch deutlich weniger witzig und schon gar nicht bissig. Zwar hat er seine Momente, wie das vollkommen befremdliche Nanny – Arbeitgeber Seminar und einige sehr harte Bemerkungen Annies zur Spezies Mensch im Allgemeinen, wirklich mitreißen will einen das Gebräu aus den verschiedensten Zutaten aber nicht – zumal es einen aus eigenem Antrieb heraus ziemlich auf Distanz hält ...
In diesem Sinne:
freeman