Akte X – Jenseits der Wahrheit
Jahre nach Beendigung der TV Serie melden sich unsere liebsten FBI Agenten mit einem neuen Abenteuer auf der großen Leinwand zurück. Das Ergebnis dürfte für so manchen recht ernüchternd ausfallen ...
Originaltitel: The X-Files: I Want to Believe
Herstellungsland: USA
Produktionsjahr: 2008
Regie: Chris Carter
Darsteller: David Duchovny, Gillian Anderson, Amanda Peet, Billy Connolly, Xzibit, Callum Keith Rennie, Nicki Aycox, Mitch Pileggi u.a.
Mulder und Scully … oder besser: Mulder, Scully und der freeman ... eine Bestandsaufnahme. Im September 1994 startete mit „Gezeichnet“ die erste Folge einer Serie im deutschen Fernsehen, die in den folgenden Jahren das Gesicht der TV Landschaft nachhaltig verändern sollte. Doch das konnte damals noch niemand absehen. Freeman schon gar nicht. Aliens? Entführungen durch Aliens? Eine Type, die diese Aliens jagt? Der freeman war alles, nur nicht interessiert. So gingen die ersten Folgen ins Land, ohne dass ich auch nur ansatzweise Notiz von der Serie nahm. Dann ergab es sich eines Tages, dass des freemans Mutter meinte: „Sag mal, schaust du heute auch in Akte X rein? Die Serie finde ich wirklich gut. Sie ist spannend und irgendwo auch witzig.“ Da der freeman immer auf Muttern hört, war die Neugier geweckt. Mein Einstieg: Die am 19.9.1994 ausgestrahlte Episode Das Nest. Bis heute eine der bedeutendsten und besten Episoden der gesamten Reihe, die immer genannt wird, wenn es darum geht, Highlightfolgen der Serie zu benennen!
Damit geriet mein Einstieg mit Folge drei zum einzigen Triumph für den Serienschöpfer Chris Carter und Co. Denn ich war sofort infiziert und mehr noch, ich wurde zum Hardcore X-Phile! Ich sah fortan jede Folge, mehrfach, und mein Zimmer floss vor Akte X Merchandise über. Als angehender Abiturient war für mich vor allem das Pinup für Intelligenzbestien interessant: Dana Scully aka Gillian Anderson. So sah dann mein Zimmer auch aus ... Gillian hier und Gillian da. Und ein freeman, der dank Akte X auch abstruse Vorträge zu halten begann, in deren Verlauf sogar Erich von Däniken Theorien zum Pyramidenbau in Ägypten, der nur mit Hilfe von Außerirdischen möglich gewesen sein konnte, allen Klassenkameraden sinnig erschienen ... der Lehrer selber erwies sich aber als sehr ignorant ... meine erste und einzige 4 in Geschichte war die Folge. Aber hey, Akte X war ja da, um zu trösten 😉.
Dabei erwies ich mich schnell als Fan der Monster of the Week Episoden. Die Mythologieepisoden waren natürlich auch Highlights und boten mit ihren staffelübergreifenden Storyarcs etwas vollkommen Neues in der Serienlandschaft, allerdings spürte man, dass es für die Mythologie keinen Masterplan gab und sie mehr oder weniger von Staffel zu Staffel vorangetrieben wurde. Das heillose Chaos war vorprogrammiert und wurde dann auch in Staffel 7 weitestgehend aufgeklärt und über Bord geschmissen. Man installierte eine neue Mythologie, doch Duchovny war bereits ausgestiegen und man spürte an allen Ecken und Enden die Akte X Müdigkeit der Verantwortlichen. Dies galt glücklicherweise eben fast nie für die Monster of the Week Episoden, die Akte X vor allem nutzte, um zu experimentieren. Bad Blood, der Zirkus, der große Mutato oder ein Zusammentreffen mit Wehrmachtsoffizieren auf einem dahintreibenden Luxusliner ... Akte X versuchte immer, niemals still zu stehen. Dementsprechend erfreut war ich, als ich erfuhr, dass Akte X – Jenseits der Wahrheit als Monster of the Week Episode angelegt war.
Eine absolut schlüssige Entscheidung, denn sechs Jahre nach dem Ende der Serie wird wohl niemand erwarten, dass sich noch irgendwer an die großen Zusammenhänge in Akte X erinnern würde. Die Marschrichtung war also klar: Einen Versuch starten, ein neues Kinofranchise zu installieren.
In diesem Neuanfang wird das FBI von einer Entführungsserie beschäftigt, bei der man nicht wirklich weiterkommt. Als gar eine FBI Agentin entführt wird, wendet man sich an einen „Hellseher“, der erklärt, er habe Visionen von den Entführungsopfern. Da in FBI Reihen keiner an diesen Humbug glaubt, der Hellseher aber dennoch inmitten einer riesigen Schneelandschaft einen abgetrennten Arm punktgenau findet, kommt in den Reihen des FBI der Wunsch nach einem Ex-Agenten auf, der mit seiner Bereitschaft zu Glauben, den Ermittlungen dienlich sein könnte. Also tritt man an Dana Scully heran und bittet sie, Fox Mulder aus seinem Versteck herauszubeordern und ihn zu bitten, die Entführungsreihe aufzuklären. Mulder ziert sich zwar anfangs, doch wir alle kennen ja unseren Mulder. Wenige Augenblicke später ist er wieder Feuer und Flamme für das, was er am besten kann: Verstiegene Theorien entwickeln und Scully nerven ...
Willkommen zurück! Das möchte man Mulder und Scully zurufen, wenn sie das erste Mal im Film wiedervereint sind. Und obwohl der Funke beim X-Phile SOFORT überspringt, könnte das neueste Leinwandabenteuer für das Gros der Kinozuschauer eine echte Belastungsprobe darstellen. Denn objektiv betrachtet hat Chris Carter riesige Probleme das Monster of the Week Szenario aus dem Pantoffelkino auf die große Leinwand zu transferieren. Vor allem merkt man, dass Carter nicht viel zu erzählen hat und er sich darauf versteigt, falsche Fährten zu legen, die nicht wirklich spannend sind. Auch die Abtrennung Scullys von den Ereignissen um die Entführungen ist keine gute Idee, da die Chemie zwischen Duchovny und Anderson gewohnt exorbitant ist und über diverse Längen hinwegzutäuschen vermag. Die Installation des Agentenpärchens Dakota Whitney (Amanda Peet) und Mosley Drummy (Xzibit) ist dann nur noch peinlich, denn hier lanciert Carter einfach nur noch einmal ein Mulder und Scullypaar unter umgedrehten Geschlechtsvorzeichen. Wobei vor allem Rapper Xzibit als männliche Scully im Zuschauer nur Aggressionen hervorruft, was auf seine enorm limitierte Darstellerleistung zurückzuführen ist. Auch fällt auf, dass Carter zwar enorm atmosphärisch und versiert inszeniert, dabei aber Atmosphäre und Spannung gleichsetzt. Beides kann sich zwar gegenseitig bedingen, ist aber eben NIEMALS ein und dasselbe. Und so geht dem zweiten Kinoausflug unserer Lieblings FBI Beamten vor allem eines ab: Eine echte Spannungskurve und allgemein wirkliche Höhepunkte. Vor allem der Showdown verpufft geradezu wirkungslos auf der Leinwand ...
Das sind alles Punkte, die dem X-Phile definitiv auffallen, doch ganz ehrlich, die werden wohl kaum wegen den Qualitäten des Filmes ins Kino strömen. Wir wollen vor allem eines sehen: Mulder und Scully ... und wie sie interagieren. Und es funktioniert! Von Minute eins an ist es wieder da: Dieses Knistern zwischen den beiden Figuren, diese unergründliche erotische Anziehung, diese Energie ... dieser magische Funke, der schon einer der größten Pluspunkte der Serie war. Und als hätte diese nie pausiert, gehen Duchovny und Anderson hier wieder umgehend in die Vollen und lassen ihre Figuren leben und nehmen den Zuschauer umgehend wieder gefangen. Anderson mit ihren kühlen Erotik und ihrem unbedingten Willen, nicht zu sehr zu einem Mulder Nummer zwei zu werden und Duchovny mit dem Humor, den er in der Serie erst recht spät richtig integrieren konnte, der aber herrlich trocken und lapidar daherkommt. Und dass er irgendwann in den Entführungen Parallelen zu seiner Schwester sehen würde, war ja sicher jedem von Anfang an klar. Mulder, wie er leibt und lebt ...
Wie er leibt und lebt? Moment! Denn genau bei Mulder gibt es auch ein riesiges Problem: Mulder klingt wie ... Ben ... Assleck!!! Und damit ein großes Dankeschön an die Fox! Leute, wir reden hier nicht von einem Scheißfranchise, das nach zwei Staffeln abgesetzt wurde. Wir reden von einem Franchise, das 9 Staffeln erlebte, dank Wiederholungen mehr als 10 Jahre präsent war, einen sehr erfolgreichen Kinofilm lancieren konnte und mit Millennium, Harsh Realms, Pretender, Dark Skies, Third Wave und Co. unzählige Ableger und Nachahmer fand. Wie kann man glaube, dass ein Sprecherwechsel hier nicht so schlimm sein könnte? Vor allem, da Benjamin Völz „seinen“ Mulder mit seiner langsamen und ruhigen Stimme prägte! Und jetzt steht da David Duchovny und klingt nach Ben Assleck ... und der Sprecher spricht so verzweifelt, so gepresst, dass man das Bemühen aus jeder einzelnen Silbe heraushört, es aber einfach nicht funktioniert! Zu keiner Sekunde! Und wo wir gerade die Fox bashen: Akte X – Jenseits der Wahrheit ... Was ist denn jenseits der Wahrheit? Die Doppelwahrheit? Eine Metawahrheit? Die Lüge? Hallooooooo? Irgendwie scheinen Aliens ein paar Hirne in den Fox Etagen entführt zu haben ...
Doch zurück zum Film. Dieser gerät für den echten X-Phile zu einem anspielungsreichen Akte X – Trivia, das vor Verweisen auf die Serie förmlich überläuft. Seien es Hinweise zu serienimmanenten Inhalten wie die Suche nach Mulders Schwester, das Schicksal von Scullys und Mulders Sohn William oder das Auftauchen von Skinner gegen Ende des Filmes. Diesen ganz ofensichtlichen „Anbiederungen an die X-Philes“ stehen dann kleine und kleinste Momente gegenüber. Einmal fährt man die Manners Street hoch. Kim Manners trat in Staffel zwei als Produzent und Regisseur in Erscheinung und blieb dem Franchise jahrelang erhalten. Dann befragt man einen Zeugen in Nutters Feed. David Nutter war Regisseur der ersten Stunde bei Akte X und erschuf mit „Dich kriegen wir auch noch“ einen Paranoia Teenslasher im Akte X Fahrwasser. Wenn Mulder sein Handy anschaltet, sehen wir, wen er da so gespeichert hat: Shiban und Gilligan fallen dem Kenner sofort auf: John Shiban und Vince Gilligan stießen als Drehbuchautoren und Produzenten zu der Show, als sich Chris Carter vermehrt mit seinem Zweitfranchise Millennium beschäftigte. Und irgendwann sitzt sogar Chris Carter himself mit einer Tasse Suppe in einem Krankenhausgang. Kurzum, die Anspielungen sind Legion und als X-Phile wird man hier mehr als nur ein wenig fündig!
Und man muss auch umgehend schmunzeln, wenn der Film endet, denn Carter lässt sich nach wie vor nicht so recht in die Karten schauen. Viel muss man sich selber zusammensuchen, vor allem das Wie und Warum bleibt vollkommen rätselhaft und was aus Scullys Storystrang wird, ist auch alles andere als klar. Und auch wenn die Monster of the Week Story zu einem Ende gebracht wird, stellt sich eben sofort der Wunsch nach mehr ein. Fragen müssen geklärt werden und vor allem wollen wir sehen, was aus Mulder und Scully wird ... Hier sei ALLEN empfohlen, bis nach den Abspann hocken zu bleiben. Hier gibt es eine sehr witzige Szene mit den Beiden zu sehen.
Was bleibt, ist ein Film, der objektiv gesehen vor Problemen überläuft. Es fehlt an Höhepunkten, an Spannung, einer stringenten Geschichte und es wird viel zu viel gelabert und zu wenig gehandelt. Dementsprechend wird das Franchise mit diesem Film definitiv KEINE neuen Fans hinzugewinnen. Doch für den wahren X-Phile ist dieser Film ein anspielungsreiches Geschenk und ein Wiedersehen mit Charakteren, die man über die Jahre lieb gewonnen hat. Dabei wird jeder Fan zugeben müssen, dass Akte X – Jenseits der Wahrheit im Vergleich zu den echten Serienhöhepunkten deutlich abfällt … egal wie sehr man die Erwartungen anzupassen und die nostalgischen Erinnerungen abzumildern versucht. Und so wurde auch bei dem alten X-Phile freeman die Sucht nicht wirklich neu entfacht, aber für knapp zwei Stunden fühlte sich eben alles ganz gut an.
In diesem Sinne:
der die Akte X Melodie summende X-Phile freeman ...