The Eye
Jessica Alba als Sydney im neuesten Asiaremake eines Pang Brothers Streifens ... Muss man(n) sehen? Klar!
Originaltitel: The Eye
Herstellungsland: USA
Produktionsjahr: 2008
Regie: David Moreau, Xavier Palud
Darsteller: Jessica Alba, Alessandro Nivola, Parker Posey, Rade Serbedzija, Simon McCullough, Fernanda Romero, Rachel Ticotin, Obba Babatundé, Tamlyn Tomita u.a.
Seit ihrem fünften Lebensjahr ist Sydney aufgrund eines Unfalles mit Feuerwerkskörpern blind. Über die Jahre hat sie sich in ihrem Leben ohne Augenlicht eingerichtet. Eine Hornhauttransplantation im Teenageralter brachte kein wirklich greifbares Ergebnis, da Syds Körper die fremde Hornhaut abstieß. Doch nun ist es an der Zeit für einen neuen Versuch und scheinbar geht alles gut. Sydney gewinnt Tag für Tag ihre alte Sehkraft zurück. Doch leider fällt es ihr schwer, sich in diesem neuen Leben mit Augenlicht zurechtzufinden, zumal sie Erscheinungen hat, die sie glauben lassen, sie würde tote Menschen sehen können.
The Eye ist ein Remake des gleichnamigen asiatischen Gruslers aus der Kreativschmiede der Pang Brothers, die ihrem Erstling bereits einige Fortsetzungen folgen ließen. Diese gerieten auch über den asiatischen Kulturkreis hinaus zu veritablen Geheimtipps und ließen Hollywood aufhorchen. Die Amerikaner verpflichteten die beiden Franzosen David Moreau und Xavier Palud, die unlängst mit Them aufs Beklemmendste bewiesen hatten, dass sie sich auf guten atmosphärischen Horror verstehen und somit Adresse Nummer eins für ein Remake eines asiatischen Atmohorrorstreifens waren. Und im Großen und Ganzen können sie das in sie gesetzte Vertrauen durchaus bestätigen.
Der Hauptgrund dafür ist, dass sie einen Film erschaffen, der für ein westliches Publikum deutlich zugänglicher daherkommt, als das teils doch etwas kryptische Original. Gleichzeitig erweisen sie der Vorlage ausreichend Respekt und verwässern es nicht zu sehr bzw. stimmen es nicht zu sehr auf amerikanische Sehgewohnheiten ab. Dabei übernehmen sie manche Szenen des Originals fast 1:1 und verändern das Figureninterieur so gut wie gar nicht. So übernehmen sie zugleich einen großen Teil der Stärken des Originals und versuchen so manche Schwäche zu umgehen. Dabei drücken sie vor allem mehr aufs Tempo als die Pang Brothers, die vor allem im Mittelteil ihres Streifens einige sehr gemächliche Phasen eingebaut hatten. Die Folge ist, dass die Neuinterpretation des Stoffes griffiger und stringenter daherkommt. Doch ist sie auch wirklich besser?
Dies liegt wie so oft im Auge des Betrachters. Das erhöhte Erzähltempo ist aber definitiv genauso ein großer Vorteil wie die deutlich plausibler aufgezogene Geschichte, die zwar mittels etwas ungelenken Offkommentars fast schon tot erklärt wird, aber in sich recht schlüssig ist. Problematisch wird es bei so manch grandioser Schockszene des Originals. The Eye der Pang Brothers hatte Szenen, die unglaublich lange nachhallten. Vor allem die Szene in dem Fahrstuhl, mit dem auf die Hauptfigur zuschwebenden Geist, blieb mir persönlich jahrelang als wohlig schauerndes Filmerlebnis in Erinnerung. Eine derartige Gänsehaut hatte ich lange nicht. Doch in der Neuauflage, die einige dieser Schocks eben szenengenau wiederholt, funktionieren manche Schockeinlagen gar nicht. Gerade die Fahrstuhlszene verpufft geradezu vor dem Auge des Zuschauers. Hier funktioniert gar nichts! Der sonst so brachiale Score von Marco Beltrami lärmt die Szene zu Tode und die Regisseure wählen einfach komplett falsche Perspektiven zum Umsetzen dieser Einlage. Auch ist die Szene viel zu schnell vorbei.
Glücklicherweise geschehen den beiden Franzosen derartige Fauxpas nur selten und immer wenn es ihnen gelingt, Szenen zu lancieren, die sich eben nicht über Tonspurlärm ins Gedächtnis des Zuschauers einhämmern wollen, punkten sie auf ganzer Linie! So beispielsweise in den subtilen Szenen, in denen Sydney feststellt, dass mit ihrem Spiegelbild etwas nicht stimmt. Auch ist die Erklärung der Geschichte um die mexikanische Spenderin der Hornhäute deutlich schlüssiger und im Gesamtkontext sinniger als im Original. Obendrein wird auch diese Szenenfolge deutlich geradliniger und temporeicher umgesetzt als im Original, wo es mit der Ankunft in Thailand schon einen ordentlichen Spannungseinbruch zu verzeichnen gab. Folglich gibt es in der Neuauflage von The Eye viele Szenen, die dem Original unterliegen, aber es gibt eben auch viele Momente, in denen das Remake definitiv zu punkten versteht.
Das Ende unterstreicht diesen Eindruck am Besten. Im Original wirkt der Showdown einfach seltsam willkürlich und vom Film losgelöst. Als hätte jemand bemerkt, dass der Film mit 75 Minuten zu kurz ist und man noch Geld über hatte, für eine große Szene. Und die gibt es dann auch. Eine gigantische, überwältigend apokalyptische Szene, die neben aller Brutalität und Brachialität etwas Wunderschönes innehat. In der Neuauflage gibt es auch ein gigantisches Ende. Doch es funktioniert gänzlich anders. Denn im Vergleich zum Original ist es absolut stringent in die Handlung eingebettet und mittels diverser Erklärungen absolut „logisch“ - um nicht zu sagen zwingend - in die Story integriert. Leider ist es hier aber nicht mehr apokalyptisch, sondern viel zu sehr in Richtung Happy End bugsiert. Denkt man Vor- und Nachteile beider Enden einfach weiter, ergibt sich, dass die Schnittmenge aus beiden Filmen vermutlich genau der Überfilm wäre, den man nun bei beiden Filmen im Einzelnen nicht bekommt. Denn der neue Film The Eye negiert manche Schwäche des Originals, macht genau dasselbe aber auch mit mancher Stärke.
Zumindest auf technischer Basis sind beide Filme absolut ebenbürtig. Edel und stylisch wird das Remake umgesetzt. Die Regisseure David Moreau und Xavier Palud versuchen gar nicht erst, die einzigartigen Bilderwelten der Pang Brothers zu imitieren, sondern setzen auf ihren eigenen Stil. Dieser biedert sich gar nicht erst an das amerikanische Publikum an, sondern versucht durchaus auch europäische Elemente in den Film einfließen zu lassen. Die Folge sind farbsatte, intelligent durchkomponierte Bilder, die durch wenige, sinnvoll eingesetzte CGIs bereichert werden und vor allem extrem gewitzt mit Unschärfeeffekten arbeiten, um die Sichtweise von Sydney nachvollziehbar zu machen. Auch so manch edle Kamerafahrt verirrte sich in The Eye. Im Mexikoteil schaltet man dann leider in den Klischeepart und packt einfach nur einen dicken Braunfilter auf die Bilder. Hier hätten sie vielleicht mal etwas anderes probieren sollen. Witzigerweise setzten auch die Pang Brothers den zum Mexikoteil des Remakes analogen Thailand Teil ihres Streifens mit dicken Braunfiltern um. Musikalisch unterliegt dann das Remake. Marco Beltrami zimmerte für das Remake zwar einen wirklich fetten Horrorscore zusammen, dennoch unterliegt er dem Original, das hier mit deutlich subtileren Einlagen punktete, deutlich.
Schauspielerisch nehmen sich beide Streifen nicht viel. Jessica Alba macht, was Lee Sin-Je im Original machte: Sie sieht einfach toll aus. Schauspielern muss sie eigentlich nicht. Darstellerisch punktet sie dabei wie ihre Vorgängerin vor allem in den Momenten, in denen sie ihr Leben neu organisieren muss und die Welt um sich herum neu entdeckt. Auch die horrorlastigen Parts gehen Jessica gut von der Hand. Einzig die gefühligeren Momente wirken noch immer ein wenig steif. Aber hey ... das wird schon noch 😉. Alessandro Nivola (I Want You) leidet darunter, dass seine Rolle als Arzt der Hauptfigur im Vergleich zum Original deutlich verkleinert wurde. So findet er niemals richtig in den Film hinein und mutet recht blass an. Dasselbe gilt für Parker Posey, bei der ich den Eindruck hatte, ihre Rolle als Schwester der Hauptfigur sei im Vergleich zum Original ausgeweitet wurden, was aber auch daran liegen mag, dass ich die gute Frau wirklich überhaupt nicht mag.
Das Ergebnis ist ein Streifen, der nahe legt, Remakes asiatischer Streifen lieber in europäische Hände zu legen, denn sie von Amerikanern überinszenieren zu lassen. David Moreau und Xavier Palud retten viele Pluspunkte des Originals fast 1:1 in ihr Remake hinüber und schaffen es sogar, so manche Schwäche des Originals zu negieren. Doch wie bereits aufgedröselt, bauen die beiden Franzosen ihrerseits durchaus auch neue Schwächen in den Streifen ein und verlieren vor allem in letzter Konsequenz in ihrem zu harmlosen Finale deutlich gegenüber dem Vorbild … In der Summe seiner Teile wiegen wie bereits im asiatischen Original die Stärken die Schwächen des Streifens auf und lässt The Eye einen nett unterhaltenen Zuschauer zurück … Nicht auszudenken, was The Eye für ein Film sein könnte, wenn er die Pluspunkte der Pang Brothers mit denen der beiden Franzosen vereinen könnte …
In diesem Sinne
freeman
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