Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Indiana Jones ist nach 19 Jahren endlich wieder auf der großen Leinwand unterwegs und geht den Mysterien der Welt auf den Grund. Leider ist diese Neubelebung des Blockbustergiganten mysteriös enttäuschend geraten ...
Originaltitel: Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: USA
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Harrison Ford, Cate Blanchett, Karen Allen, Shia LaBeouf, Ray Winstone, John Hurt, Jim Broadbent, Andrew Divoff u.a.
1977: George Lucas hatte gerade die Dreharbeiten zu „Star Wars“ hinter sich gebracht und trachtete nach Erholung. Dabei traf er seinen Kumpel Steven Spielberg. Jener war noch vollkommen abgespannt von den Dreharbeiten zu seinem epochalen „Unheimliche Begegnung der dritten Art“. Und worüber reden zwei kreative Köpfe beim Ausspannen? Klar, über die Arbeit. Einen James Bond Film wolle er drehen, meinte Steven Spielberg. Lucas erwähnte umgehend seine Träumereien in Bezug auf ein Projekt namens Indiana Smith, das auf den Serials (quasi eine Vorform der Comics) längst vergangener Zeiten beruhen sollte. Warum nicht einfach beides verbinden? Dazu einen etwas klangvolleren Namen und schon war er geboren: Indiana Jones. 1981 preschte dieser dann in seinem ersten Leinwandabenteuer „Jäger des verlorenen Schatzes“ der Bundeslade hinterher. 1984 verschlug es ihn in den „Tempel des Todes“ in Indien, wo er ein zeitlich vor Teil I angesiedeltes Abenteuer erlebte, nur um in „Der letzte Kreuzzug“ mit seinem Vater den Nazis den heiligen Gral abzuluchsen. Das war 1989 und obschon der erfolgreichste Teil der Reihe, wurde es daraufhin um Indy etwas ruhiger.
Zumindest auf der großen Leinwand, denn George Lucas ließ sein Kind – wie so oft – nicht los. Die Folge waren unzählige Videospielumsetzungen, bergeweise Literatur in Form weiterführender Romane und Comics und natürlich die seinerzeit teuerste und hochgradig ambitionierte Indiana Jones Serie, die die Kindheits- und Jugendjahre unseres beliebtesten Archäologen beleuchtete und sogar mit einem Gastauftritt von Harrison Ford aufwarten konnte. Unbestrittenen Atmosphärehöhepunkten bei den Geschichten um die Schlacht bei Verdun standen hier Folgen puren Slapsticks gegenüber und zeigten: Das Franchise war alles andere als tot. Dennoch reichte es nie für einen weiteren Leinwandausflug. Da machten Filme wie „Die Mumie“ und ihre Fortsetzung oder die „National Treasures“ Reihe mit Nicholas Cage deutlich, dass das Publikum noch immer in Abenteuerfilme strömt, wenn die Schauwerte stimmen. Und plötzlich kamen auch wieder Pläne für einen neuen Indy auf. Doch diese kamen und gingen wie die Jahreszeiten. Bis ... ja bis Harrison Ford Höchstselbst auf den Tisch schlug und ankündigte, dass wenn das Projekt nicht bald konkrete Formen annehme, er Bullenpeitsche und Fedora Hut fortan für immer an den Nagel hänge.
Eile war geboten. Und genau diese bekommt dem neuen Abenteuer nun so gar nicht. In selbigen erleben wir, wie sich Indiana Jones ein Wettrennen mit den Russen um ein seltsames Artefakt liefert, das den Weg zu einer verloren geglaubten goldenen Stadt (El Dorado) weisen könnte. Diese Geschichte siedelte man 19 Jahre nach Teil III an und verschweigt somit nicht, dass auch im realen Leben seit dem letzten Abenteuer 19 Jahre vergangen sind. Dementsprechend ist auch Indy in die Jahre gekommen, weigert sich aber standhaft, sich auf sein Altenteil zurückzuziehen. Und sieht man die ersten 105 Minuten wünscht man sich auch, dass dies nie geschehen möge. Zwar gibt es schon in diesem Abschnitt des neuen Indyteils gravierende Schwächen und Probleme, doch hier fühlt sich alles noch absolut richtig an! Der Film beginnt mit einer irren Szenenfolge um Russen auf dem amerikanischen Kontinent, die ein geheimes Militärlager der Amerikaner besetzen und einen stark magnetischen Gegenstand suchen. Ihr Führer: der entführte Indy, der den Russen auf gewohnt bärbeißige Art bei ihrer Suche hilft. Unfreiwillig, versteht sich. Im Nachhinein wünscht man sich, Indy hätte einmal den Gegenstand, den die Russen gesucht haben, genauer inspiziert, vielleicht wäre er dann nur kopfschüttelnd aus dem Film verschwunden. Aber na ja, er bleibt und zerlegt neben diversen Russen auch gleich noch ein Atombombentestgelände. Das ist so überkandidelt und mit einem derart genialen Timing inszeniert, dass dem actionhungrigen Publikum der Unterkiefer automatisch nach unten klappt.
Doch schon das Ende dieser Szenenfolge sorgt für erstes echtes Unbehagen. Eine Atombombenexplosion und Indy schaut fasziniert in den Pilz, während sich die Silhouette des Charakters in die Netzhaut des Zuschauers brennt. Ist das noch federleichtes, unschuldiges und vor allem unbeschwertes Blockbusterentertainment? Eigentlich nicht. Und diese Verschiebung im Ton wird dem Film mehr und mehr zur Crux werden, vor allem in Hinsicht auf den Showdown. Nach diesem seltsam nachdenklich zurücklassenden Einstieg entspannt sich vor unseren Augen Indy at it’s Best. Überkandidelte Schurken (Sind die Russen vielleicht sogar die besseren Nazis? So hinterhältig, wie sie Vokale verdunkeln?), schlitzohrige und vor allem hochtourige Action und ein genialer One Liner nach dem anderen lassen den Zuschauer mehr und mehr vergessen, dass der Film ganz offensichtlich auf ein Ende zusteuert, das recht abstrus werden könnte. Denn Hinweise, was da kommen wird, gibt es viele. Doch wahr will man es einfach nicht haben und so genießt man jede Minute des auf old School getrimmten Kinotraumes, der einen zurück in die eigene Kindheit befördert, wo man aufgrund der hohen Freigabe der Vorgänger Indiana Jones eigentlich gar nicht hätte kennen dürfen ... Eigentlich.
Doch auch in diesen Momenten, wenn Indy wie eine geschmierte Maschine läuft, tun sich diverse Probleme auf. Zum einen funktioniert Irina Spalko kein Stück als Oberbösewicht. Das liegt auch und vor allem an Cate Blanchett, die doch extrem verloren wirkt in diesem riesigen Blockbustervehikel und die irgendwann vergessen zu scheint, dass ein Bösewicht sich nicht nur über eine Kackfrisur, einen Degen und ihren Akzent definiert, sondern auch mal böse sein sollte. Also so richtig. Klar, das Drehbuch gesteht ihr nicht einmal ein vernünftiges Motiv zu (Gädangekondrolä fur Genosse Stalin? LOL), ein Grund zu kapitulieren ist das aber nicht wirklich. Dafür richten ihre linken und linken Hände (rechte Hand wäre wohl ideologisch nicht korrekt 😉 ) hier wieder einiges und machen als Backenfutterlager für Indys Fäuste allesamt einen guten Job. Ein weiterer Schauspieler, der nicht funktioniert, ist der von Spielberg massiv als zukünftiger Star aufgestellte Shia LaBeouf. Sein Charakter soll wohl die coolste Sau auf Gottes weitem Rund darstellen. Blöd nur, dass LaBeouf alles Mögliche ist, nur nicht cool. Eher pomadig, linkisch und fahrig. Obendrein will die Chemie zwischen ihm und Ford einfach nicht funktionieren. Viele Sprüche und Gespräche zwischen den beiden laufen komplett ins Leere und sind nicht einmal ansatzweise ein Ersatz für das geniale Vater Sohn Gespann in Teil III.
Und weil’s gerade so schön ist. Auch Ray Winstone als Mac ist sehr schwach. Der immer wieder hoch gelobte Mime findet NIEMALS in den Film. Sein Charakter ist ein schlechter Witz, die Wendungen um ihn herum wirken kurios unbeholfen und über die Maßen willkürlich. So mutiert Mac recht schnell zu einem echten Störfaktor. Doch glücklicherweise ist da ja noch Harrison Ford. Es fällt schwer zu sagen, Ford spiele Indiana nicht, sondern er sei Indiana, da Ford ja auch Han Solo und Deckard (Blade Runner) ist, aber Harrison Ford ist nun mal Indy 😉. Und er fühlt sich sichtlich wohl in der Rolle, zumal seine schauspielerischen Defizite, die ihm immer wieder nachgesagt werden und die er selber einmal konterte mit: „Schauspielen ist die Kunst, sich nicht beim Spielen erwischen zu lassen!“, seinem Indy eben genau den linkischen Charme geben, der ihn weltberühmt gemacht hat. Das schiefe Lächeln, die schalkhaft blitzenden Augen, der panische Blick angesichts von Schlangen ... Ford spielt, als habe er den Charakter nie abgelegt und er ist absolut mit Spaß und Engagement bei der Sache. Und wenn dann auch noch Karen Allen als Marion Ravenwood in den Film findet und die Liebeleien aus Teil I wieder frotzelnd aufleben dürfen, beschert dies dem Film seine besten, weil witzigsten und wahrhaftigsten Momente.
Und auch wenn einige geheimnisvolle Einlagen seltsam unaufgelöst verpuffen (Irgendjemand war kurz vor uns hier, heißt es zweimal im Film. Wer das war, wird NIE geklärt!) und man sich noch ein paar handfeste Actioneinlagen mehr gewünscht hätte, Indy 4 macht hier einfach einen riesigen Spaß! Egal wie abgehoben manche Over the Top Actioneinlagen auch sein mögen, sie stehen in der Tradition der Reihe und wirken einfach absolut liebevoll ausgearbeitet und umgesetzt. Gerade die Verfolgungsjagd durch den Dschungel strotzt vor irrsinnigen, so noch nie gesehen Details und bietet vor allem Janusz Kaminski eine gigantische, überlebensgroße Bühne zum Wirken. Was Janusz Kaminski in den temporeicheren Momenten für Kamerafahrten abfackelt, ist schlich unglaublich. Eine dermaßen dynamische Kameraarbeit habe ich zuletzt maximal in 3 D Animationsfilmen gesehen – nur mit dem Unterschied, dass bei 3 D Animationsfilmen keine realen Beschränkungen wie die Schwerkraft usw. vorhanden sind. Doch diese scheint Kaminski für die Actionkapriolen in Indy 4 einfach komplett auszuhebeln. Die Folge sind diverse Schauerabgänge bei einigen mehr als genialen Kamerafahrten und Kameraspielereien. Und obschon sich dies alles einen Zacken zu spektakulär anzuhören scheint, es passt einfach hervorragend auf den Film, der ansonsten optisch genau den Look verpasst bekommen hat, der dafür sorgt, dass sich Indy 4 mühelos in die bisherige Reihe integriert. Abseits der Action bleibt man demzufolge herrlich altmodisch. Die Schnittfrequenz ist moderat, die Kamera wackelt nie, die sepiafarbenen Bilder wirken edel und genau durchdacht und im Grunde sind die Naturpanoramen die eigentlichen Hauptdarsteller. Ganz großes Kino. Zum Score von John Williams muss man da gar nicht viel sagen. Wer bei Erklingen der Indyhymne nicht sofort mitsummt, hat eh nichts in diesem Film verloren! PUNKT!
Kurzum: Indy hat einige Schwächen, doch welcher Blockbuster schafft es schon, alle zufrieden zu stellen? Seht ihr. Doch leider, leider, leider geht der Film länger als 105 Minuten. Und wer weiß, was Herrn Spielberg und Herrn Lucas geritten hat, aber die letzten 20 Minuten sind ein einziges Ärgernis. Alles beginnt so herrlich. Indy sucht mit seinen verbliebenen Freunden nach der Quelle des seltsamen Artefaktes, das er irgendwann aufgeglaubt hat, und gelangt zu einer alten indianischen Pyramidenstadt. Hier wird er von Eingeborenen gejagt, es gilt herrliche Fallen/Mechanismen zu überwinden und das Fanherz schlägt immer hektischer und dann ... dann macht es *plumps*. Die Befürchtungen, die man die letzten 105 Minuten immer wieder zu verdrängen suchte, werden wahr. Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels wird zu Akte X oder eben zu Unheimliche Begegnung der dritten Art 2. Mit allem, was dazu gehört. Spielbergaliens, metaphysisches Geblubber, ein seltsames Ende für Irina Spalko. Und mit jeder Sekunde mehr Effektgetöse aus den Rechenknechten von ILM, das den Film auf einmal mit einer dicken Schicht glatter und langweiliger Special Effects zukleistert, wird einem bewusst: Indiana Jones findet hier nicht einfach nur das Roswell Alien und auch El Dorado spielt absolut keine Rolle mehr. Nein, hier wird einfach in den Gigantomaniemodus geschaltet und ein recht seltsames Ende lanciert, auf das man zwar beständig hinarbeitete, dafür aber den geerdeten Ansatz von Indy komplett ausblendet. Klar, Indy und Fantastik, das gehört einfach zusammen. Aber Indy und glatte CGI Aliens mit finsteren Augen in einem wild rotierendem Raumschiff? Neee! Und plötzlich fühlt man sich seltsam fremd. DAS ist nicht unser Indy. Das ist ... das ist ... Schrott.
Glücklicherweise endet das ganze Spektakel einigermaßen versöhnlich und mit einem Hinweis, dass Indy wohl definitiv nicht bereit ist, seinen Hut an den Nagel zu hängen. Schon gar nicht zugunsten von Milchbubi Shia LaBeouf. Doch irgendwie nimmt man das gar nicht mehr so recht wahr. Wie betäubt stellt man fest, dass die letzten großen Wiederbelebungen von Filmreihen, die einst die Kindheit bestimmten (Terminator, Rocky, Rambo), allesamt besser und lohnender für die Fanseele waren als dieser Film. Im Grunde hat nur George Lucas selber einen noch schlimmeren Wiederbelebungsversuch eines Franchises verbrochen. Und wenn Indy zu Ende ist, fragt man sich direkt, warum eigentlich nicht auch noch Jar Jar Binks mal vorbeigeschaut hat. Verwundert hätte es einen nicht wirklich ...
Was bleibt ist Ernüchterung. Auf keine Fortsetzung habe ich mich mehr gefreut als auf Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels. Im Grunde konnte diese enorme Erwartungshaltung wohl in jedem Fall nur enttäuscht werden, doch das wäre dann ja mein persönliches Problem gewesen. So kreieren aber die Verantwortlichen selbst dieses ungute Gefühl in der Magengegend ... und das nach einem so herrlich stimmigen und mit großen Augen goutierten Einstieg. Bis zum Showdown war wirklich alles perfekt. Das Indy Gefühl war da, die Action ein Fest, die Schauwerte gigantisch und Harrison Ford absolut in Topform ... Doch dann ... ALIENS … au weh …
In diesem Sinne:
freeman