Der Nebel
Originaltitel: The Mist
Herstellungsland: USA
Produktionsjahr: 2007
Regie: Frank Darabont
Darsteller: Thomas Jane, Marcia Gay Harden, Laurie Holden, Andre Braugher, William Sadler, Alexa Davalos u.a.
Eines Abends bricht ein verheerendes Unwetter über ein kleines Örtchen in Maine herein. Am nächsten Tag reagieren die Bewohner mit Hamsterkäufen, immerhin weiß man ja nie, was da noch kommen könnte. Infolgedessen versammelt sich die gesamte Gemeinde im örtlichen Supermarkt und wird Zeuge, wie vom See her eine dichte Nebelbank auf den Ort zukriecht. Aus ihm heraus schält sich ein panisch schreiender Mann, der verkündet, dass etwas in dem Nebel sei. Eiligst verbarrikadiert man sich im Supermarkt und harrt der Dinge, die da kommen. Im Angesicht immer neuer Schreckgestalten, die mit dem Nebel kommen, beginnt sich die Gruppe der Eingeschlossenen aufzuteilen. In einen rationalen Teil und einen religiös verblendeten. Die religiösen Eiferer beschließen dabei recht schnell, dass nur Menschenopfer die Kreaturen des Nebels besänftigen können. Spätestens als der Sohn vom Anführer der rationalen Gruppe auserkoren wird, geopfert zu werden, stemmen sich die klar denkenden Menschen gegen alle Widerstände und wollen fliehen ...
Frank Darabont und Stephen King. Aus dieser Kombination sind bisher zwei echte Meisterwerke erwachsen, die vor allem die ungewohnten Seiten des Stephen King'schen Mammutwerkes herauskehrten. Die Verurteilten und The Green Mile entpuppten sich dabei als großartige Schauspielerbühnen und menschlich zutiefst bewegende Werke, die lange nachwirkten. Also durfte man schon mehr als optimistisch an die neueste King/Darabont Kollaboration herangehen. Doch oh weh, auch ein Könner wie Darabont scheitert an einem eher grusellastigen Stoff des Vielschreibers und bekommt seinen Film lange Zeit nicht in den Griff. Dabei sind die enormen Parallelen zu dem John Carpenter Klassiker The Fog gar nicht einmal das größte Problem, da beide Werke eine andere Herangehensweise ans Thema haben. Denn wo Carpenter eine im Grunde sehr simple Geistergeschichte enorm effektiv umsetzte, legen Darabont/King bei ihrer Geschichte den Fokus auf Punkte wie Aberglauben und das Böse im Menschen selbst. Leider ist nun gerade dieser Ansatz auch alles andere als neu und reiht sich der Nebel darum in eine ganze Reihe von Horrorfilmen ein, die unmissverständlich klar machen, dass der Mensch sich immer noch selbst der größte Feind ist. Dass dabei auch vom Menschen geschaffene Institutionen wie Religion und Politik eine Rolle spielen, hilft dem Streifen zumindest die Abstraktionsebene ein wenig zu verallgemeinern und nicht nur auf der Natur des Menschen herumzuhacken. Interessanter werden die Grundaussagen vom Nebel dadurch aber nicht.
So schleppt sich der Nebel vor allem in den ersten hundert Minuten doch ziemlich zäh über die Runden und fällt es dem Zuschauer immer schwerer, einigen extrem ausgewalzten und zunehmend redundanteren Szenen zu folgen. Hier kommt dann vor allem aus meiner Sicht ein Punkt hinzu, der die ersten zwei Drittel des Streifens zu einer echten Geduldsprobe machte. Ich - freeman - hasse religiöse Eiferer in Filmen. Und glaubt es oder glaubt es nicht, als Marcia Gay Harden in dem Film zum ersten Mal den Mund aufmachte und die Schlagworte Gott, Bibel und Sünde fielen, skandierte ich lauthals ein "Schmeißt die Alte vor die Tür!!!". Das Kinopublikum reagierte zwar noch amüsiert, doch mit jedem weiterem Auftritt von Frau Harden wuchs die Unruhe im Kino. Am Ende ihres wirklich schrecklichen Auftrittes, der in Overacting ersäuft und derartig an den Nerven zerrt, dass man förmlich spürt, wie die Aggression in einem aufsteigt, brach dann das gesamte Kino in Jubelarien aus. Auf der einen Seite ist damit Frau Harden schon irgendwo absolut genial, da sich die Gefühle der rationalen Figuren gegenüber ihrem Eifer unisono auf den Zuschauer übertragen. Aber ganz ehrlich, es war einfach unerträglich anzuschauen und wegen ihr werde ich mir den Nebel auch nie wieder zu Gemüte führen. Dann schon lieber dumme Horrorfilme mit altklugen Kindern.
Dank des bereits angedeuteten schleppenden Tempos, einiger arg langweiliger Szenen und Frau Harden gerät der Nebel in den ersten 100 Minuten zu einer echten Gedulds- und Gemütsprobe und obendrein beginnen sich die Fragen zu mehren, wie der Streifen ein halbwegs plausibles Ende gestemmt bekommen will. Die Erklärung für die Vorgänge ist dann irgendwo eher Science Fiction denn Horror und verlangt vom Zuschauer auch einiges an Verständnis/Entgegenkommen ab. Obendrein werden durch die Erklärung einige Fragen aufgeworfen, die der Nebel nicht einmal ansatzweise zu klären vermag und die auch für einige echt problematische Logiklöcher sorgen.
Doch der Nebel hat auch seine Momente. So sind die Attacken der Viecher aus dem Nebel echte Showtopper, die gewaltigen Spaß machen und mit Sinn für Atmosphäre und Spannung umgesetzt wurden. Dabei stimmen dann auch die Schauwerte und vor allem funktioniert auch das Figurendesign ziemlich gut. Zwar kann man den Kreaturen bei ihrem ersten Auftauchen einen gewissen Trashappeal nicht absprechen, doch einmal im Film angekommen und mit der später erfolgenden Erklärung der Vorgänge unterfüttert, mutet es nur logisch an, dass die Monster zwar ihre Wurzeln in unserem Tierreich haben, in vielen Punkten aber auch deutlich davon abweichen. Ein weiterer Pluspunkt ist der Hauptdarsteller Thomas Jane, der eine kreuzsympathische Figur entwirft, die zwar eher unfreiwillig in die Heldenrolle gedrängt wird, diese aber wirklich hervorragend ausfüllt und alle Sympathien des Publikums auf sich vereinen kann. Dank Darabont - dem eigentlich nur Marcia Gay Harden entfleuchte - schlägt sich auch der Rest des Castes mit für das Genre überdurchschnittlichen Leistungen durch den Nebelhorror, was in teils sehr interessanten Charakterprofilen gipfelt.
Darabont selbst muss sich neben der storytechnischen noch weitere Kritik gefallen lassen! So steht dem Regisseur, der bisher wundervoll episch breit und mit edlen Bildern inszenierte, der moderne 24-Zoomlook überhaupt nicht. Dementsprechend unsicher scheint er auch zu agieren, flicht er diese Einlagen doch immer wieder an vollkommen unpassenden Stellen seltsam belanglos ein, um dann die wirklich hektischen Szenen ganz funktional und geerdet umzusetzen. Ob Darabont hier mit dem Stilmittel nicht zurechtkam oder ob der Kameramann kein wirklich schlüssiges optisches Konzept hatte, vermag ich nicht zu sagen. Befremdlich wirkt das Ergebnis auf jeden Fall. Abgesehen davon inszeniert Darabont solide, allerdings in einem eher mittelmäßigen Rahmen. Vollkommen unverständlich bleibt aber das Wirken von Mark Isham. Der Soundtracklieferant scheint einiges von der etwas seltsamen Herangehensweise Darabonts an den Horrorstoff zu spüren bekommen haben, denn er agiert vollkommen kopflos. In den ersten 100 Minuten gibt es ziemlich genau zwei Musikstücke zu hören. Ansonsten verzichtet das Gespann Darabont/Isham vollkommen auf musikalische Untermalung ... in einem Genre, das vor allem in atmosphärischer Hinsicht mehr als alle anderen Genres auf eine gelungene akustische Unterstützung angewiesen ist! So baut sich dann auch in den Spannungsspitzen nicht ein einziges Mal ein mulmiges Gefühl beim Zuschauer auf und vor allem: Man stellt am Ende des Filmes nicht verwundert fest, dass die Musik fehlte und lobt die Genialität des Konzeptes. Nein, man vermisst die Musik wirklich schmerzlich. Was ein Fehlschuss.
Nach all dem Gemosere kommen wir nun zum letzten Drittel des Filmes. Endlich! Denn was Darabont hier abbrennt, ist einfach mal gigantisch. Mit aller Macht stemmt er sich hier gegen die herrschenden Konventionen, die Studiovorstellungen und Meister King Höchstselbst und präsentiert ein mit dem Ausbruch der rationalen Gruppe aus dem Supermarkt beginnendes Szenario, das dem Zuschauer eine echte Gänsehaut beschert und in einem Killerende mündet, wie man es Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. In jenem wird vor allem der bisher so sympathischen Heldenfigur des David bestialisch und brutal mitgespielt. Darabont generiert auf diesem Wege ein mutiges Ende, das noch lange beim Zuschauer nachhallt und das wohl weit über den Film hinaus in den Köpfen des Zuschauers präsent sein wird. Genau hier wird der Nebel dann endlich zu dem, was man von ihm eigentlich erwartet hatte, doch im Großen und Ganzen ist es einfach zu spät für diesen Rettungsanker. Zumal Darabont auch hier einen seltsamen musikalischen Fehler macht, indem er ein Stück von Dead Can Dance mit der sphärischen Stimme von Lisa Gerrard ganze dreimal komplett durchlaufen lässt. Es passt freilich zu der Szenerie, keine Frage, aber Dead Can Dance hätten da noch viele ähnliche Stücke in der Hinterhand gehabt. Ergo hätte man hier auch deutlich weniger akustische Monotonie erzeugen können. Im Abspann ertönt das Stück dann übrigens noch einmal. Und danach ... Nichts ... nur Helikopterfluggeräusche. Sehr seltsam.
Das Ergebnis ist erneut ein ziemlich verquaster und vor allem herrlich spannungsfreier Versuch, einen Gruselstoff von Stephen King auf die Leinwand zu wuchten. Ohne das hinterlistige Ende, die guten Darsteller und die wirklich netten Monsterangriffe könnte man den Nebel als vollkommen misslungen betrachten. So bleibt zumindest das Ende nachhaltig in Erinnerung, genau wie der doch recht seltsame Inszenierungsstil Darabonts - fast ohne Musik und mit seltsamen optischem Konzept.
In diesem Sinne:
freeman