Die Legende von Beowulf
Originaltitel: Beowulf
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Robin Wright Penn, Anthony Hopkins, John Malkovich, Crispin Glover, Ray Winstone, Brendan Gleeson, Costas Mandylor, Angelina Jolie, Alison Lohman u.a.
König Hrothgar und sein Volk der Geatas wird von einem Monster terrorisiert, das sich alsbald als eine Jugendsünde des umtriebigen Königs erweisen soll. In ganz Dänemark wird Hrothgar daraufhin für seine Unfähigkeit, dieses Monster zu besiegen, verlacht. Eines Tages tauchen der riesige Krieger Beowulf und seine vierzehn besten Männer am Hofe Hrothgars auf und versprechen das Monster zu besiegen. Schon am nächsten Morgen scheint das Land befreit von seiner Plage. Doch das Monster Grendel war erst der Anfang, denn nun bekommen es Beowulf und seine Mannen mit der tobsüchtigen Mutter zu tun. Beowulf stellt sich auch diesem Kampf, wird allerdings durch das anmutige Äußere der Mutter von Grendel geblendet und geht mit ihr einen unheilvollen Pakt ein, der ihn, wie einst Hrothgar, bis ins Grab verfolgen soll ...
Beowulf (der Bienenwolf oder eben auch Bär) ist eines der wuchtigsten Heldengedichte aus dem hohen Norden, das bisher erstaunlich wenig in der Filmwelt beachtet wurde. Christopher Lambert war einer der Ersten, der das Monster Grendel und seine Mutter in Beowulf zu bezwingen versuchte. Das Ergebnis war hochtouriger und sehr unterhaltsamer Fantasytrash. Leonidas Darsteller Gerard Butler durfte sich in Beowulf und Grendel in einer etwas ernsthafteren Annäherung mit dem "Monster" auseinandersetzen. Viel mehr Verfilmungen kennt die Filmhistorie nicht (Maximal der 13. Krieger könnte noch als eine Art Annäherung betrachtet werden). Zeit also, sich dem Heldenepos einmal richtig aufwändig zu nähern. Diese Aufgabe übernahm nun Robert Zemeckis auf Grundlage eines Drehbuchs von Roger Avary (Pulp Fiction) und Neil Gaiman (Autor der Vorlage des Fantasystreifens "Der Sternwanderer"). Klangvolle Namen, die zumindest auf dem Papier für ein Gelingen des Projektes sorgen zu können schienen. Doch wie so oft kommt es zumeist anders, als man glaubt ...
Denn Robert Zemeckis semmelt seine Fantasymär vollkommen vor die nordische Eiche. Sein Beowulf will hinten und vorne nicht zusammengehen und fast scheint es, als habe der vor allem in technischer Hinsicht immer wegweisende und innovative Regisseur sein Gespür für ergreifende und spannende Storys komplett verloren. Bar jeder Atmosphäre schleicht sein Heldenepos über die Leinwand, lässt keinerlei Form eines vorhandenen Spannungsbogens erkennen und quält sich mühsam von Höhepunkt zu Höhepunkt. Davon gibt es in Beowulf genau drei. Reichlich wenig für einen knapp zweistündigen Film. Dabei wird Zemeckis von seinen Drehbuchschreibern vollkommen allein gelassen. Hirnrissige Dialoge, viel zu wenig Pathos und Heldengefasel, keinerlei Hinterfragen der Motive und Handlungsantriebe und so gut wie keine Charakterzeichnung scheinen die Seiten von Avarys und Gaimans Drehbuch auszumachen und schlagen sich in einem katastrophal langsamen und öden Zelluloiderlebnis nieder. Dass dabei dann auch noch Figuren ihren "Charakter" ändern wie das sprichwörtliche Fähnlein im Wind und sich innerhalb eines Augenblickes um 180 Grad in ihrer Gesinnung drehen, verwundert dann wirklich keinen mehr. Katastrophal und der beste Beweis dafür, dass vor allem John Malkovich für Geld derzeit anscheinend jeden Mist mitmacht. Denn insbesondere sein Unferth ist ein katastrophal schlechter Witz!
Doch Beowulf scheitert beileibe nicht an seinen handlungstechnischen Defiziten. Mitnichten. Beowulf scheitert schon formal auf ganzer Linie! Verfilmt mit einer Technik, die Zemeckis bereits für seinen in Animationskreisen bahnbrechenden Trickfilm Der Polarexpress anwendete (in meinem Review zum Polarexpress gibt es einen kurzen Exkurs zu dieser faszinierenden Technik) und von Gil Kenan in Monster House weiterentwickeln ließ, gelangt der in technischen Belangen immer voranpreschende Regisseur massiv an die Grenzen. Nicht seine eigenen, wohl aber die seiner Techniken. Denn Beowulf bekommt sein Genick vom Paradoxon der Animation gebrochen. Dieses besagt, dass egal wie realistisch eine Sache auch animiert ist, sobald der Mensch deren Vorbild aus dem eigenen Erfahrungshorizont her kennt, wird die KLEINSTE Abweichung von diesen Erfahrungen dazu führen, dass die Animation nicht als realistisch empfunden wird. So wirken Spielbergs Dinos für uns nur realistisch und perfekt, weil wir die Vorbilder nicht kennen. Ganz anders sieht das nun freilich bei der Animation von Menschen aus. Hier kennt JEDER die Vorlage! Und da man dieses Problem in Animationskreisen nur zu gut kennt, versuchte man vor allem die fotorealistische Animation von Menschen - meist mittels Stilisierungen - zu umgehen. Ausnahmen bildeten eigentlich nur der auf hohem Niveau gescheiterte Final Fantasy und eben der Polarexpress, der vor allem die Kinderdarsteller originalgetreu zu reproduzieren suchte.
In Beowulf ging Robert Zemeckis nun in die Vollen und wollte den ganzen Film fotorealistisch umsetzen. Das Ergebnis ist katastrophal. Denn sein Beowulf scheitert nun nicht wie Final Fantasy an Kleinigkeiten sondern wirklich im großen Maßstab! Was wurde im Umfeld von Beowulf mit neuen Technikentwicklungen geprahlt. So hat man eine neue Technik entwickelt, die den Figuren endlich Glanz in die Augen zaubert und somit den Toren zur Seele ein Leben verleiht. Leider gehen diese spektakulären Neuerungen in einem Wust an anderen Problemen komplett unter. Schauen wir uns dazu einfach mal Freund Beowulf genauer an: Ok, auf Standbildern oder Pressefotos sieht der Kamerad wirklich lebensecht aus. Leider entsteht beim Animationsfilm/Film erst durch das Aneinanderreihen von mehreren verschiedenen Bildern Bewegung ... und da kann es dann schnell vorbei sein mit dem schönen ersten Eindruck. Immerhin sehen wir in Realität auch nicht auf jedem Foto gleich geil aus (außer freilich ich 😉). Und genau da beginnen die Probleme für Beowulf. Beginnen wir im Gesicht: Ok, die Augen glänzen. Und sie reagieren auf ihre Umwelt. Top! Auch die Gesichtszüge von Ray Winstone erkennt man hervorragend. Stark! Doch das war es dann auch schon. Die Haare pappen förmlich am Kopf fest und bewegen sich nur in stärksten Stürmen. Wenn Beowulf spricht, bewegen sich nur die Lippen und ein wenig die Augenbrauen. Die restlichen Gesichtspartien sind vollkommen tot! Da ist keinerlei Bewegung in den Wangenbereichen/Wangenknochen. Auch ist die Haut von Beowulf wirklich porentief rein und bar jeglicher Schönheitsfehler. Zum Glück hat man seiner Haut wenigstens ein paar Fältchen spendiert, um ihn nicht gänzlich wie eine Puppe oder ein FHM Model wirken zu lassen.
Zoomen wir aus dem Gesicht heraus. Hier sehen wir einen makellosen Six Pack Oberkörper, wie er männlicher kaum sein könnte. Witzigerweise scheint dieser Körper ohne Atemluft leben zu können, denn hier hebt und senkt sich nichts! Vor allem in Dialogen und in Momenten, in denen Beowulf schreit, entsetzt die starre Bauchdecke gar formidabel. Ist Beowulf gar ein Zombie? Und verdammt, was hatten die damals wohl für Hautcremes? Kein einziger Leberfleck, Mitesser, Pickel unterbricht die wächsern wirkende Haut. Daran sollten sich Nivea und Co. mal ein Beispiel nehmen. Und schaut man sich dann Beowulf im Ganzen an, wird es richtig katastrophal. Seine Bewegungen wirken ungelenk, unrealistisch und vor allem so schwer. Beowulf und Co. laufen keinen federnden Gang. Nein, sie stapfen - oder besser schleppen sich - von Schauplatz zu Schauplatz, als trügen sie tonnenschwere Gewichte auf den Schultern. Frappierend wird das Problem bei den Pferden im Film, die eher wie Steinwalzen denn wie anmutige Tiere wirken. Und sie lösen sich zu keiner Sekunde mehr als zwei bis drei Zentimeter vom Boden! Und diese Probleme gelten für alle Figuren im Film! Insbesondere die von Robin Wright Penn "gespielte" Königin Wealthow ist eine echte Katastrophe, wirkt sie doch eher wie Prinzessin Fiona aus Shrek denn wie ein echter Mensch. So wirkt letztendlich keiner der Charaktere (nicht einmal die Fantasiefiguren Grendel und Angelina Jolies Figur der Mutter von Grendel) irgendwie realistisch oder greifbar. Und es fällt auch verdammt schwer, sich einfach zurückzulehnen und den restlichen optischen Overkill zu genießen, denn Beowulf versagt nicht nur in der Königsdisziplin der Animation! Auch in anderen Belangen sieht es arg schlecht aus. Die Lichtquellen wirken die meiste Zeit des Filmes ungünstig positioniert und berechnet. Partikeleffekte wie lodernde Feuer setzen zum einen die optischen Highlights im Film, sorgen bei der Darstellung von Gischt aber für herzliche Lachanfälle, denn derartige Effekte bekommt heutzutage jede PC Gamesengine besser hin. So kann man aus technischer Hinsicht maximal die grenzgenialen Kamerafahrten hervorheben, doch das ist letztendlich viel zu wenig. Und was sich die Charakterdesigner bei dem lachhaften Grendelmonster gedacht haben, will ich glaube gar nicht wissen.
Die Summe dieser formalen Probleme sorgt für einen vollkommen kalten Film, dem gegenüber man als Zuschauer eine unglaubliche Distanz aufbaut, aufgrund derer man zum Einen nicht in den Film und zum Anderen nicht in die Figuren hineinfindet. Ein kompromissloseres Todesurteil für einen Film ist mir ehrlicherweise nicht bekannt. Wenn der Film dann auch noch als erwachsener Animationsfilm verkauft wird und sich dahingehend mit Austin Powers "Ich versteck mein Gemächt hinter langen, harten Gegenständen" Witzen blamiert und unter "erwachsen" nur Bilder von Ratte am Stiel, wenig Licht und ein paar schlechte Zähne versteht, wird es dann doch arg peinlich. Vielleicht kann in diesem Bezug eine Unrated Fassung mehr reißen. Soll doch Beowulf wegen seiner anfänglich offensiven Nacktheit ziemlich verändert wurden sein. Aber ob Bilder von hüpfenden Pimmeln, wogenden Testikelsäcken und der einen oder anderen Moppe diese Katastrophe aufwerten können? Ich glaube eher nicht. Und so bleibt der einzig positive Punkt an Beowulf der mächtige, einem Heldenepos mehr als gerecht werdende, brachiale Überscore von Alan Silvestri. Wenigstens einer, der sich mit diesem Film nicht blamiert ...
In diesem Sinne:
freeman