30 Days of Night
Originaltitel: 30 Days of Night
Produktionsjahr: 2007
Herstellungsland: USA
Regie: David Slade
Darsteller: Josh Hartnett, Melissa George, Danny Huston, Ben Foster, Amber Sainsbury, Manu Bennett u.a.
Barrow, der nördlichste Ort Amerikas, steht kurz vor der Polarnacht. 30 Tage ohne jegliches Licht stehen den Einwohnern bevor. Ein großer Teil des Ortes ist in Aufbruchstimmung. Denn viele verlassen für 30 Tage den Ort, um der langen Nachtphase zu entgehen. In diese etwas aufgeregte Phase platzt ein Unbekannter und mit ihm seltsame Vorfälle. Schlittenhunde werden getötet, Stromleitungen gekappt und auch das Telefon/Internet ist plötzlich tot. Alles zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt, denn die scheinbar ewige Nacht ist bereits angebrochen und sie hat etwas mitgebracht. Vampirähnliche Wesen schicken sich an, dass von der Außenwelt abgeschnittene Örtchen zu entvölkern. Das folgende Massaker überleben nur die Wenigsten und große Hoffnungen, eventuell zurückzuschlagen, machen sie sich nicht ...
Die Ausgangslage von 30 Days of Night ist schlichtweg brillant. Ein von der Außenwelt abgeschnittenes Dorf, lichtscheues Gesindel, das sich dank 30tägiger Polarnacht wie im siebten Himmel wähnt, eine vollkommen wehrlose und überforderte Opferschar und um sie herum nichts als Nacht und ewiges Eis. Und von der daraus resultierenden Atmosphäre kompletter Ausweglosigkeit zehrt 30 Days of Night und weiß durchaus mehrfach zu beunruhigen. Doch irgendwie ist das schlussendliche Ergebnis bei weitem nicht so spannend, wie es bei diesen Voraussetzungen hätte sein können.
Dabei startet 30 Days of Night rasant. Etwa nach zehn Minuten gehen in Barrow die Lichter aus, mehren sich die unheimlichen Vorkommnisse und beginnt die Bevölkerung allmählich zu verschwinden. Zwar geht das hohe Einstiegstempo auf Kosten einer halbwegs vorhandenen Figurenzeichnung, aber als Horrorfan dürfte man am gesamten ersten Drittel des Streifens ordentlich Freude haben. Doch dann beginnen sich die Probleme des Streifens zu mehren.
Beispielsweise machen die Vampire auf einmal ihre unfein bezahnten Mäuler auf. Allerdings nicht um Blut zu saugen, sondern um in einer Fantasiesprache zu kommunizieren. Das Ergebnis ist unfreiwillig komisch hoch zehn und beschert 30 Days of Night einige echt offensive Lacher, die deplazierter nicht hätten sein können. Auch schlägt das Problem des hohen Einstiegstempos nun gnadenlos durch, denn so richtig weiß man nie, mit wem man hier eigentlich mitfiebert. Was macht die Figuren aus, wieso mögen sich die Einen und hassen sich die Anderen? Und wieso zum Teufel sind die beiden Hauptdarsteller Eben (Hartnett) und Stella (George) nicht mehr zusammen? Fragen über Fragen türmen sich auf und 30 Days of Night beantwortet keine Einzige. Dies ist vor allem in Bezug auf die Vampire mehr als traurig, da man zu ihnen und ihren Hintergründen zwar immer interessante aber viel zu kleine Happen vorgeworfen bekommt. Denn irgendwie fragt man sich schon, warum die ausgerechnet in dem Nest auftauchen, was es mit ihren Meucheltouren auf sich hat und was sie eigentlich antreibt außer ihrem Blutdurst. Und was machen die Kameraden eigentlich, wenn 30 Tage die Sonne scheint? Treiben sie dann unter den Eisplatten? 😉
Doch auch formal beginnt 30 Days of Night zu lahmen. So wechseln sich harsche und brutale Vampirattacken mit Szenen ab, die David Slade offenbar nutzen wollte, um Atmosphäre zu erzeugen. Da einem die Figuren aber herzlich egal sind, nehmen diese Szenen nur das Tempo aus dem Film heraus, lassen ihn fast sogar ein wenig kammerspielartig wirken und bremsen ihn fast auf einen Stillstand herunter. So wird der Film vor allem im Mittelteil zu einer echten Geduldsprobe und wenn dann nach 28 Tagen immer noch neue Leute auftauchen, die zu der Truppe um Eben stoßen und mit ihm überleben wollen, wird's dann auch noch recht hanebüchen. Leider nutzt Slade derartige "Überraschungen" einige Male zu oft, um seinen Film anzutreiben. Freilich mögen viele der Handlungsprobleme in der Graphic Novel Vorlage von Steve Niles verankert sein. Immerhin verfilmte man ja nur Band eins der auf drei Bände angelegten Vorlage. Doch hier hätte man sich bei der Drehbuchadaption schon ein wenig mehr Gedanken machen sollen. Für das sehr schöne, diversen Genrekonventionen zuwiderlaufende Ende gibt es aber einen handlungstechnischen Pluspunkt von meiner Seite. Ebenso für das weiträumige Umfahren der gängigsten und ausgelutschtesten Vampirklischees.
Inszenatorisch dagegen ist 30 Days of Night absolut auf der Höhe. Der Film atmet in jeder Szene das unglaubliche Talent seines Regisseurs David Slade. Dieser bewies mit seinem reduzierten Kammerspiel Hard Candy bereits überdeutlich, dass er selbst aus minimalistischsten Schauplätzen ein Optimum an optischer Perfektion herausholen kann. In 30 Days of Night kommt ihm schon alleine der Schauplatz hervorragend entgegen. Seine Bilder von Barrow haben einfach Klasse und lassen den Zuschauer ob der winterlichen Landschaft um das kleine Kaff ordentlich frösteln. Mit Einbruch der Nacht reduziert Slade seine Farbpalette auf ein Minimum. Die einzigen farbfreudigeren/helleren Fixpunkte liefern nur der Schnee oder das darin versickernde Blut. In Erinnerung bleibt vor allem eine ultrastylische Kamerafahrt aus der Vogelperspektive, die vollkommen unaufgeregt über Barrows hinweggleitet, während sich am Boden ein unvorstellbares, grandios choreographiertes Blutbad abspielt. Diese Szene steht stellvertretend für den gesamten Film, der in jeder Szene bis aufs kleinste i-Tüpfelchen durchkomponiert und -choreographiert zu sein scheint. Spätestens bei den Einstellungen des erstaunlich kurzen Showdowns, hat man den Eindruck, dass sogar die Flammen und die Bewegung des um sich greifenden Feuers bis ins Kleinste durchgeplant sind. In den Attacken der Vampire schaltet Slade dann in den Bourne Modus, was ebenfalls sehr gut funktioniert und auch einige recht beklemmende Momente generiert. Doch Slade wäre nicht Slade, würde er nicht sogar der Bourne Optik neue Aspekte abgewinnen. Beispielsweise darf sich sogar mal eine Kamera mitten im hektischsten Gewackel einfach mal um die eigene Achse drehen, was dann die Orientierung komplett dahinmeuchelt.
Dabei muss man sich aber keine Sorgen machen, dass einem hier dank dieser Hektik die kleinen aber feinen Details vorenthalten bleiben. Denn Slade hat schon einen kleinen Narren am Vampirzerlegen gefressen. Da wird halbiert, zermatscht, in Häcksler geworfen, angezündet und mit Äxten zerhackt, dass keine Auge trocken bleibt. Sogar Kinder dürfen den Tabutod sterben und werden mit einer Axt zerlegt. Obendrauf gibt es eine wirklich unfein und ultrarealistisch wirkende Enthauptung zu bestaunen, die einen in ihrer Wirkung ordentlich Luft durch die Zähne ziehen lässt. Soll heißen: Blutleer ist 30 Days of Night nun wahrlich nicht.
Darstellerisch sieht es dann leider nicht so gut aus. Josh Hartnett zehrt einzig und allein von seinem Charme und wird schon aufgrund seiner puren Präsenz vom Zuschauer zum Helden geschlagen. Ansonsten leidet er wie der Rest des Castes unter den arg blutleeren Charakterhüllen, die man sich überstreifen musste. Diese Charaktere bleiben so unglaublich blass und unterfüttert, dass ihr Verscheiden dann auch recht schnell recht egal wird. Hartnett ist eigentlich nur aufgrund seiner Heldenrolle in einer Art komfortableren Situation, darf er sich doch vor allem gegen Ende über seine Taten definieren, die recht untypisch wirken und ihm wenigstens für ein paar Minuten die Chance geben, aus seinem unbeweglichen Charakter auszubrechen. Der Rest des Castes hat diese Möglichkeit leider nicht und dementsprechend verheerend sieht es dann auch aus. Die niedliche Melissa George darf nichts, aber auch wirklich gar nichts machen. Im Grunde trabt sie nur hinter Hartnett her. Tja ... und der Rest des Castes trabt hinter ihr her. Ben Foster dagegen überzieht als Unheilbringer seine Gift und Galle spuckende Figur bis ins Extrem. Vermutlich ein Aufbäumen gegen die nicht vorhandene Charakterisierung seiner Figur. Störend wirkt das Overacting dennoch. Und die Bösewichter sind ein Witz. Sie sehen zwar sehr geil aus mit ihren verschrobenen und vor allem sehr schrägen Gesichtsphysiognomien, wirken ansonsten aber irgendwie wie kreuzbrave Wave Gotiker, die mal durch den Schnee stapfen dürfen. Der Anführer der Vampire ist auch eher schwach geraten, wirkt er doch maximal adlig manieriert, bedrohlich oder gar gefährlich erscheint er zu keiner Sekunde.
Ein echter Pluspunkt ist der Score von Brian Reitzell! Dieser fährt zu Beginn des Filmes mehrere recht interessante Themen auf, lässt diese dann aber mit Losbrechen der Vampirmassaker komplett links liegen und erschafft mit verstörend wirkenden Soundcollagen aus ungewöhnlichen Klängen oder ins Extrem verzerrten Soundfetzen ein unheimlich dräuendes Gebräu, das die Bilderwelten Slades formidabel unterstützt, ohne die Bilderwucht aber absolut nicht anhörbar sein dürfte.
Das Ergebnis ist ein von der Ausgangssituation her hochinteressanter und eigentlich fast schon als gesegnet zu bezeichnender Horrorstreifen, der allerdings aus dieser Ausgangslage nicht viel macht. Beispielsweise kann David Slade das in kompletter Dunkelheit liegende Barrow nicht für einen einzigen echten Suspensemoment nutzen. Der Horror resultiert in 30 Days of Night einzig und allein aus der Konfrontation Mensch und übermenschlicher Gegner. Sämtliche Versuche Atmosphäre aufzubauen, verlaufen sich in langweiligen und inhaltsleeren Dialogen. Und während die Darsteller insgeheim vor dem dünnen Drehbuch kapitulieren, rettet David Slade seinen Film mit formidabler Optik, grandiosem Soundtrack/Sounddesign und offen zur Schau getragener Freude an recht brachialer Brutalität. Um mal eine altbekannte Phrase zu benutzen: Außen hui, innen pfui ... mir aber immer noch folgende Punktzahl wert:
In diesem Sinne:
freeman