Black Box (Special Edition)
Originaltitel: Boîte noire, La
Herstellungsland: Frankreich
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Richard Berry
Darsteller: José Garcia, Marion Cotillard, Michel Duchaussoy, Bernard Le Coq, Héléna Noguerra, Gérald Laroche, Marysa Borini, Nathalie Nell, Lise Lamétrie, Pascal Bongard, Steve Campos, Hugo Brunswick
Film
Unsere grauen Zellen sind schon ein Phänomen für sich und es ganz sicher wert, dass man Filme über sie dreht. Denn wir haben sie zwar alle in uns, sie sind sogar das Zentrum unseres Handelns; doch bis zum Boden ergründet hat sie noch niemand. Deswegen ist es möglich, einen schwarzen Fleck in unserem Bewusstsein zum Aufhänger eines Psychothrillers zu machen. Schockierender Gedanke, dass es in unserem Inneren eine verschlossene Tür gibt, die wir nicht öffnen können, nicht wahr?
Neu ist daran selbstverständlich nichts mehr - es ist (anno dazumal) 2005. Aber 2005 liegt das doppelbödige Spielchen mit der eigenen Psyche mal wieder voll und ganz im Trend. “The Machinist” hat die Gewässer aufgewühlt mit einem Christian Bale, der “Method Acting” fast schon neu definierte, auch wenn der spanische Streifen weniger originell war als man annehmen sollte; vielmehr traf er den Zeitgeist und war ganz einfach ziemlich gut gemacht. Der Schweif dieser Schnuppe schoss hinterher; es folgten Filme wie “Stay”, “The Jacket”, “Freeze Frame” oder eben “Black Box”.
Die Franzosen sind ja immerhin seit Jahren - abseits Hollywood - die Könige der visuell dynamischen Umsetzung und insofern wird niemandem eine lange Nase wachsen, der behauptet, dass aus Frankreich einmal mehr eine echte Stylebombe importiert wurde, die uns Deutsche zu grauen Mäusen degradiert und im Boden versinken lässt. Schön kompakt aufgezogen auf nicht einmal 90 Minuten, wird stringent und zielbewusst die Psyche der Figur von Hauptdarsteller José Garcia (würde in einem US-Remake wohl von Robert Downey Jr. gespielt werden) von hinten aufgerollt.
Der Plot entwickelt sich nach dem Try & Error-Prinzip zur Wahrheit hin. Beginnend bei einem aus der Egoperspektive gezeigten Autounfall arbeitet sich Garcias Figur detektivisch dazu vor, Licht ins Dunkel zu bringen. Wenn neue Informationen hinzukommen, wird das bisherige Wissen neu geordnet und bei der Neuordnung rümpeln die Drehbuchautoren mal eben das komplette Weltbild um und auf einmal ist die Sachlage komplett anders. Surreale Sequenzen wie eine komplett leergefegte Stadt oder ein durch Drogen verursachter Fiebertraum (eine optisch beeindruckende Sequenz) zeigen sich als Begleitumstände der Hirnrümpelaktion. Orte werden mehrfach besucht, Charaktere kommen mehrmals ins Spiel, aber immer ein wenig anders als vorher.
Mosaikhaft hat man sich dann zum Ende, der finalen Erkenntnis durchgearbeitet; der “Aha”-Effekt des Finales fehlt aber glücklicherweise, da die komplette Handlung von Twists durchzogen ist und dem endgültigen Kalleffekt damit die Wirkung genommen wird. Das verhindert, dass man über eine weniger gute Auflösung allzu enttäuscht ist; es nimmt dem Ende seine Wichtigkeit und setzt die wichtigen Punkte woanders an. Das ist gut - so viel wissen wir inzwischen nach dem kollektiven Shyamalan-Bashing.
“Black Box” hätte dazu auch nicht die notwendigen Qualitäten gehabt - das weiß er selbst. Es ist einfach eine Zeit angebrochen, in der man von Spielen mit der Psychologie kaum mehr überrascht werden kann. Nach “Fight Club”, nach “Matrix” ist man auf sämtliche theoretischen Metaebenen vorbereitet. Nicht nur kann alles ein Traum sein, es kann sogar alles der Traum eines Traumes sein - oder der Traum eines Traumes, der einen Traum träumt.
So macht Richard Berry das einzig Richtige und konzentriert sich auf den Unterhaltungswert, der mit seinen stylishen Bildern und der professionellen Inszenierung überdurchschnittlich ausfällt. Überraschen kann der französische Beitrag zur Welle wahrlich niemanden mehr - aber er weiß zumindest, wie er sich zu verkaufen hat.