Die Simpsons - Season 6
USA 1995
Technische Daten
Vertrieb: 20th Century Fox Home Entertainment
Regionalcode: 2
Laufzeit: ca. 550 Min.
Regie: Mark Kirkland,
Rich Moore,
Jim Reardon,
Wesley Archer,
David Silverman,
Bob Anderson,
Jeffrey Lynch,
Carlos Baeza,
Susie Dietter
Darsteller: Dan Castellaneta,
Julie Kavner,
Nancy Cartwright,
Yeardley Smith,
Hank Azaria,
Harry Shearer,
Marcia Wallace,
Phil Hartman,
Tress MacNeille,
Pamela Hayden
Bildformat: 1,33:1 (4:3)
Sprachen: DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Audiokommentar
Freigabe: FSK 12
Film
THE SIMPSONS GO CINEMA
Ende Juli geschieht endlich das, was eigentlich schon 1993 hätte Realität sein können: Die Simpsons erobern das Kino. Ein Schritt, der für die meisten Kritiker viel zu spät kommt, zu einem Zeitpunkt, da die Serie den Rekord für die meisten Produktionsjahre schon längst überschritten hat und mindestens schon ebenso lange qualitativ über ihren Zenit hinaus ist. Aber sie freut sich nach wie vor größter Beliebtheit, die Familie aus Springfield, und so könnte man auch den “Besser spät, als nie”-Spruch bemühen, wohl wissend, dass man die Mannen um Matt Groening niemals unterschätzen sollte. Gerade dann nicht, wenn es darum geht, ein neues Projekt auf die Beine zu stellen. Die umwerfende Alternativserie “Futurama” hat’s bewiesen und “Simpsons - The Movie” könnte der nächste Beweis werden.
Warum aber nicht schon früher? Das ist die stechende Frage, die den Gelben Jahr für Jahr durch den Kopf ging, während die South Parkler, die Schwammköpfe, ja sogar die Rugratinos nach und nach ins Kino wanderten. Die ersten Überlegungen drehten sich darum, “Kamp Krusty” aus der vierten Staffel zum Film-Plot umzumodellieren; nichts dergleichen geschah.
Nun sind wir bei der sechsten Staffel, dreimal hintereinander ausgesprochen die sechssechssechste Staffel, die Staffel des Teufels, die Staffel des Mr. Burns. Und Mr. Burns wird derjenige sein, an den man sich im Nachhinein erinnern wird. Nicht etwa, weil er öfters auftreten würde als normalerweise, aber mit Abstand hat er diesmal seine größten Momente, das ist sicher. Und die Staffel endet wahrhaft cineastisch, wie großes Kino, und sie soll uns ein gutes Omen für den Sommer 2007 sein. Viel Spaß.
EPISODE 1
EIN GRAUSIGER VERDACHT (Bart of Darkness)
Deutsche Erstausstrahlung: 15.07.1995
US-Erstausstrahlung: 04.09.1994
Inhalt: Homer baut im Garten einen Swimmingpool und alle sind begeistert - nur Bart nicht! Der sitzt mit gebrochenem Bein im Zimmer und beobachtet vom Fenster aus, wie Mr. Flanders etwas in seinem Garten vergräbt. Als Bart plötzlich bewusst wird, wie lange er Mrs. Flanders nicht mehr gesehen hat, ereilt ihn ein schrecklicher Verdacht... (Booklet-Text)
Als “Ein grausiger Verdacht” seine Premiere feierte, hatte man das Gefühl, die Simpsons würden sich Staffel für Staffel selbst übertreffen. Denn die offensichtliche Hommage an Alfred Hitchcocks “Das Fenster zum Hof” ist einmal mehr eine der bis dato besten halben Stunden der gesamten Serie. Ein Wahnsinns-Auftakt für die Season, die das halbe Dutzend voll macht.
Von der zentralen Storyline über die Subplots, die Animationen, die Charakterentwicklungen, die Gags und deren Verknüpfungen mit dem Plot harmoniert jedes Detail so reibungslos miteinander wie eine frisch geölte Maschine. Das beginnt bei der Tatsache, dass der Opener diesmal nicht ein ansonsten autarker Stichwortgeber für die eigentliche Hauptgeschichte ist, der sich wenig später komplett verabschieden wird; nein, er entwickelt sich langsam fort und gibt der kompletten Folge ein charakteristisches Gesicht. Eine einfache Wetterbesonderheit, ein Element, das in vielen Zeichentrickserien nicht einmal variiert wird, sorgt hier für eine unverwechselbare Atmosphäre, die sich in animatorischen Details manifestiert. Bart bleibt mit dem Rücken an der Couch kleben, die Familie zeltet im Kühlschrank und erfrischt sich mit gefrorenen Erbsenpaketen und ein fahrender Swimmingpool fährt durch die Evergreen Terrace, deren Erhitzung man förmlich spüren kann. Minimalste Details - dass etwa Bart anstatt einer Badehose nur seine Unterhose trägt - weisen ohne große Worte auf das Milieu hin, ebenso der Swimming Pool, den sich die Simpsons nach einer großen Diskussion zulegen. Man merkt, dass es sich hier um eine große Anschaffung handelt, dass es eine ökonomische Belastung ist. Noch zuvor hat man den Kühlschrank seinen Geist aufgeben sehen. Es wird nie beim Namen genannt, aber der Mittelstand, die Arbeiterklasse trieft dem Gezeigten aus jeder Pore. Gerade dann, wenn plötzlich halb Springfield zu Gast im Simpsons-Pool ist; Schmarotzer, Nutznießer der Anschaffungen von Anderen.
Das führt automatisch zur Außenseiterin Lisa Simpson, die den Sommer ihres Lebens erfährt. Ihre charakterliche Entwicklung ist, obgleich nur ein Nebenprodukt des Plots um Bart, fantastisch: wie ihr Vater tritt sie endlich in ein Zwiegespräch mit ihrem Gehirn, zeigt also schließlich doch ihre genetische Herkunft. Diesmal nicht, um wie bei Homer die Dummheit zu signalisieren, sondern die zwei Seelen in Lisas Brust. Das Kind, das beliebt sein will, und die Intellektuelle, die gewöhnlich ihr Handeln bestimmt und den moralischen Ausgang dieser zeitlich begrenzten Beliebtheit schon im Voraus ahnt.
Barts Schicksal nimmt in diesem Sommer eine ganz andere Wende, verletzt er sich doch am Pool und wird aufgrund dieser Verletzung nun im Kontrast zu Lisa isoliert - ein Rollentausch, der gelungener nicht hätte arrangiert werden können. Und wenn Bart in seinem abgeriegelten Zimmer langsam wahnsinnig wird und plötzlich aus dem Fenster Dinge sieht und daraus Schlüsse zieht, hat die Episode endgültig ihre Erstklassigkeit erreicht. Es folgt eine zum Brüllen komische “Das Fenster zum Hof”-Persiflage, die sich zwar manches Detail zurechtbiegt (niemand hängt mit bösem Blick und erhobenen Händen so dramatisch eine Axt zurück an die Wand wie Flanders), unter dem Deckmantel der Comedy aber immer im legitimen Rahmen. James Stewart bzw. eine Karikatur seinesgleichen glotzt aus einem Nachbarsfenster, bis Bart eine unvergleichliche Rettungsaktion startet und der Fall dann einleuchtend aufgelöst wird.
Mal ganz abgesehen von dem kopierten Handlungsverlauf würdigt “Ein grausiger Verdacht” Hitchcocks Meisterwerk vor allem durch die unverwechselbare Stimmung, die hier ganz eigenständig durch das Sommer-Flair zustandegebracht wird.
EPISODE 2
LISAS RIVALIN (Lisa’s Rival)
Deutsche Erstausstrahlung: 22.07.1995
US-Erstausstrahlung: 11.09.1994
Inhalt: Lisas neue Mitschülerin Allison Taylor ist in allen Fächern besser als Lisa, was ihren Alltag auf eine harte Probe stellt. Hin und her gerissen zwischen freundschaftlichen Gefühlen und purem Neid, gipfelt der Zickenterror, als die Schule einen Wettbewerb veranstaltet und Lisa nicht vor unfairen Mitteln zurückschreckt... (Booklet-Text)
Conan O’Brian mochte Lisa ja schon immer und so überrascht es nicht, dass die Story um eine Rivalin für das missverstandene, überdurchschnittlich intelligente Mädchen auch einer seiner Ideen entstammt. Dabei krankt das Konzept ein wenig unter einem alten Problem: Wenn neue Figuren auftauchen, die bekannten Figuren sehr ähnlich sind, ist es schwierig, die neuen Figuren nicht lediglich als stereotypes Abbild der Originale, sondern als eigene Persönlichkeiten zu begreifen.
Die Streberin Allison, die als Neue in Lisas Klasse aufgenommen wird, ist leider ein solches Stereotyp, dem man nicht mehr als eine gewisse Funktionalität für diese eine Episode zusprechen will und die danach unter Garantie nie wieder gesehen wird. Dass das auch anders geht, beweist der unvergessliche Frank Grimes, der mal mit Homer kollidierte - er war sicher auch am Charaktermodell Homers orientiert, dies aber so geschickt, dass man in Grimes dennoch eine interessante, eigenständige Figur erkennt. Er stirbt zwar entsprechend der moralischen Aussage, aber später kehrt dann ja einer seiner Verwandten zurück, was das Interesse an Grimes und seinen Eigenschaften beweist.
Derartiges hat Allison nicht zu bieten. Man wird sie in künftigen Folgen nicht vermissen. Dabei ist die Grundidee noch sehr interessant: Lisa wird vor eine ganz neue Situation gestellt, musste sie sich doch früher nur mit ihrer sozialen Außenseiterposition herumschlagen und nun findet sie sozusagen eine Gleichgesinnte und kann es - das ist der Clou an der Sache - nicht einmal genießen, weil Lisa plötzlich in einen Konkurrenzkampf verwickelt ist. Insofern wird enthüllt, dass sie sich im Grunde freiwillig ihre Position herausgesucht hat. Die bloße Existenz Allisons würde es Lisa erlauben, in der sozialen Leiter aufzusteigen, sie hätte die Gelegenheit, die noch nerdigere Kollegin zu erniedrigen und sich bei den anderen Mädchen aus ihrer Klasse Kredit zu erwerben - oder gar mit Allison Freundschaft schließen und eine eigene, gleichwertige Clique bilden, die es mit den anderen Mädchen aufnehmen könnte. Stattdessen wird das Strebertum als eine Einzelposition definiert und über das “Es kann nur einen geben”-Prinzip ausgekämpft. Wofür Lisa so hinterhältige Tendenzen entwickelt, dass sie sogar ihren Bruder einschaltet, was in einer gelungenen Hommage an Edgar Allan Poes “Das verräterische Herz” mit Pauken und Trompeten aufgelöst wird.
Schade, dass Allison hierin eben unglaubwürdig wirkt. Das ist weniger die Schuld der Gastsprecherin Winona Ryder, die in Anlehnung an ihre Kinder-Schauspielkarriere klug ausgewählt wurde, sondern liegt alleine schon an dem nur halbwegs passenden Charakterdesign ihrer Figur, die vielleicht auch ein wenig zu hübsch und selbstbewusst wirkt, um die Nerd-Rolle angemessen spielen zu können.
Dafür entschädigt allerdings der vielleicht beste Subplot der Simpsons-Geschichte: Homer und sein Zucker-Geschäft. Diese wahnsinnig absurde Storyline ist so typisch Simpsons, dass man nur huldigend niederknien kann. Dabei spielt die grenzenlose Naivität des Homer Simpson natürlich eine entscheidende Rolle, gleichzeitig aber auch die Tatsache, dass er von der Realität in dieser Naivität immer wieder bestärkt wird. Er setzt sich in den Kopf, den Zuckerberg zum Geschäft zu machen und so soll es dann auch geschehen. Der Zuckermann an der Tür von Skinner, der Engländer mit seiner Tasse Tee im Zuckerberg, die Bienen und schließlich die süße Pfütze... unvergesslicher Kult.
EPISODE 3
ROMANTIK IST ÜBERALL (Another Simpsons Clip Show)
Deutsche Erstausstrahlung: 29.07.1995
US-Erstausstrahlung: 25.09.1994
Inhalt: Als Marge ihren Kindern die Liebe erklären will, scheitert sie auf ganzer Linie. Weder die Kids, noch Eltern oder Großeltern können einen erfreulichen Beitrag zum Thema leisten. Erst als Marge selbst beginnt, von ihrer Liebe zu Homer zu berichten, endet ihre Erzählung bekanntlich in einem Happy End... (Booklet-Text)
Season Six's gotta lot of Sex. Nicht, dass das neu wäre. Deswegen hat man einfach mal wieder Schuster gespielt und alles aus den vorangegangenen Episoden zum Thema Liebe und Sex zusammengeschustert.
Wie schon bei der ersten Clipshow distanzieren sich die kreativen Köpfe hinter der Serie ganz entschieden von der Idee dieser Art von Flashback, einfach deswegen, weil sie kreativer Selbstmord ist. Fox wollte halt sein Abendprogramm mit möglichst vielen 22-Minütern füllen und wenn man alte Schnipsel zusammenklaubt und als Folge verkauft, so ist das selbstverständlich aus der Perspektive eines Senders nur gut und billig. Insofern kann man froh sein, dass die Simpsons inzwischen so weit sind, dass man sie täglich einmal senden kann und der Zyklus dennoch mehr als ein Jahr dauert - vielleicht sinkt damit der Bedarf nach Clipshows.
Will man es positiv sehen, so bekommt man die “besten Momente” alle auf einen Haufen. Doch ich will ehrlich sein: Für mich hat es nie richtig funktioniert, in keiner einzigen Clipshow. Obwohl eigentlich immer eine gute Auswahl getätigt wird und man sogar immer eine thematische Rahmenhandlung serviert bekommt, entfalten die Ausschnitte zusammengewürfelt einfach nicht die gleiche Wirkung. Das könnte ein Problem der geplotteten Struktur der Simpsons sein. Vermutlich wäre ein Clip-Recycling bei “Ren & Stimpy”, ja selbst bei “South Park” nicht ganz so tragisch. Doch die Gags der Simpsons funktionieren vor allem auch deswegen, weil sie innerhalb einer durchkonzipierten Storyline eingebaut werden und gewissermaßen auch von ihr abhängig sind.
Nun hat “Romantik ist überall” auch noch unter einem alten Leiden zu kämpfen: der Liebe. Der schmalzigen, süßlichen Liebe. Dass diese jetzt zum Aufhänger per neuer Szenen gemacht wird, ist schon problematisch, denn für einen auflockernden Slapstick-Subplot um Homer oder Bart ist diesmal keine Zeit. So durchtränkt das für Comedy schwierig zu behandelnde Thema jede Faser und man bekommt einen emotionalen Brocken nach dem anderen serviert: Marge und Jacques, Homer und Mindy, Bart und die neue Nachbarstochter, Grampa und Marges Mutter. Für den durchschnittlichen Simpsonsgucker, einen schwarzhumorigen Zyniker, der nur auf Satire aus ist, wird das zu viel und allenfalls seine Freundin, die die Serie nur wegen der süßen Maggie (und weil sie immer hinfällt) mitschaut, könnte sich von den Liebesschwüren verzaubern lassen. Doch dazu muss man nicht die Simpsons sehen, dazu reicht die 2.317. Folge von “Gute Zeiten, schlechte Zeiten”.
EPISODE 4
DER UNHEIMLICHE VERGNÜGUNGSPARK (Itchy & Scratchy Land)
Deutsche Erstausstrahlung: 05.08.1995
US-Erstausstrahlung: 02.10.1994
Inhalt: Hier läuft nicht alles nach Plan: Als die Simpsons den beliebten Horror-Vergnügungspark “Itchy-Scratchy-Land” besuchen, geraten die Roboter dort außer Kontrolle und greifen die Gäste an. Nur die Simpsons haben erkannt, wie man das Unheil abwenden kann und werden schon bald als Helden des Parks gefeiert. (Booklet-Text)
“Aaaah! Ein Haifischjunge!”
Die Ferien des Monsieur Hulot, Die schrillen Vier auf Achse... die Filmgeschichte ist voll von Individuen und Familien, die sich für wohlverdiente Ferien aus ihrem trauten Heim wagen. Im Gegensatz zur eigentlichen Intention dieses Vorhabens, nämlich sich zu entspannen, geht es dabei immer turbulent zur Sache. Es entsteht jeweils ein verrückter Road Trip, dessen Gag darin liegt, dass der Urlaubsfrieden stets und ständig verhindert wird.
“Der unheimliche Vergnügungspark”, im Englischen etwas weniger gespoilert schlicht “Itchy & Scratchy Land” betitelt, nimmt einen ganz alltäglichen Verlauf, der Erinnerungen bei Kind und Eltern wecken könnte. Die Kleinen bringen ihre Eltern langsam um den Verstand, weil sie unbedingt in einen Vergnügungspark wollen, die Eltern drücken sich und schieben die Verantwortung jeweils auf den Ehepartner (“Frag deine Mutter”). In der bodenständigen Aufbereitung der später etwas over the top inszenierten Itchy- & Scratchy-Parodie des Disney Land liegt die ganze Stärke der Simpsons, hier wird der Ausflug auf eine solide, nachvollziehbare Basis gebettet.
Das lässt es später recht schnell verzeihen, wenn im Vergnügungspark dann zu parodistischen Zwecken manchmal zu straff vom Leder gezogen wird mit Anspielungen auf “Jurassic Park” und “Westworld”. Aber bei der Liebe zum Detail kann man sich auch einfach nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, denn die Abteilung Produktionsdesign kann sich diesmal selbst auf die Schulter klopfen. Architektur, Mechanismen und Abläufe eines Themenparks wurden beobachtet und punktgenau übertragen. Im Karikaturistischen findet sich messerscharfer Realismus wieder, der die Satire erdet. Es gibt alle fünf Minuten eine Straßenparade, Souvenirshops mit Namensschildern und gar der Blick hinter die Kulissen wird gewagt. Da kommt man gut klar, wenn die Wildwasserbahn so absurd gefährlich ist, dass sie in der Realität nie existieren könnte (man überlege sich mal, was bei der Nadelfalle passiert wäre, wenn die höher gewachsenen Eltern vorne gesessen hätten).
Aber selbstverständlich ist “Itchy & Scratchy Land” auch wieder eine Parabel auf die Gewalt in der Animation. Nicht nur ausstattungstechnisch ist diese Folge komplett neu konzipiert, auch bezüglich der Sprache, die innerhalb der Grenzen des Parks anders gesprochen wird. Man hat die Wahl zwischen Arealen wie “Unnötige Operationen-Land” oder “Brennendes Benzin-Schmerz-Land”, im Restaurant kann man “Baby-Innereien” verlangen und eine andere Geldwährung ist auch im Umlauf. Interessant neben der Spur, so erzählt der Kommentar, dass die Folge ausgerechnet zu einer Zeit entstand, als Gewalt durch Medien wieder in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wurde und man den Produzenten gar nahelegte, Itchy & Scratchy in Zukunft ganz aus dem Verkehr zu nehmen. Insofern kann man diese Episode auch als totale Offensive gegen die Willkür höherer Instanzen betrachten. Daher dann auch die vielen Parallelen auf Disney (inkl. “Fantasia”-Variante, die ich sogar als meine persönliche Lieblings-Itchy & Scratchy-Episode bezeichnen würde), die zeigen, dass es Gewalt in Medien schon immer gab - und dass die Gesellschaft bisher noch nicht in Anarchie versunken ist.
EPISODE 5
TINGELTANGEL BOB (Sideshow Bob Roberts)
Deutsche Erstausstrahlung: 12.08.1995
US-Erstausstrahlung: 09.10.1994
Inhalt: Bürgermeister Quimby möchte auch die aktuelle Wahl in Springfield gewinnen und entlässt aus Großmut den berüchtigten Tingeltangel Bob aus dem Gefängnis. Sehr zum Ärger von Quimby tritt Tingeltangel Bob selbst zur Wahl an und schlägt ihn. Als Lisa und Bart herausfinden, dass die Wahl getürkt war, gibt es allerhand zu tun... (Booklet-Text)
“Sideshow Bob Roberts”, eigentlich die komplette Figur Tingeltangel Bob ist so ein Fall, wegen dem die Simpsons in ein paar Jahrzehnten vorzugsweise als DER zeitgenössische Kommentar auf die Neunziger Jahre und ihre Eigenarten betrachtet werden wird. Es wird sich nicht davor gescheut, sämtliche Facetten der amerikanischen Gesellschaft zu verarbeiten, und so ist die vorliegende Arbeit einer hervorragende Satire auf die Korruption und Löchrigkeit im amerikanischen Wahlsystem, das seit dem zweifelhaften Sieg Bushs über Al Gore ohnehin in die Kritik geraten ist.
Sämtliche führenden politischen Gruppen der amerikanischen Öffentlichkeit sollten vorsorglich schon mal in Deckung gehen, insbesondere die Republikaner brauchen einen soliden Brustpanzer, um die 20 Minuten unbeschadet zu überstehen.
Sideshow Bobs erneute Rückkehr entwickelt sich langsam zum Running Gag und übt sich in immer mehr Superlativen, so dass der Dreadlocks tragende “Clown wider Willen” langsam, aber sicher zum Supervillain hochstilisiert wird. Den “Cape Fear”-Score hat man sich gleich aus der brillanten letzten Bob-Folge “Am Kap der Angst” (Season 5) erhalten, um den Ex-Gehilfen Krustys noch weiter zu dämonisieren.
In Verbindung mit der Thematik werden den Bürdenträgern der US-Politik sogleich die Teufelshörner mit aufgesetzt, denn der Mann ganz oben (hier: Bürgermeister von Springfield) ist ein hyperintelligenter Größenwahnsinniger, dessen illegale Mittel ihn beinahe schon zu widerlich erscheinen lassen für die Realität.
Von den Saufbolden in Homers Kneipe bis zu den Geheimbündnissen aus wichtigsten Funktionären (Mr. Burns und gar Dracula inklusive) verknüpft das Drehbuch alle Bevölkerungsschichten und veranschaulicht das Wirken der Informationsstränge und Befehlsketten über alle Bereiche. Veralbert wird die manipulative Wirkung von Medien und die Auflösung der Geschichte zum Happy End erfolgt über eine an “Die Unbestechlichen” angelehnte Szene, in der Lisa und Bart wie Dustin Hoffman und Robert Redford sämtliche Dokumente recherchieren, um Bobs unglaubliche Machenschaften aufzudecken.
Im Gedächtnis bleibt natürlich auch die unheimliche Begegnung der 3. Art zwischen Homer und der Archie Gang, die den Gelbling erbost vor seinem eigenen Haus ablädt.
EPISODE 6
FURCHT UND GRAUEN OHNE ENDE (Treehouse of Horror V)
Deutsche Erstausstrahlung: 27.12.1999
US-Erstausstrahlung: 30.10.1994
Inhalt: Akt 1: Die Simpsons passen auf das entlegene Anwesen von Mr. Burns auf... und Homer rastet aus. Akt 2: Als Homer einen Toaster repariert, landet er in der Vergangenheit... und verändert dort die Zukunft. Akt 3: In der Schule verschwinden Schüler auf mysteriöse Weise... und in der Schulkantine stehen plötzlich merkwürdige Dinge auf dem Speiseplan. (Booklet-Text)
The Shining
Kubricks Version hat Stephen King ja schon nicht besonders gut gefallen. Es ist also abzusehen, dass auch die Simpsons-Interpretation des Bestsellers “Shining” - äh - nicht so ganz den Geist der Vorlage trifft. Nur, dass man sich hier freilich mit dem Zauberwörtchen “Parodie” herausreden kann.
Überhaupt ist dieser erste Akt weniger an den Roman, sondern eher an die Verfilmung angelehnt, da gleich komplette Kamerafahrten und Einstellungen kopiert werden - angefangen bei der Vogelperspektive auf dem Weg zum Haus über die Szene mit der verlassenen Schreibmaschine bis zum legendären “Heeere’s Johnny” bildet der 7-Minüter eine Zusammenfassung des Films im Zeitraffer.
Inhaltlich treffen sich Kubricks und Jim Reardons Version erstaunlich nahe, letztere natürlich ungleich primitiver; aber auch hier geht es um die entfesselte Urgewalt des Menschen, ironisch gebrochen über Homers Vorliebe für Bier und Fernsehen. Die amerikanische Kultur ist es hier wie da, die bluten muss; einmal auf den Gräbern indianischer Ureinwohner, zum anderen auf der amerikanischen Gesellschaft der 90er Jahre mit ihrer Fast Food- und TV-Kultur.
Im Ergebnis wird ein unglaublich atmosphärisches Szenario entworfen, dessen Highlight mit Sicherheit die Szene mit der Schreibmaschine ist; perspektivisch entrückt wird das Overlook-Hotel mit seinen asynchronen Wänden ein lebendiges Ding, eine Anlehnung an die allererste Halloween-Folge um das selbst denkende Poltergeist-Haus. Hier hingegen ist der Widerling Homer - Jack Nicholsons enthusiastisches Overacting wird in wilden Grimassen persifliert und wenn sich Homer im Spiegel beobachtet und dabei selbst erschreckt, haben die Animatoren ihren Job wieder hundertprozentig erledigt.
Time and Punishment
“I wish, I wish, I hadn’t killed that fish...”
Eine geniale Time Travel-Geschichte, voller absurder Redundanz, vollkommen logikfrei, das könnte womöglich meine absolute Lieblings-Halloween-Folge sein.
Es ist ein stilistischer Mischmasch, in dem kein Film / kein Buch so hundertprozentig angesprochen wird, überall jedoch Fragmente entnommen werden. Allen voran die sich selbst widersprechende Logik eines jeden Zeitreisefilms, bekanntlich das größte Problem spekulativer Ausflüge in andere Zeitzonen. Es liegt also nichts näher, sich sämtliche Ansätze von Logik zu sparen. Beweis dessen ist die kongeniale Erinnerung Homers an den Ratschlag, den sein Vater ihm bei der Hochzeit gab: “If you ever travel back in time, don’t step on anything. Because even the tiniest thing can alter the future in ways you can’t imagine”. Ein weiser Ratschlag - am Hochzeitstag...
Das Schmetterlingseffekt-Prinzip sorgt durch Homers Tollpatschigkeit für ein Sammelsurium an ausgefallenen Dimensionen, die für eine ganze Staffel “Futurama” gereicht hätten: Eine Riesenwelt mit menschlichen Fliegen, eine Welt, in der Flanders regiert, eine Unterwasserwelt, alles ausgehend von der Periode, in der Dinosaurier die Welt beherrschten - nur weil Homer sich auf einen Fisch gesetzt hat. Der visuelle Aufwand ist enorm, angeblich hat sogar ein Zeichner den Auftrag bekommen, das Simpsons-Haus in 1.000 Eichhörnchen zu verwandeln, woran er eineinhalb Tage gesessen habe - umsonst, da es schließlich wieder herausgeflogen ist.
Ein schräger, absurder und vollkommen ausgeflippter Mittelteil, der noch viel mehr zu bieten hat als hier erwähnt - unnachahmlich.
Nightmare Cafeteria
Da fällt der letzte Teil der Horror-Trilogie leider ein wenig ab. Vor allem fällt auf, dass er sehr ungünstig platziert ist. Nach zwei vor Ideen überstrotzenden Episoden wird “Furcht und Grauen ohne Ende” optisch unaufregend beendet, mit einer von Suspense und unbestätigtem Schrecken durchsetzten Story. Vielleicht hätte man “Nightmare Cafeteria” wenigstens als Bindeglied in die Mitte setzen sollen.
Dennoch ist es ein Spaß, die überzogenen Zweideutigkeiten der Schüler verspeisenden Lehrer zu “entschlüsseln” und die dunklen Machenschaften in der Schule aufzudecken, wenn der Satz “Eat my Shorts” plötzlich wörtlich genommen wird.
Zum Abschluss setzt die Rahmenstory goretechnisch mit einem absolut widerwärtigen Effekt (hautfressender Nebel) die volle Kante und man muss sich fragen, wie das durch die Zensur gekommen ist und wie man es schaffte, das im Nachmittagsprogramm zeigen zu dürfen - immerhin werden hier Menschen von innen nach außen gekehrt und Knecht Ruprecht hat Spaß daran, an Barts Därmen herumzuzerren... ein Abschluss, der fast anmutet wie eine absurde “Hellraiser”-Parodie. Ich bin begeistert von der Konsequenz der Umsetzung.
EPISODE 7
BARTS FREUNDIN (Bart’s Girlfriend)
Deutsche Erstausstrahlung: 19.08.1995
US-Erstausstrahlung: 06.11.1994
Inhalt: Bart verliert sein Herz an Reverend Lovejoys Tochter Jessica, die aus einem sittsamen und braven Haus kommt. Doch stille Wasser sind tief! Als Bart feststellt, dass Jessica heimlich die Kollekte der Gemeinde während einer Predigt plündert, fällt der Verdacht auf ihn... (Booklet-Text)
Man spricht immer von den “Bad Boys”, den bösen Jungs, die auf Frauen attraktiv wirken, während die Verständnisvollen und Sensiblen dann doch oft nur in der Theorie funktionieren - oder im Herbst des Lebens, wenn es keinen Sexualpartner mehr zu finden gilt, sondern eine Begleitung über die letzten Lebensjahre.
Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass Bart, würde er jemals erwachsen werden, einer der “Bad Boys” wäre, ein Mann für eine Nacht, ohne Prinzipien (auch wenn es sich verbietet, überhaupt über Barts Leben als Erwachsener nachzudenken - man will den Zeichentrickcharakter mitsamt seiner ewigen Lebensdauer schließlich nicht entmystifizieren). Es läge also nichts näher, es wäre nichts simpsonesker, als das Gesellschaftsbild von innen nach außen zu kehren und dem bösen Jungen ein noch viel böseres Mädchen gegenüberzustellen.
Dazu wird der Springfield-Stammbaum um eine weitere Person erweitert, denn nun kommt Jessica ins Spiel, die Tochter von Reverend Lovejoy. Wieder einmal wird die “Rubberband-Reality”, wie sie von Groening genannt wird, ein Stück weit ausgedehnt; man könnte auch sagen, der Pizzaboden Springfield erfährt eine weitere Ausrollung.
Warum Lovejoys Tochter? Ganz klar: Erneut deswegen, um die Eingeweide der Gesellschaft nach außen- und seine Haut nach innen zu kehren. Nie würde man erwarten, dass die Tochter eines Reverends ein noch größerer Satansbraten sein könnte als der verzogene Sohn eines Atomkraftwerksangestellten. Oder würde man es gerade dann erwarten? Denn dass sich Menschen nicht immer ihrer sozialen Position und Rolle gemäß verhalten, ist eine Beobachtung aus der Realität, die hier angemessen wiedergegeben wird.
Apropos Satansbraten: Die Konstellation erinnert überhaupt betont stark an das “Problem Child”-Sequel “Ein Satansbraten kommt selten allein” (1991), als John Ritters Rotzlöffel ein noch viel schlimmeres Mädel zur Seite gestellt bekam und auf seine eigenen Grenzen stieß. Regisseurin Susie Dietter (Bart-Expertin) macht aus dem Stoff durchaus eine emotionale Sache, die in Richtung Liebe geht, ohne wirklich Liebe zu sein - es handelt sich um einen komplexeren Gegenstand, der unter anderem die sexuelle Manipulation behandelt, die Frauen als Machtquelle über Männer ausüben. Dass das moralisch nicht richtig ist, wird erwähnt, aber das Tolle ist immer wieder, dass niemand in Springfield von dieser Moral etwas wissen will; Jessicas Vater hält sich die Ohren zu und Bart lässt sich in der Schlussszene wieder manipulieren und lacht sogar noch darüber.
In der deutschen Synchronisation verzapft Ivar Combrinck übrigens einen seiner größten Patzer: Als Bart sich beim Abendessen mit den Lovejoys danebenbenimmt und beginnt, über Hintern zu sprechen, rausgeworfen wird und entschuldigend “but...but...but...” stammelt, übersetzt Combrinck das tatsächlich mit “Hintern...Hintern...Hintern”. Und doch entbehrt die Szene selbst in dieser kuriosen Übersetzung nicht einer gewissen Komik. Vielleicht war Combrinck all die Jahre bis zu seinem Tod ja tatsächlich ein Genie, das nur niemand so recht verstehen wollte. Zumindest seine Arbeit als Synchronsprecher wird man jedoch ganz aufrichtig vermissen. Lang leben Sideshow Bob und Zapp Brannigan...
EPISODE 8
LISA AUF DEM EISE (Lisa on Ice)
Deutsche Erstausstrahlung: 03.09.1995
US-Erstausstrahlung: 13.11.1994
Inhalt: Lisa und Bart spielen Eishockey - allerdings in unterschiedlichen Teams. Als sie sich beide eines Tages auf dem Spielfeld als Rivalen gegenüber stehen, sind alle Ermahnungen, sich friedlich zu verhalten, schnell vergessen. Als es jedoch richtig zur Sache geht, erinnern sich die beiden dann doch noch daran, dass sie Geschwister sind. (Booklet-Text)
Endlich geht es auch mal wieder zwischen den Geschwistern zur Sache. Die Bedingungen stehen: Lisa gegen Bart, da muss selbstverständlich Lisa die Identifikationsfigur sein. Identifikationsfiguren müssen leiden, während die Supervillains hämisch lachen können. Bart ist der Supervillain. Was bringt den Supervillain zum lachen und die Identifikationsfigur zur Verzweiflung? Korrekt: Eine Sache, die der Supervillain beherrscht, sein(e) Gegenspieler(in) nicht. Was könnte das schon im Fall von Bart und Lisa sein? Richtig: Sport. Die einzige Disziplin, in der Lisa nicht regelmäßig eine Eins bekommt.
Dass der Eishockey diesmal als Terrain auserwählt wurde, liegt zum einen an der Passion des Drehbuchautoren für diesen Sport, zum anderen daran, dass Football, Basketball und sogar Fußball schon diverse Male an der Reihe waren.
Der Sport wird selbstverständlich effizient genutzt, um das Verhältnis zwischen Bart und Lisa zu charakterisieren. Lisas Qualitäten als Torwart symbolisieren ihre defensive Haltung im Leben; Bart ist der Stürmer, ein Angreifer, auf dem Feld ebenso offensiv wie außerhalb. Dass in der Realität die Antreiber auf dem Sportplatz oftmals privat eher schüchtern wirken, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Das hier ist ein Zeichentrick und der Eishockeysport dient lediglich als Hinweis auf die Charakteristika der Spieler.
Erschwerend gesellt sich hinzu, dass Homers unglaubliches Verhalten als Vater wie ein Katalysator für den Bruder-Schwester-Zwist wirkt. Er entdeckt seine kompetitive Ader wieder und überträgt sie auf seine Kinder, die er fortan wie Wettpferde behandelt und nur noch mehr gegeneinander aufwiegt. Marge versucht derweil natürlich ohne Erfolg zu schlichten, indem sie versucht, Interesse für eine Sache aufzubringen, die ihr gar nicht liegt - was zu komischen Szenen führt wie der, als sie gegen Bart auf dem Hof einen “Shaq Attaq” ausprobiert.
“Lisa on Ice” hat einige erinnerungswürdige Momente zu bieten. Zum einen Uter, der nur in Unterhose bekleidet von Homer mit einem nassen Handtuch durch die Umkleide gejagt wird; zum anderen Bart und Lisa, einer mit den Armen rudernd, die andere wild um sich tretend, wie sie blind aufeinander losgehen. Und selbstverständlich Homer, der diese Methode übernimmt, um sich einem von Marge gebackenen Kuchen zu nähern, nur um mit einem ebenso schmerzhaften wie realistisch-lustigen Geräusch gegen eine Schrankkante zu stoßen. Das ist Comedy auf allerhöchstem Niveau (je nach Definition von “Niveau”). Die Gegenüberstellung auf dem Eisfeld mag ein wenig zu sehr schwarzweiß sein, auch das Ende ist ziemlich vorhersehbar (vor allem nach der Minigolfepisode aus der ersten Staffel), aber nichtsdestotrotz rührend.
EPISODE 9
DIE BABYSITTERIN UND DAS BIEST (Homer Badman)
Deutsche Erstausstrahlung: 10.09.1995
US-Erstausstrahlung: 27.11.1994
Inhalt: Babysitterin Ashley wird von Homer nach dessen Besuch bei der Süßigkeitenmesse nach Hause gefahren und da passiert es dann: Homers hilfsbereiter Versuch, Ashley eine Süßigkeit vom Po zu entfernen, wird völlig missverstanden und schon nach kurzer Zeit hat er die Frauenbewegung am Hals... (Booklet-Text)
Oh ja, ein Klassiker. Ein Stück weit ein unverstandener, dem noch nicht genug Aufmerksamkeit zugekommen ist. Dabei stimmt hier alles.
Selbst die Animationen sind außergewöhnlich. An der Speerspitze eine Actionfilm-Hommage, die zum Niederknien geworden ist: auf der Süßigkeitenmesse bastelt Homer einen Cocktail und verursacht eine gigantische Explosion, die sich an “Stirb Langsam” anheftet. Eine Zeitlupensequenz inbegriffen, welche die Zeichner immer doppelt so viel Arbeit kostet wie normale Bewegungsabläufe; außerdem eine sehr ausgefallene und ultraschnelle Kamerafahrt mit dreidimensionalem Flair, als Homer zum Wurf ausholt. Die Messe selbst strotzt einmal mehr vor Details (deswegen liebe ich jene Episoden, die mit dem Besuch bei einer Messe beginnen) und die Animation der sich drehenden Fruchtgummi-Venus ist das Sahnetörtchen auf dem Kuchenberg.
Dass Homer und Marge auf eine Süßigkeitenausstellung gehen, hat nicht unbedingt nur damit zu tun, dass Homer ein Fresssack ist (das aber auch); vielmehr handelt es sich schon mal um eine geschmackvolle Metapher auf das, was da noch kommen möge: eine Geschichte um die süße Verführung Frau und das daraus resultierende Problem, das sich der Gesellschaft stellt: sexuelle Belästigung.
Es versteht sich von selbst, dass ausgerechnet der Publikumsliebling nicht tatsächlich eine Frau begrapschen würde, deswegen denkt sich Autor Greg Daniels hier eine Geschichte aus, die sich recht schnell zur Mediensatire wandelt. Der Boulevard und seine unlauteren Methoden, Individuen ihre Privatsphäre der Auflage bzw. Quote wegen zu nehmen, steht unter kritischer Beobachtung. Da wird der naive Homer, trottelig und ein bisschen gutgläubig, in der Öffentlichkeit zum perversen Sexmonster gemacht, das unschuldigen Babysitterinnen nachstellt. Man wird Zeuge der Manipulation und Verbiegung von Fakten seitens der Medien zugunsten einer möglichst schockierenden Meldung - unvergesslich das Interview mit Homer, der Minutenzeiger an der Uhr im Hintergrund wild vor- und zurückschnellend.
Während den Reportern kein Mittel heilig ist, neue schockierende Meldungen über den vermeintlichen Triebtäter auszugraben (Highlight: Eine Infrarot-Kamera erhascht im Ofen in der Küche ein rotierendes Brathähnchen, was vom Fernsehkommentator damit erklärt wird, dass Homer hier in seinem eigenen Saft schmore, um seine Potenz zu steigern), bekommt man auf einer tieferen Ebene die Auswirkungen der Anschuldigungen innerhalb der Familie mit. Die Kinder werden damit konfrontiert, dass ihr Vater als Triebtäter in den Medien steht und Marge muss ihrem Mann ihre Unterstützung geben - schön, dass man daran gedacht hat, auch diese zwischenmenschlichen Momente nicht zu vergessen.
Auch die Flucht aus der Realität, als Homer sich eine bizarre Wasserwelt vorstellt, in der er mit seiner Familie bis an sein Lebensende glücklich verweilen kann, muss noch mal gesondert hervorgehoben werden - hier stellen die Simpsons-Köpfe wieder ihren verqueren Sinn für ausgefallenen Humor zur Schau. Das Disney-typische Heile-Welt-Szenario aus “Arielle” wirkt hier so ausgefallen weltfremd und als Homer dann im Traum beginnt, die Meeresbewohner zu verputzen und er plötzlich inmitten von Fischgräten schwimmt, bricht kurioserweise wieder eine von Homer eigens erdachte harte Realität in die Flucht aus der Wirklichkeit. Das sind so die Blitzmomente, denen ich eine Genialität unterstellen möchte, die der Konkurrenz bislang noch meistens gefehlt hat.
EPISODE 10
GRANDPA GEGEN SEXUELLES VERSAGEN (Grampa Vs. Sexual Inadequacy)
Deutsche Erstausstrahlung: 17.09.1995
US-Erstausstrahlung: 04.12.1994
Inhalt: Als das Liebesleben von Homer und Marge auf dem Nullpunkt angelangt ist, gibt Grandpa eine Tinktur an Homer weiter, die ihn fortan zum wahren Sexgott reifen lässt. Marge ist begeistert und schlägt vor, die Tinktur kommerziell zu vermarkten. Wie zu erwarten läuft das Geschäft gleich richtig gut an... (Booklet-Text)
Wiederum beginnt eine Folge mit einem TV-Bild, das schon mal feinfühlig auf das sich anbahnende Thema einstimmt. Es läuft ein Chaser-Movie aus den 70ern, mit Beetles und Flower Power, und die 70er waren - wie wir aus den Flashback-Folgen wissen - die Zeit, in der Homer und Marge im vollen Safte ihres Lebens standen.
Gleich darauf dann ein Bild von dem Ehepaar aus der Gegenwart, der eine füllig und träge, die andere genervt, ja fast schon sexuell frustriert. Und nach diesen paar Sekunden weiß man bereits, worum es geht: nichts, was für Kinderaugen bestimmt wäre.
Mit solchen Stories bestätigt man den Ruf, weniger eine Kinder- als vielmehr eine Erwachsenenserie zu sein, denn was nun folgt, bietet keine zweite Ebene, die für Kinder ansprechend wäre. Es bleibt zwar jugendfrei, aber anhand der Geschichte werden sich Zuschauer, die noch vor der Pubertät stehen, eher die Zähne ausbeißen. Gags basieren hier meistens auf sexuellen Anspielungen und damit wird kein Kind etwas anfangen können.
Umso größer jedoch ist der Wiedererkennungswert für Erwachsene, ja bevorzugt gar lang verheiratete Ehepaare. Die Versuche, wieder Feuer in die Ehe zu bringen, könnten so manches Déjà Vu verursachen, wenn Kamasutra-Bücher und stimulierende Kassetten ausgeliehen werden oder wenn romantische Hotels aufgesucht werden (und man im Abstellraum landet).
Dann kommt der Mythos vom alten Mann mit den vielen nützlichen Tipps wieder zur Geltung und Grandpa darf ganz Springfield mit seinem Aphrodisiakum erfreuen. Das führt beispielsweise zu einer Anspielung auf “Der verrückte Professor” (Original), wenn Professor Frink sich vom Nerd zum Schwerenöter verwandelt; schließlich zu Verschwörungstheorien der Kinder, die nicht verstehen, warum alle Erwachsenen plötzlich so beschäftigt sind. Hier wird sogar direkt darauf hingewiesen, dass der Plot für Kinder nicht wirklich taugt und man sich darüber auch im Klaren ist, und dennoch wird den jüngeren Zuschauern hier ein Moment der Identifikation angeboten, an dem sie die restliche Folge über festhalten können.
Dass sich das komplexe Thema sexueller Inadäquatheit schließlich noch in einen Vater-Sohn-Konflikt mit Rückblenden in die Kindheit (Young Homer rocks!) wandelt, ist wieder typisch für die Serie, denn zwei schwierige Themen derart unter einen Hut zu bringen, hat schon Klasse. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass das Aphrodisiakum in einem direkten Zusammenhang damit steht, dass Homer überhaupt geboren wurde. Dadurch gewinnen beide Bereiche erst an Substanz und Feuer.
EPISODE 11
ANGST VORM FLIEGEN (Fear of Flying)
Deutsche Erstausstrahlung: 24.09.1995
US-Erstausstrahlung: 18.12.1994
Inhalt: Als Homer einen Freiflug gewinnt, muss sich Marge bei einer Psychologin ihrer Flugangst stellen, die aus ihrer Kindheit herrührt. Als Marge erfolgreich die Therapie beendet und mutig den Flug mit Homer antritt, läuft natürlich nichts nach Plan... (Booklet-Text)
Nicht ganz so gut gefallen will die Psychoanalyse der Marge, denn obwohl man einiges über ihren Charakter erfährt, schneidet sich das Dramatische ihrer Vergangenheit auf einer bestimmten Ebene mit der Comedy, die so richtig nur im Plot-Opener zur Geltung kommt. Da muss ich sogar sagen: Die Sache mit Klein-Homers Leichenfund aus einer der viel gescholtenen späteren Staffeln hat da einfach besser geklappt. Vielleicht, weil es diesmal Marge ist, die analysiert wird - und das ist natürlich nicht halb so witzig wie dem kichernden, keifenden Lachsack neben ihr auf den Grund zu gehen.
Sicher, es gibt trotzdem viele witzige Bilder - der blaue Haarschopf, der wild an den Flugzeugfenstern hin- und herrennt; Grampa alleine im Flugzeug sitzend und kreischend wie Macaulay Culkin in “Kevin allein zu Haus”; Marge, wie sie verstört vor dem Fernseher sitzt und eine Dokumentation à la “Überleben” anschaut; Klein-Marge, wie sie mit Watschelgang ihrem Daddys ins Flugzeug folgt.
Apropos Daddy: Marges Vater bekommt an dieser Stelle seine abrupte Introduktion in die Serie und das wirkt, wenn man vorher nie etwas von ihm gehört hat, immer ein wenig konstruiert. Und tatsächlich wird im Kommentar offenbart, dass zunächst einmal die Idee im Raum stand, eine Psychotherapie zum Thema zu machen, und alles andere wurde drum herum nachträglich aufgebaut. Leider merkt man das zu sehr. Obwohl “Fear of Flying” dramaturgisch noch einigermaßen gelungen ist (der Abschluss des ersten Aktes mit dem startenden Flugzeug ist einer der besten überhaupt), wirkt es in Idee und Umsetzung doch manchmal zu aufgesetzt. Auch wenn viele gute Gags, die komplette Mannschaft aus “Cheers” sowie Anne Bancroft in der Rolle der Psychotherapeutin dafür entschädigen.
Kleine Information für die DVD-Besitzer: Wenn man den Abspann abwartet, findet man ein einminütiges Andenken an die inzwischen gestorbene Schauspielerin, die noch lebte, als der eigentliche Audiokommentar aufgenommen wurde.
EPISODE 12
HOMER DER AUSERWÄHLTE (Homer the Great)
Deutsche Erstausstrahlung: 01.10.1995
US-Erstausstrahlung: 08.01.1995
Inhalt: Für Homer wird ein Traum wahr: Er wird Mitglied in der exklusiven Steinmetz-Vereinigung. Doch Homers Benehmen lässt wie üblich zu wünschen übrig und so kommt es wie es kommen muss - man wirft ihn raus. Das Blatt wendet sich jedoch, als die Mitglieder erfahren, dass er das Zeichen des Auserwählten am Körper trägt... (Booklet-Text)
Eines soziologischen Phänomens nimmt sich nun wieder die Geschichte um die Steinmetz-Vereinigung an und wie ich meine, sind das genau die Storylines, die den Simpsons immer am besten gestanden haben und für die Großtaten in der Serie gesorgt haben.
“Homer the Great” ist so eine Großtat. Nicht nur, dass die menschliche Tendenz zur Gruppen- und Cliquenbildung so zielgenau aufbereitet und ihrer ganzen Dynamik analysiert wird, mitsamt unzähliger Sonderfälle und Nebeneffekte; nein, anhand von Homers Person wird auch noch die Wirkung dieser Form der sozialen Struktur auf die Psyche des Individuums ausklamüsert. Ganz zu schweigen davon, dass auch der religiöse Fanatismus wieder eine auf den Deckel bekommt.
Denn interessanterweise macht sich in Springfield ganz plötzlich eine Steinmetzvereinigung bemerkbar, und die ist Auslöser einer Kette von Gruppenbildungen, sozialer Übervorteilung und Diskriminierung. Für Homer macht sich die Existenz des geheimen Clubs durch Prioritäten bemerkbar, die ihm verschlossen bleiben. Der interessante Umstand, dass die Exklusivität eines Clubs für dessen Mitglieder den Ausschluss für Außenstehende zur Folge hat und dass das Clubmitglied in dem Maße ein Privileg genießt, wie es dem Outsider genommen wird, kommt in den ersten Minuten ausgezeichnet zur Geltung, zumal das Gagwriting hervorragend mit der Storyline verbunden ist. So beginnt der erste Akt damit, dass Homer sich durch den Morgenverkehr quält, in der hintersten Ecke des gigantischen Atomkraftwerk-Parkplatzes endlich eine freie Ecke findet und beim Aussteigen plötzlich seine Familie und sein Haus sieht - ein paar Meter und einen Zaun entfernt.
Doch richtig warm wird Drehbuchautor John Swartzwelder, dessen Handschrift hier unverkennbar ist, erst, als Homer irgendwie in die geheime Vereinigung gelangen kann und selbstverständlich alles versaut. Nach einer sehr gelungenen Gesangseinlage der Steinmetze erfolgt der Höhepunkt, wenn das neue Mitglied sich die heilige Schrift als Essenslatz umbindet und Empörung erntet. Verzweifelt versucht er nun also, dem Ursprung für die Empörung entgegenzuwirken und putzt sich die Ohren mit der Schriftrolle und schnieft sich die Nase, während die Empörung seiner Brüder immer lauter wird. Eine Wahnsinnsszene, fantastisch umgesetzt und unglaublich wirksam in dieser Situation.
Nebenbei wird mit sozialen Positionen gespielt, die als soziales Konstrukt entlarvt werden, das nur innerhalb der Gemeinde gilt - so darf Lenny seinem Boss Mr. Burns bei den Steinmetzen als Höhergestellter in den Arsch treten, während er ihm auf der Arbeit normalerweise in selbigen kriechen muss.
Der angesprochene religiöse Touch gelangt durch ein Muttermal Homers ins Drehbuch, das ihn als Anführer der Steinmetze stigmatisiert. Ein blinder Glauben an den neuen Anführer macht sich bei den Steinmetzen breit und die Satire besteht darin, dass es mal wieder unbedingt Trottel Homer sein muss, der eine Gottheit verkörpert. Das zieht die ganze Konstruktion ins Lächerliche, was auf die Spitze getrieben wird, wenn ein glorifizierendes Bild vom Anführer gemalt wird und wir anschließend sehen, worauf das Gemälde basiert - Homer mit dem gleichen Gesichtsausdruck, aber mit einem Bier auf dem Bauch vor dem Fernseher sitzend anstatt die Hand gen Himmel rankend. Der plötzliche Trubel, der nun um seine Person gemacht wird - nachdem wir in einer Rückblende erfahren haben, dass Klein-Homer nie in irgendwelche Klubs aufgenommen wurde und es sogar einen “Keine-Homer-Klub” gab - veranlasst ihn logischerweise zum Größenwahnsinn, dem Lisa mit ihrer Rationalität entgegenwirkt: “Dad, denke immer daran, Ruhm ist nicht für die Ewigkeit.” Und die kongeniale Antwort: “Doch, Lisa. alles dauert ewig.”
Eine fantastische Folge, zu alledem auch noch hervorragend animiert und dazu eine intelligente, tiefsinnige Geschichte voller Gags, die zur Crème de la Crème gehören - mehr kann man nicht verlangen.
EPISODE 13
UND MAGGIE MACHT DREI (And Maggie Makes Three)
Deutsche Erstausstrahlung: 08.10.1995
US-Erstausstrahlung: 22.01.1995
Inhalt: Lisa fällt auf, dass im heimischen Fotoalbum keine Bilder von Maggie zu finden sind. Marge und Homer erzählen ihr von der Geburt der Schwester, Homers Kündigung im Kraftwerk und seiner Rückkehr... und dass Maggies Bilder alle an seinem Arbeitsplatz zu finden sind. (Booklet-Text)
Die Ausflüge in die Vergangenheit werden gemessen an der zurückgelegten Strecke schon immer knapper und so langsam ist das Glied bis zum Blast Off anno 1989 geschlossen. “And Maggie Makes Three” erzählt die Begleitumstände der Geburt des letzten Simpsons-Kindes, das in der Gegenwart immerhin noch ein Baby ist - jetzt verfügen die Simpsons offiziell über eine Historie.
Die Unterschiede im Produktionsdesign sind entsprechend des Zeitpunktes der Erzählung kaum noch existent und absolut subtil. Wer genau hinsieht, bemerkt beispielsweise, dass Homer hier noch drei Kopfhaare besitzt anstatt zwei - eine Erklärung wird in der zweiten Hälfte der Episode geliefert. Auch Dr. Hibbert besitzt noch eine andere Frisur; ansonsten wird das Vergangenheitsgefühl durch unterschwellige Veränderungen in den Beziehungen der Springfielder zueinander gezeigt. Lenny und Carl kennen Homer offensichtlich noch nicht ganz so gut (sie wundern sich über seinen Gestank), Homer prescht ins Büro seines Chefs vor und kündigt... alles kleine Dinge, die heute irgendwie anders sind.
Für eine Flashback-Episode gibt es indes eine erstaunlich hohe Gagfrequenz mit nahezu hundertprozentiger Trefferquote. Sie resultiert daraus, dass man Homer in einer Zeit begleitet, wo sich in jeder Sekunde irgendwas ändert oder spontan ergibt. Während viele der Vorgängerfolgen - die um Marges und Homers Zusammenfinden, die um Barts Geburt, die um Lisas Auftauchen als Konkurrenz für Klein-Bart - sich voll und ganz auf Nostalgie und Emotion verließen, wird der emotionale Unterbau hier mit kontinuierlicher Slapstick gefüttert, die sich von einer Szene zur nächsten immer wieder neu ergibt. Privat- und Berufsleben des Atomkraftwerkarbeiters werden dabei effektiv miteinander verbunden und auf Homers reaktionäre Persönlichkeit bezogen. Die stärksten Momente finden sich in Homers Neigung, sehr schwer von Begriff zu sein, wenn es um die ersten Anzeichen für die Geburt seines dritten Kindes geht (das sich die Simpsons finanziell eigentlich nicht leisten können) - dezente Anspielungen, schließlich offensichtliche Aussagen werden dann einfach mal darauf bezogen, dass Homer gerade einen neuen Job im Bowlarama gefunden hat.
Trotzdem will ein wenig Emotion gewährt sein und letztendlich ist das letzte Bild dieser Folge vielleicht das wundervollste in all den Jahren.
EPISODE 14
BARTS KOMET (Bart’s Comet)
Deutsche Erstausstrahlung: 15.10.1995
US-Erstausstrahlung: 05.02.1995
Inhalt: Bart wird von Direktor Skinner zur Himmelsbeobachtung verdonnert und sichtet einen Kometen, der direkt auf Springfield zu rast. Als auch Raketen den Himmelskörper nicht vernichten können, ziehen sich alle in Flanders’ Atombunker zurück. Alle, außer Homer... (Booklet-Text)
Im Kommentar wird wahrscheinlich mit gutem Grund davon gesprochen, dass “Bart’s Comet” als eine der perfektesten Simpsons-Episoden überhaupt sei. Als Argument wird angegeben, dass sie alles habe, was den Zeichentrick ausmache: einen großen Plot, gleichzeitig aber Gespür für den beobachtenden Humor im Kleinen, Gags, Dramatik und Emotion in einem. All diese Attribute treffen mit Sicherheit auf die Kooperation von John Swartzwelder (Drehbuch) und Bob Anderson (Regie) zu, aber vielleicht ist es genau diese konzeptionelle Perfektion, die mich nie so sehr erreicht hat, wie es mit Sicherheit von den Machern beabsichtigt war (was man auch merkt).
Denn die Story ist ebenso überlebensgroß wie “Armageddon”, lässt darin aber leider auch zu sehr die Atmosphäre von der “Geschichte des kleinen Mannes” schleifen. Nicht, dass davon nichts enthalten wäre - schließlich wird Skinner mal wieder ein Lebenstraum versaut und am Ende bricht sogar verstärkt Sozialkritik hervor, als ein Atombunker über Moral und Ehre derer richtet, die ihn bewohnen wollen (basierend übrigens mal wieder auf einer “Twilight Zone”-Folge). Aber es wird eben vermengt mit einer Geschichte aus dem Semifiktionalen, aus dem Realistischen, das zu diesem Zeitpunkt unserer Welt aber noch nicht eingetreten ist. Eine im Endeffekt zu verrückte Geschichte, um sie liebzugewinnen oder zumindest lieber als jede andere.
Die Qualitäten kann man ihr trotzdem nicht absprechen und so ist anzuerkennen, dass es sich wirklich um ein durch und durch perfekt inszeniertes Katastrophenszenario handelt, das alles bedient: die Parodie auf Filme seiner Art, Gesellschaftskritik (die überheblichen Springfielder lachen den Kometen aus, als sie sich sicher fühlen), Einzelschicksale, Comedy, einfach alles. Der “Big Butt Skinner”-Ballon ist Beifall wert und die Situation im Bunker ist toll geschrieben. Doch um richtig gut zu sein, fehlte mir am Ende einfach der Zugang, zumal das Finish mit den im Sonnenuntergang schwelgenden Springfieldern, ausgelassen “Que sera” singend, mir einfach viel zu kitschig war. Aber wenigstens wird mit diesem Gesang nicht abgeschlossen, sondern es folgt noch ein vergnüglicher Plottwist, wodurch der Kitsch um einiges erträglicher wird.