😂
Ich freu mich!
Passend zum Thema vielleicht als Aperitif für StS' kommendes "Battleground"-Review noch meine (schon etwas ältere) Kritik zu einem sowjetischen Kurzfilm, der ebenfalls auf Kings Short Story "Battleground" basiert.
Srajenie
Sowjetunion 1986
Regie: Mikhail Titov
Stephen King ist zwar vor allem bekannt für sich langsam aufbauenden Kleinstadthorror, der sich über ausführliche Charakterzeichnungen erschließt, aber hin und wieder überraschte er seine Leser auch mit kurzen und knackigen Short Stories, die gleich zum Punkt kamen, indem sie Situationen als gegeben voraussetzten und meist erfolgreich auf den Horror des Moment bauten. 1978 veröffentlichte King mit “Nachtschicht” die erste Kurzgeschichtensammlung. Eines der Highlights daraus hört auf den Namen “Battleground” und handelt von einer “Toy Story”-Variante für Erwachsene: Ein Killer setzt eine Spielzeugarmee auf einen Mann an. Wir verfolgen dabei das Geschehen aus der Sicht des Mannes und müssen mit ansehen, wie die anfangs harmlose Situation zunehmend eskaliert. Wir unterschätzen die kleinen Figürchen und ihr destruktives Potenzial, bis es zu spät ist und wir alle Mühe haben, die Miniaturpanzer und Soldaten und Hubschrauber und Raketenwerfer abzuwehren...
Der Reiz der Sache liegt einerseits in der Perspektive, die wir einnehmen. Wir sind in dem riesigen Körper des Hauptdarstellers gefangen und dort recht ungelenk im Vergleich zu den Spielfiguren, die dreimal um uns herum sind, während wir uns gerade mal um 180 Grad gedreht haben. Darauf bezogen nutzt King zweitens einen hektischen, panischen Schreibstil, der zu einem Irrsinnstempo führt, durch den rationale Gedankengänge des Opfers kaum noch möglich erscheinen, sondern Affekt und Instinkt die Handlungsmomente beherrschen.
Ein russischer Kurzfilm machte sich die Geschichte dann Mitte der Achtziger zu eigen; offensichtlich mit dem Anspruch, das Feeling der Kurzgeschichte wiederzugeben. Und das ist in weiten Teilen gelungen.
Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass hier das Rotoskopverfahren zum Einsatz kam, zumal ein Jahr vorher erst das Musikvideo zu A-Ha’s erfolgreicher Single “Take On Me” mit dieser Technik zustande kam und vielleicht auch ein wenig Einfluss auf die Welt der Kunstschaffenden ausgeübt hat.
In jedem Fall führt die abgehackte, krakelige Animationsform tatsächlich zu der beschriebenen Hektik des Erzählten und fängt damit recht gut die Stimmung ein, die man auch beim Lesen hat: Es fehlt der Überblick über die Situation, denn in jedem Frame könnte irgendwo ein neues Detail auftauchen, das den derzeitigen Standpunkt wieder verändert. Abgesehen von einer vereinzelt auftretenden weiblichen Erzählerstimme finden auch keinerlei Dialoge statt, so dass man in der absurden Situation praktisch isoliert ist von irgendwelchen im weitesten Sinne menschlichen Interaktionen.
Hinzu kommen rasante Perspektivenwechsel, die sich im zunehmenden Gefecht verstärken und verdeutlichen, wie sich jedes Mal aufs Neue die Situation verändert. Ein 1/2-sekündiger 180-Grad-Schwenk um einen Spielzeugroboter ist da keine Seltenheit. Das Pacing beginnt bereits schnell, steigert sich in den zehn Minuten aber zunehmend. Die abschließende Flucht die Treppe hinauf ins Bad ist dann schon fast ein perspektivisches Abstraktum.
Farbgebung und Soundtrack ließen sich meines Erachtens eher von Computerspielen inspirieren, hört man in dem permanenten Gedudel letztendlich doch nichts mehr als eine bessere akustische Untermalung eines C64-Spiels. Die Hubschrauber tuckern außerirdisch mit Synthesizer-Sound, Aufprallgeräusche, Krackseln und Beeper machen sich in den Gehörgängen breit und erinnern an alte Zeiten. Der Protagonist, ein Film Noir-Prototyp, erstrahlt lustigerweise in bunten Farben und wirkt selbst wie ein Monster aus einem Computerspiel, wie eine Art Spielfigur, die der Zuschauer durch eine Horde von flinken Gegenspielern steuert, die sich an den Waden festbeißen und nicht mehr loslassen wollen. Hier ist der Unterschied zur Vorlage zu finden, denn diesmal kann man nicht in dessen Gedanken reinhören; es ist sogar zweifelhaft, ob diese Leerhülle, die man da steuert, überhaupt so etwas wie Gedanken hat. Das ist allerdings nicht zwangsläufig schlecht, sondern es legt einfach nur den Fokus auf die reaktionäre Dynamik, die in diesem Miniaturkrieg entsteht.
Wie es sich gehört, endet alles mit einem großen Knall. “Srajenie” ist in jedem Fall ein interessantes, leicht experimentelles Projekt, das die Vorlage von King in Sachen Pacing sehr gut einfängt und sich ansonsten offenbar von der Computerspielkultur hat beeinflussen lassen. Eine süße Vorspeise für Brian Hensons Neuinterpretation im Rahmen der 2006er-Miniserie “Nightmares & Dreamscapes”...
Kaboom!
,5
Link zum kostenlosen Download:
http://www.stephenkingshortmovies.com/movies/Srajenie.asf