Thank You for Smoking
Originaltitel: Thank You for Smoking
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 2005
Regie: Jason Reitman
Darsteller: Aaron Eckhart, Maria Bello, Cameron Bright, Adam Brody, Sam Elliott, Katie Holmes, David Koechner, William H. Macy, J.K. Simmons, Robert Duvall, Kim Dickens, Rob Lowe
So wie sich zuletzt die Waffenindustrie in “Lord of War” ihre satirische Abreibung abholte, die amerikanische Außenpolitik in “Wag the Dog” als eine Reihe von Lausbubenstreichen entlarvt wurde und “Schnappt Shorty” das Filmbusiness seiner Magie beraubte, ist es nun die Raucherindustrie, die von Jason Reitman aus dem Michael Mann’schen seriösen Kontext (“Insider”) herausgerissen und vor einen Zerrspiegel gestellt wird. Dass all diese Themenfelder eigentlich zusammengehören, ist doch ganz offensichtlich - fragt nur mal Nick Naylor (Aaron Eckhart) - er wird auf “To Have and Have Not” hinweisen. Einen Hollywood-Filmklassiker. Da bietet Bogey der verführerischen Lauren Bacall Feuer und gewinnt ihr Herz vor wie hinter der Kamera. Ja, damals hatte das Rauchen noch Sexappeal... was ist nur aus der Welt geworden?
“Thank you for Smoking” ist ein herrlich hinterfotziger Dialogfilm über Argumente und das permanente Ausweichen auf die Nebenspur. Man wird in die Pfanne gehauen? Kein Problem: Man benutzt das brutzelnde Fett, um es dem Werfer ins Gesicht zu spritzen und hält der Masse gleich noch die Wunden vor, die man sich beim Anbraten geholt hat. Das Mitleid wird einem sicher sein, selbst wenn man in der unrühmlichen Lage ist, neben einem an Krebs erkrankten Kind in einer Talkshow zu sitzen und die Tabakindustrie zu vertreten. Doch am Ende ist es die Opposition, die dasteht wie ein geschorenes Schaf. So ist er halt, unser Nick.
Recht ist immerhin relativ, denn es liegt immer auf Seiten jener, die am besten mit Worten jonglieren können - das ist die Botschaft der Rundumschlag-Satire, die ähnlich den “Simpsons” keine Partei auslässt, wenn es erstmal richtig losgeht. Da wird das skrupellose Gesicht der Geschäftsmänner gezeigt, die aus dem Tod von Menschen Profit schlagen und sich auch noch als Menschenfreunde zeigen. Da ist der blinde Aktionismus der Gesundheitsinspektoren, die gar so weit gehen, geschaffene Kunst nachträglich zu verunstalten (Thank You For Editing, Star Wars, Welcome On Earth, E.T.), ganz zu schweigen von der Masse, die nur “Buuh!” oder “Horray!” zu kennen scheint. Leute, beginnt selbstständig zu denken! Hinterfragt Autoritäten! Das sind wertvolle erzieherische Tipps, die schon in der Schule gelehrt werden sollten - dass Nick Naylor diese Tipps aber dazu gebraucht, die Kinder gegenüber der Zigarette meinungsneutral zu machen, ist dann wieder pervers genug, dass es der Lehrerin zu viel wird und sie den netten Herrn von der Tabakindustrie so schnell wie möglich aus der Klasse schafft. Was für ein skrupelloser Drecksack, dieser Nick. Und wir sollten uns schämen, schließlich kommt der Kerl so unverschämt sympathisch rüber. Er ist ja immerhin auch sehr ehrlich, nicht wahr? Eine positive Eigenschaft.
Das Universum von “Thank you for Smoking”, der Einblick in die intimsten Details eines Pressesprechers und seines abwechslungsreichen Umfeldes ist voll von geradezu unmenschlichen Absurditäten, die sich ganz einfach durch die wechselnden Kontexte ergeben und je nach Perspektive gar nicht mehr so verabscheuungswürdig wirken. Ist es denn so falsch, das Geld zu nehmen, das einem angeboten wird? Oder man könnte auch dazu sagen: alles zu tun, um sich und seine Familie über die Runden zu bringen? Der krebskranke Marlboro-Mann (dessen Marke eigentlich “Cools” sind) sagt nein. Nick sagt das auch und diese Werte überträgt er auch an seinen Sohn, der zwar bei seiner Mutter lebt, ihn aber in diesem Film oft begleitet.
Die einzige Instanz, die über die Welt der Argumentation erhaben ist, nennt sich Selbstjustiz. Einen Entführer kannst du schlecht mit Argumenten bequatschen. Aber die Selbstjustiz ist temporär und ihre Auswirkungen werden nur wieder zum eigenen Vorteil gedreht, was den Selbstjustizler zum größten Idioten von allen macht. Traurig in Anbetracht der Tatsache, dass es schon eine “Kakerlake” (in der Tat, Nicks Überlebensstrategie gleicht derjenigen der Kakerlake auffallend. Wie er selbst am Ende sagt “Für jemanden wie mich gibt es immer einen Platz”) ist, die die Welt regiert. Setzt dem Mann eine Krone auf. Ist das moralisch vertretbar? Eher nicht; den Regeln Darwins schmeichelt es aber eben doch.
Das Ganze dann flott erzählt, mit einer Wahnsinns-Darstellergarde an Bord und schon hat man uns Zuschauer auch an der Angel. Sich Aaron Eckhart zu entziehen ist ganz einfach nicht möglich. Dabei wagte ich dem Mann vor Jahren noch eine absteigende Karriere zu prognostizieren. Nick Naylor ist aber seine Paraderolle - besser geht’s nicht. Und der erlesene Supportcast erst - Robert Duvall, William H. Macy, Sam Elliott, Maria Bello, Rob Lowe... alles nicht mehr die absolute erste Wahl, aber durch die Bank immer sehenswert und für fast alle gilt: Lange wurden sie nicht mehr so punktgenau passend eingesetzt.
In einer Schlüsselszene klärt Nick seinen Sohn darüber auf, dass es nicht zwangsläufig darauf ankommt, seinen Standpunkt zu untermauern. Man muss eben ausweichen können. Wenn der Argumentationsgegner nicht überzeugt ist, dann ist das unwichtig - es kommt nur auf die Masse an. Hat “Thank you for Smoking” jetzt eigentlich gezeigt, dass die Zigarettenindustrie der Teufel ist? Die Tatsache, dass man im gesamten Film nicht eine einzige Zigarette zu sehen bekommt, sollte beweisen, dass es darauf überhaupt nicht ankommt. Hokus Pokus - Nick Naylor ist der Magic Man!