Election 2
Originaltitel: Hak se wui yi wo wai kwai
Produktionsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Johnnie To
Darsteller: Simon Yam, Louis Koo, Wong Tin Lam, Gordon Lam Ka-Tung, Nick Cheung Ka Fai, Mark Cheng, Eddie Cheung, Lam Suet, Andy On, Tam Ping Man, Cherrie Ying, You Yong
Hatte Johnnie To in “Election” schon begonnen, die Triaden-Kultur von Attributen wie Ruhm, Stolz und Ehre zu befreien, so macht er durch “Election 2" endgültig Nägel mit Köpfen. Nachdem die zuletzt mit Spannung erwarteten “PTU” und “Breaking News” ein wenig enttäuschend ausfielen, legt der Regisseur endlich mal wieder ein richtig starkes Werk vor, das man trotz seiner Zweiteilung unbedingt als ein zusammenhängendes, kausal aufeinander aufbauendes Gesamtwerk betrachten sollte. Denn eine Kenntnis des Vorgängers ist fast Pflicht: wir steigen sofort mitten ins Geschehen ein.
Als Arbeitsmaterial wurde aus dem ersten Teil nicht nur das altbekannte Figureninterieur um Gangsterboss Lok mitgebracht, vor allem auf das Bild einer schattenhaft wie ein Geschwür im Herzen Hongkongs sitzenden Triaden-Subkultur wird aufgebaut. Mehrmals wird darauf verwiesen, wie fest das in hierarchischen Familien organisierte Verbrechen in der Gesellschaft verankert ist und wie sinnlos das Unterfangen der Justiz ist, diese Verankerung zu lösen. Tatsächlich gibt es in “Election 2" einen Moment der polizeilichen Kapitulation; man findet sich mit einem kleineren Übel ab und beginnt die Triaden zu akzeptieren, als man versucht, die interne Struktur nicht zu zerstören, sondern sie wenigstens transparent zu machen, so lange sie unzerstörbar ist.
Ein bitteres Bild der Anklage gegen die Unfähigkeit des Gesetzes, einer Form der kriminellen Organisation den Garaus zu machen. Das Bild wird umso bitterer, zieht man in Betracht, wie To die Triaden charakterisiert: als Nutzkollektiv mit den darwinistischen Charakteristika einer Kakerlake. Zwar durch demokratische Wahlen organisiert, behaftet mit Traditionen von pseudohaftem Charakter (Ein ungeschriebenes Gesetz der Wong Sing-Triade besagt, dass der Boss zweijährlich wechseln muss und der amtierende Mann freiwillig zurücktreten sollte), aber letztendlich doch mit Individuen, die durch Eigennutz und Korruption getrieben werden und ihren eigenen Kopf über Wasser halten, indem sie die Köpfe anderer untertauchen.
Dass dieses Vorgehen keinen “Godfather”-Charakter besitzt, sondern ganz im Gegenteil meilenweit entfernt ist von ehrenvollem Handeln, zeigt To in den Gewaltszenen, die den organisatorischen Dialogcharakter des Films immerzu unterbrechen, um Spannungsspitzen einzubauen. Im aus “Election” bekannten Stil werden im Weg stehende Gangsterfiguren im politischen Schachspiel aus dem Weg geräumt - zynisch, hart und brutal. Dabei wird gerne abgeblendet oder die Akustik zugunsten einer ungemütlichen Melancholie einfach abgeschaltet, so dass man zwar die auf Menschenschädel einschlagenden Gegenstände sieht, nicht jedoch das passende Geräusch dazu. “Election 2" ist wieder kein Gewaltfilm in “Bloodshed”-Manier, aber die psychische Wirkung der Bilder ist durch die Beharrlichkeit der Peiniger und die Ausweglosigkeit der Opfer ausgesprochen hoch. Das Töten hat keinerlei befriedigenden Charakter - es ist mehr noch als nur ein notwendiges Übel, nämlich eine elende Qual. Die Schicksale der Opfer bahnen sich hinterfotzig auf leisen Sohlen an.
Im Grunde zeigt “Election 2”, wie die Triadenkultur an sich selbst scheitert, weil sie zu spät erkennt, dass das durch die Wahlen gefestigte demokratische System nichts ist als Fassade. Zur gleichen Zeit jedoch scheitert auch das Gesetz, das diesmal deutlich seltener in Erscheinung tritt. In dieser Welt beginnen die Pfeiler einer ganzen Gesellschaft zu bröckeln. Die Misskonzeption der Wong Sing-Triade breitet sich aus und zieht den Körper mit sich in den Abgrund, in den sie sich eingenistet hat. Und langsam bildet sich das Gefühl heraus, dass die strukturellen und teils auch inhaltlichen Simplifizierungen des ersten Teils mit dem Ausbau der Reihe nichtig werden.
Johnnie To gelingt das seltene Kunststück, den Vorgänger noch zu übertreffen. Er versteht es, die Fäden konsequent weiterzuspinnen und aus der Konstruktion von “Election”, der noch einer Suche nach dem heiligen Gral glich (symbolisch stand hier ein Schlüssel und dessen Besitz für die von allen Parteien angestrebte Machtposition), die weiterreichenden Folgen zu entwickeln. Auch wenn für diesen Mehrwert eine geringe Einbuße an Unterhaltungswert in Kauf genommen werden muss.