Matinee
Originaltitel: Matinee
Herstellungsland: USA
Erscheinungsjahr: 1993
Regie: Joe Dante
Darsteller: John Goodman, Cathy Moriarty, Simon Fenton, Omri Katz, Lisa Jakub, Kellie Martin, Jesse Lee, Lucinda Jenney, James Villemaire, Robert Picardo, Jesse White, Dick Miller
Ich meine es ausnahmslos gut mit den - aus heutiger Sicht - drolligen Monsterfilmen der auslaufenden 50er Jahre. Joe Dante meint es noch besser mit ihnen - allerbeste Voraussetzungen für eine Hommage an eine Filmepoche, die offensichtlich wie keine andere die damaligen gesellschaftlichen Ängste widerspiegelte.
Diese Ängste hörten im Jahr 1962 auf den Namen “Kuba-Krise”. Die Amerikaner lebten zu diesem Zeitpunkt in einer permanenten Furcht vor der Atombombe, die jederzeit in ihr abgeriegeltes Leben treten und ein gigantisches Loch in die Fassade reißen könnte wie ein außerirdischer Komet. Die Filmindustrie verarbeitete das Unbehagen über mutiertes Insektengetier und Alien-Invasoren, die der Erde einen Besuch abstatteten, um ihre Bewohner - teilweise grundlos - zu vernichten. Hierin reflektiert sich die Sinnlosigkeit des Atomkrieges und die schiere Hilflosigkeit der Menschen, deren Familien teilweise der Vater weggerissen wurde, damit dieser sein Land gegen die Bedrohung aus dem Osten abwehren konnte.
“Matinee” will aber nicht nur eine Hommage an die Zeit der Monsterfilm-Gigantomanie sein, sondern auch an einen ganz speziellen Vertreter seiner Zunft: William Castle. Die B-Movie-Legende ging als Verkörperer des dreidimensionalen Schreckens in die Filmgeschichte ein. Ihm lag daran, den Zuschauer das Grusel-Erlebnis so aktiv wie möglich erleben zu lassen. Dazu waren ihm alle Mittel recht: 3D-Technik, “Rumble-Vision” und andere Effekte, die Wirkung des Filmes aus der Leinwand hervortreten zu lassen. Weniger wichtig war die Logik hinter den Filmen; die Schockwirkung musste momentbezogen und direktional sein, wie eine Achterbahnfahrt.
Der ehrbare Gedanke hinter dem Motto “Step right up! I’m gonna scare the pants off America”: Da der Horror nur eine flüchtige Momentaufnahme war, würde nach dem Schock die Realität wieder einkehren und die Zuschauer würden sich erleichtert und befreit fühlen. Damit traf Castle natürlich den Zahn der Zeit, denn nicht nur war der Horror gesellschaftlich reflektiert, er würde anschließend auch kurz den Gedanken an die sublime Gefahr, die sich in den Köpfen aller verankert hatte, verschwinden lassen und wieder die Freude am Leben zum Vorschein bringen.
Tatsächlich gelingt Dante das Kunststück, diesen Aspekt durch seine vorhersehbare, aber zufriedenstellende Pointe abzufeiern. Die Figur des Lawrence Woolsey mit der traumhaften Idealbesetzung John Goodman ist ein mehr als gelungenes Gegenstück zu Castle, der immer wieder mit feinen Seitenhieben angedeutet wird. Inklusive der dezenten Verwandtschaft zu Altmeister Alfred Hitchcock, die einen jungen Tankstellenwart dazu bringt, Woolsey nach einem Autogramm zu fragen - und sich dann freundlich bei Mr. Hitchcock zu bedanken.
Schade, dass diese ausgezeichneten Voraussetzungen, die auch noch so stimmig beginnen, im ausgedehnten Mittelteil durch Schwächen in der Story so leichtfertig vergeben werden. Atmosphäre, Kostüme, Schauspielerei, alles scheint zu passen. Die Perspektive aus der Sicht eines heranwachsenden Teenagers und seines jungen Bruders, deren Vater an die Front geschickt wurde, wirkt in den ersten Minuten gut gewählt, bekommt man doch hierdurch die unschuldige Sicht auf eine Welt, die sich vollkommen jenseits der eigenen Macht selbst regelt und am Abgrund zur Gewalt steht. Eine sorgende Mutter, der Film-im-Film “Mant” (gebildet aus “Man” und “Ant”), die erste große Liebe und bestimmende Autoritäten von Erwachsenen, die sich zum Teil genauso naiv verhalten wie Kinder. Die komplexen, interstrukturellen Zusammenhänge zwischen Film und Gesellschaft werden simpel, aber einleuchtend veranschaulicht. Lediglich zu bemängeln ist bis zu diesem Zeitpunkt, dass John Goodman und seine Welt des Filmes noch zu selten gezeigt werden.
Doch im Mittelteil lösen sich die vielversprechenden Ansätze teilweise in Luft auf, damit frei nach “Zurück in die Zukunft” eine etwas cheesige Coming of Age-High School-Romanze ihren Lauf nehmen kann. Hier verlässt Dante die Verbindungslinie zum Filmgeschäft, stützt sich viel zu autark darauf, was an der Schule passiert und lässt Film wie Krieg zu sehr außer Acht. Goodman kommt weiter nur zögerlich ins Spiel, abgesehen von einer Debatte mit Sittenwächtern ist sein Filmemacher die ganze Zeit über eher passiv am Geschehen beteiligt und lediglich an einer Vorstellung interessiert, in der selbstverständlich nicht alles ganz so läuft, wie es geplant war.
Zum Ende hin wird es dann wieder besser, wenn sich endlich die angekündigte Kinovorstellung anbahnt und gar einige Faktoren aus der High School-Geschichte - wie der eifersüchtige und mit Mord drohende Starkweather - halbwegs sinnig in den letzten Akt integriert werden. Und Goodman ist hier einfach verdammt gut als enthusiastischer, aber niemals hektischer Mann von Welt, der mehr Erfahrung und Wissen versprüht als alle anderen Figuren zusammen, der wie eine Meta-Instanz über die panisch in alle Richtung laufenden Männchen wacht und sie so betrachtet wie wir heute die kreischenden Japaner in einem Godzilla-Film. Für Lawrence Woolsey ist die Atombombe ein Monster aus Gummi und Reißverschluss, und diese Sicht auf die globale Situation weiß Goodman ausgezeichnet auf die Leinwand zu übertragen.
Letztendlich bleibt ein Brunnen, der bei weitem nicht ausgeschöpft wurde. “Matinee” hätte ein kleines nostalgisches Meisterwerk sein können, hätte ihm ein besseres Drehbuch zugrunde gelegen. Im Mittelteil, der von einem belanglosen “Zurück in die Zukunft”-Zwischenspiel dominiert wird, kommt die Einwirkung globaler Ereignisse auf die Inhalte der Filmindustrie nicht genug zur Geltung. Zumindest jedoch stimmen gute Darsteller, ein authentischer Look und ein ordentliches Filmende gütlich.