Chasing: Sleep (2000)
OT: Chasing Sleep
Technische Daten
Vertrieb: Sony Pictures
Regionalcode: 2
Herstellungsland: Frankreich / Kanada / USA
Laufzeit: ca. 100 Min.
Regie: Michael Walker
Darsteller: Jeff Daniels,
Emily Bergl,
Gil Bellows,
Zach Grenier,
Julian McMahon
Bildformat: 1,85:1 (anamorph / 16:9)
Sprachen: DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Audiokommentar
Freigabe: FSK 16
Film
Am Anfang ist da dieses Gefühl. Vom Empfinden her ist es immer gleich, nur in seiner Intensität kann es variieren. Ein Grummeln im Bauch, ähnlich einem Schockzustand, in einer Dichte vom leichten Unwohlsein bis zur Übelkeit. Es ist Ausgangspunkt für die Furcht vor etwas, eine böse Ahnung, einen gerade ausgelösten Zustand der Angst oder Überraschung, etwa wenn man unvermittelt angeschrieen wird - aber es kann auch ein Zeichen für Schuld sein. Für das Wissen darum, dass man etwas falsch gemacht hat, für den Wunsch, den begangenen Fehler zu korrigieren. Für die Erkenntnis, dass dieses Unterfangen unmöglich ist. Außer freilich in den tempusparadoxen Unwelten des David Lynch.
Nicht nur diese scheint Michael Walker, seines Zeichens Autor und Regisseur von “Chasing: Sleep”, penibel studiert zu haben. Da bilden sich in den sterilen Räumen des Hauses plötzlich graue Flecken, die an der Wand wachsen, bis sie aufbrechen und Wasser und Fäulnis freisetzen. Da werden stets und ständig ungewollte Dinge den Abfluss heruntergespült, in den Müllschlucker gesteckt, in die Toilette geworfen. Doch es kommt immer wieder an die Oberfläche. Stilistisch an subtilen Psychohorror der jüngeren Zeit angelehnt, darf man jedoch nicht den Fehler machen, Michael Walker als einfachen Imitator von Vorbildern wie Lynch, Cronenberg oder Adrian Lyne (bezüglich “Jacob’s Ladder”) festzumachen. Denn so interessiert scheint er gar nicht daran zu sein, seinen Platz in einem Trend zu finden. Fast schon eher kann man späteren Produkten Inspirationsbildung bei “Chasing: Sleep” unterstellen, wenn man Filme wie “Dark Water” oder Computerspiele wie “Silent Hill 4" betrachtet. “Chasing: Sleep” zitiert vielmehr die grundlegende Klassik, Schuld und Sühne. Dies hier ist so etwas wie eine moderne Neuverfilmung von Edgar Allan Poes “Das verräterische Herz”.
Damit ist zwar jede Aussicht auf einen effektiven Plottwist dahin, aber die Überraschung ist ohnehin schon mit dem offensichtlichen Titel in Wohlgefallen aufgelöst. Es ist dann auch wirklich beruhigend zu erkennen, dass am Ende nicht künstlich auf Mindfuck gedreht wird. Konstruiertheit macht Platz für das Gefühl an sich, die Spannung von innen, das Weiden an der reinen Emotion. Die Folge ist eine unaufdringliche Ästhetik. Im Gegenstand lange nicht mehr neu, beinahe banal, doch in der Ausführung fast exzellent. So schiebt sich dieser Beitrag an jüngeren Vertretern wie “Identität” vorbei.
Jeff Daniels trägt den Film als Schauspieler quasi im Alleingang. Eingeschlossen in die künstlich hellen Gänge seines Hauses, die tiefste Dunkelheit und Klaustrophobie suggerieren, gleitet er mit jedem vergangenen Tag zunehmend in das Irrationale, das ihn immer öfter besuchen kommt. Die Invasoren sind teils menschlich; Telefon und Türklingel erschallen so oft, dass man sie beide zum Teufel wünschen würde. Doch dann ist dieser Mann alleine, ohne sozialen Kontakt, und das verstärkt seine Depressionen und seine Einbildungen. Menschen; dieser Mann kann nicht mit ihnen leben, aber auch nicht ohne sie.
Die Bilder, die der Regisseur schafft, sind nicht weniger als Kompositionen. Ein langsames Dahingleiten durch die Flure, durch Türen hindurch und in Zimmer hinein. Ein ebenso langsames Gleiten wie das von Daniels in die innere Unruhe. Zunächst ist alles nur ein wenig komisch, als seine Frau, die wir nie gesehen haben, nicht von der Arbeit nach Hause kam. Soll man da im Krankenhaus anrufen, oder ist das übertrieben? Man mag es Intuition nennen, das Gefühl, das einen dazu bringt, schließlich nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die Polizei anzurufen. Immerhin kennt man die Gewohnheiten seiner Mitmenschen - es ist nicht normal, dass die Frau über Nacht fortbleibt.
Mit zunehmender Abstinenz der Frau wird das flaue Gefühl im Magen immer stärker - bei Daniels’ Ed Sanxon, beim Zuschauer. Es geschieht nicht viel, das Übliche eben; es passieren auch keine Dinge, die nicht erklärbar wären, zumindest vorerst nicht. Und doch erschafft Walker dieses Unbehagen, indem er einfach nur die pastellfarbenen Tapeten entlanggleitet und seltsame Geräusche einfängt, Widerhall, metallische Geräusche, dumpfes Pochen.
Selbstverständlich lässt der psychologische Horror nicht lange auf sich warten - spätestens, als Daniels eine Handvoll Staub, dann einen abgetrennten Menschenfinger unter dem Schrank hervorholt, ändert sich die Perspektive. Der Keller füllt sich behäbig mit auslaufendem Wasser, in der Schwärze seiner Ecken erkennt man plötzlich ein kleines Detail, das immer heller wird. Es entpuppt sich als Gang in einem Krankenhaus. Ein Kameratrick, der uns in die Vergangenheit führt oder in die Gedankenspiele Daniels, der nur dasteht und in die Dunkelheit starrt.
Zwar ist jederzeit mehr als offensichtlich, was welches Detail zu bedeuten hat. Die Symbolik in Form der Wasserschäden, der verstopften Toilette, der unangenehmen Überraschung in der Badewanne, sie lässt keine Zweideutigkeiten zu. Und doch ist dieses Werk unbeeindruckt von Auflagen, die zu beachten sind. Auf das Urteil von Filmkritikern scheint es überhaupt nicht angewiesen zu sein. “Chasing Sleep” ist in sich schlüssig, stimmig und jederzeit atmosphärisch. Nicht so komplex und asymmetrisch wie “Lost Highway”, nicht so psychologisch intensiv wie “Jacob’s Ladder”, aber doch verwaschen und geheimnisvoll; nicht so reißerisch wie “Identität” und so augenöffnend wie “Sieben”, nicht so poetisch wie “Insomnia”, aber doch durchdacht und sich selbst bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner auflösend.
Bild
Ich bin überrascht. Die gedämpften, pastellfarbenen Töne von Ed Sanxons Haus kommen ausgezeichnet zur Geltung. Die vielen dunklen Kanten und Winkel werden mit ausgezeichnetem Kontrast wiedergegeben; die Schwarzwerte sind sehr, sehr gut. Ganz minimales Rauschen fällt auf, das stört allerdings nicht im geringsten. Die Bildschärfe ist zufriedenstellend, Bildverschmutzungen sind nicht festzumachen. Als Sanxon auf den Schrank starrt, kann man vor ihm jedes Staubkorn in der Wohnung funkeln sehen. Reicht für
Ton
Auch tonal darf man mehr als zufrieden sein. Die grundsätzlich bedrohliche Ruhe eröffnet im Normalfall nicht viele Möglichkeiten, die Wände krachen zu lassen, doch die unheilvollen Geräusche aus den Gedärmen des Hauses wirken sehr bedrohlich und in Flashbacks lässt Sanxons Frau Rears wie Fronts gleichermaßen durch unterschiedliche Stimmen erschallen. So sollte sich ein Thriller im Idealfall anhören.
Leider ist die englische Sprachausgabe nur mit deutschen Zwangsuntertiteln verfügbar.
Menüs
Ein sehr edel aufgemachtes Menü zeigt unter Musik fünf sich bewegende Bilder mit den symbolischen Ausflüssen, die für die Filmaussage eine wichtige Bedeutung haben. Auch die Szenenauswahl ist animiert, der Rest ist stumm.
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Extras
Größter Bestandteil der spärlichen Extras ist sicherlich der untertitelte Audiokommentar mit Regisseur Michael Walker und Production Designer Dan Ouelette. Ansonsten gibt es noch eine 16-teilige Fotogalerie, den Trailer (1:45 Min.) und zusätzliche Infos in Form einer Biographie von Michael Walker und Filmographien von Jeff Daniels, Emily Bergl und Gil Bellows.
Fazit
Zugegeben nicht sonderlich origineller, dafür aber stark eingefangener und bei aller fehlender Originalität trotzdem eigenständiger Psychothriller mit dem Etikett “Geheimtipp”. Jeff Daniels schleicht überzeugend durch ein Gemälde von einem Film, das mit allerlei Schuldsymbolik kokettiert. Die DVD ist aus technischer Sicht für einen Backkatalogtitel überraschend stark. Allerdings sind die Extras spärlich und der O-Ton ist nur in einer Kombo mit deutschen Uts verfügbar.
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Testequipment
TV-Gerät: Tevion 4:3
DVD-Player: Pioneer XV-DV313 5.1 Komplettsystem